Freitag, 19. August 2005
Kennzeichen D
So, unsere kurze Ost-Expedition ist beendet. Und ich muss sagen: Leipzig ist eine tolle Stadt. Vielleicht war sie ja auch schon zu DDR-Zeiten als Messestandort sowas wie ein Aushängeschild. Und der gute Mephisto wird sich auch was dabei gedacht haben, als er den Doktor Faust unmittelbar nach dessen Verjüngungskur dorthin brachte. Wobei ich gestehen muss: In "Auerbachs Keller" sind wir nicht hinuntergestiegen, auch das meiste von dem vorher anvisierten Kulturtouristenprogramm (Gewandhaus, Museum der bildenden Künste etc.) hab ich mir dann auch geschenkt. Das Wetter war einfach zu toll, und so bin ich dem Rat gefolgt, die Stadt auf eigenen Füßen zu "erlaufen", viel rumzugucken, Atmo zu schnuppern, mit dem Kinderwagen zu flanieren und mich treiben zu lassen. Etwas irritiert hat mich indes eine ungefähre Hundertschaft junger Menschen aus Australien (oder Neuseeland?), die kreuztragend und Halleluja-Lieder-singend im entgegensetzter Richtung die Runde durch die Stadt machten. Hätte gern gefragt, ob sie den Flieger nach Köln verpasst haben oder ob das hier ne protestantische Gegendemo zum Weltjugendtag werden soll. Oder ob womöglich die in Leipzig stattfindende Games Convention den Grund lieferte, nicht nach Köln zu fahren. Aber da sie so gar keine Pause beim Singen und Klampfen machen, kämpfte ich diesen ketzerischen Impuls erfolgreich nieder. Und flüchtete in die Thomaskirche, allwo die legendäre Bach-Orgel grade gestimmt wurde, was nebenbei bemerkt ein ziemlich psychedelisches Klangerlebnis sein kann.

Ach ja, ein sehr unterhaltsames Date mit Frau Ella in einem netten Straßencafé war auch noch drinne im Paket. Hätte ich auch gerne noch länger ausgedehnt, den Plausch mit der lieben Bloggerkollegin, aber da forderte dann halt das Papidasein seinen Tribut. Überhaupt steckt die Kleine das Herausgerissensein aus der vertrauten Umgebung nicht mehr ganz so klaglos weg wie in den ersten Lebensmonaten, längere Autofahren am Stück können da schon mal ein Problem werden.

Aus diesem Grund haben wir auf dem Rückweg dann auch in Weimar noch einen Zwischenstop eingelegt. Das Städtchen, das einst unsere Geistesgrößen und Dichterfürsten beherbergte, machte auch einen sehr präsentablen Eindruck. Aber der dortige Einzelhandel ist halt noch nicht flächendeckend auf das internationale Kulturtouristenpublikum eingestellt. Und so kam ich dann noch in die Verlegenheit, einem amerikanischen Pärchen im Lebensmittelladen die Grundzüge des deutschen Pfandflaschen-Systems zu verklaren: "Well, for s o m e empty bottles of beer you get money back, for others you don't. Erm, well, it depends..." Weiß nicht, ob ich damit viel zur Völkerverständigung beisteuern konnte. Die Dame hinter der Theke war jedenfalls recht froh, dass ich zur friedlichen Klärung des komplizierten Sachverhalts beitragen konnte. Überhaupt muss ich sagen, dass mir im Osten sehr viel Freundlichkeit begegnet ist, in Geschäften, auf der Straße und überhaupt. Da könnte sich so mancher hiesige Besserwessi ein Beispiel dran nehmen. Ei verbibbsch.

... comment

 
Ach, das war schon ok so. Überhaupt bemerkenswert wie lange die Lütte das so mitgemacht hat. Hoffe, der Rückweg war dann nicht von herzzerreißendem Weinen geprägt. ;-)

[edit:]
Ach ja, wie gut, dass man bei Stippvisiten nur die Schokoladenseiten der Ossis kennenlernt. ;o)

... link  

 
Ja,
ist schon klar, schließlich hat mans auch schon bei "riebergemachten" mitgekriegt, dass sie z.T. immer noch ganz schön anders ticken. Und natürlich denk ich mir auch, dass Leipzig und Weimar nicht wirklich repräsentativ sind für das gesamte Neufünfland.

Sie hat sich dann doch wieder eingekriegt, die Lütte. Aber zunächst mal wars halt gestern extrem blödes Timing, dass meine Frau grad dann auf der Messe fertig war, als die Kleine im Kinderwagen eingeratzt war. Beim Umpacken in den Babysitz ist sie natürlich aufgewacht und war entsprechend grätzig. Meine Frau abgehetzt vom Messebetrieb, ich genervt vom Gequäke der Kleinen. Da hatten wir alle zu tun, um wieder runterzukommen. Der Weimar-Aufenthalt war genau das richtige, um Dampf aus dem Kessel zu nehmen. Und der ganze Rest der Rückfahrt war dann überwiegend entspannt...

... link  


... comment
 
gell, eine feine stadt, thomaskirche ist eine perle, obwohl die prinzen damit in zusammenhang gebracht werden. ich hab eine orgelprobe im gewandhaus genossen.
ich hab ja davor zurückgeschreckt, mit dem baby in dem alter lange zu fahren. und wenn's sich nicht vermeiden ließ, dann nur mit großzügigen pausen und sozusagen in anderthalbstundenetappen. man kann's natürlich auch reißen. aber man muss ja nicht.

... link  

 
Mein Glück,
in Orgelproben zu geraten, ist mir in den letzten Jahren leider etwas abhanden gekommen. Dafür kam ich inzwischen mehrfach in den Genuss des Stimmens - was aber nicht wirklich ein vollwertiger Ersatz ist.

Die Kleine kann eigentlich schon noch längere Strecken ab. Aber so dauerfriedlich wie in den ersten Monaten ist sie nicht mehr, da kommt jetzt der deutlich gesteigerte Bewegungsdrang zum Tragen. Richtig übel wirds, wenn sie nicht dazu kommt, zu schlafen, wenn ihr danach ist. Gestern das Umtopfen ins Maxicosi war schon schlecht getimt, und als ich dann kurz darauf ins Handy brüllen musste, damit meine Frau versteht, wo ich auf sie warte, da war dann wirklich Luftalarm...

... link  

 
eben, der wachsende bewegungsdrang ... genießen sie's trotzdem :-)

... link  


... comment