Mittwoch, 25. September 2013
Zur gefälligen Beachtung
So, das war auch mal wieder fällig. Nicht dass jemand denkt, ich hätte völlig die Lust daran verloren, der Netzgemeinde und ihren Vorbetern ein paar Glocken zu läuten. Zugegebenermaßen zu kurz kommt dabei eine genauere Analyse des katastrophalen Abschmierens der Piratenpartei; dieses Thema wäre einen eigenen Beitrag, ach, was sag ich: eine Serie wert. Aber das müssten vielleicht Leute leisten, die da etwas näher dran waren als ich. Auf alle Fälle müsste dabei der gängige Denkfehler tunlichst vermieden werden, mit ihren zwischenzeitlich zweistelligen Zustimmungsraten im Politbarometer wären die Piraten praktisch schon so gut wie im Bundestag gewesen. Denn die Antworten auf die Sonntagsfrage irgendwann in der Mitte der Legsislaturperiode und das, was am Wahlsonntag dann tatsächlich in der Kabine angekreuzt wird, wenns ernst wird, sind zwei paar Stiefel. Das kann man sich gar nicht oft genug klarmachen.

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Die politischen Blogs, so erwartungsvoll gestartet, so hoffnungsvoll beim Wachsen beobachtet, so nachsichtig durch die Adoleszenz begleitet, haben sich in den nun knapp 18 Jahren bis zu ihrer Volljährigkeit leider nur zu dem Äquvalent einer „Big Brother“-Staffel in der Netzwelt entwickelt.

Oh, wie viel hatte ich mir erhofft von den Netzaktivisten. Licht sollten sie bringen, und es hinter den Vorhang der großen politischen Bühne halten. Sie sollten die Ecken ausleuchten in denen die Wahrheit geschubst wurde.

Und was tun sie tatsächlich? Sie lassen hinter dem Rücken Nebelkerzen fallen um ihre ideologische Abhängigkeit zu verschleiern, während sie vorne mit machtvoller Stimme ihre Unabhängig-Zweifelsfreie allein-seeligmachende Wahrheit verkünden. Für mich ist „politisches Freidenkertum“ zur einer Religion geworden. Und wie die Katholen sind sie erstarrt in Ritualen und Traditionen, immer auf der Suchen nach dem Ketzer und Häretiker …

Schade. Dabei fing alles so hoffnungsvoll an …

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So hoch gesteckte Erwartungen,
hatte ich eigentlich gar nicht. Zumindest nicht, was die politische Seite der Bloggerei (und anderer netzbasierter Interaktionsformen) angeht. Ein Werkzeug ist halt immer nur so gut wie diejenigen, die es handhaben. So habe ich auch nicht so recht zu erkennen vermocht, wie eine rein technisch aufgesetzte Kiste wie Liquid Democracy für bessere Politik bürgen soll. OK, jeder Teilnehmer kann da wohl irgendwas voten, aber das konnte man bei den TED-Umfragen im Fernsehen auch schon seit jeher, und besser geworden ist das Programm davon auch nicht.

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Nun, Blogs haben in anderen Staaten eine deutlich höhere politische Meinungsführung als hier. Das/der Blog ist in anderen Ländern durchaus als Werkzeug zur politischen Bildung bekannt. Das hatte mir mal Mut gemacht. Und Hoffnung …

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Ah, verstehe. Hatte das zwar da und dort auch rühmen hören, dass anderswo deutlich mehr ging als hierzulande, aber so genau verfolgt habe ich die Entwicklung in anderen Staaten dann doch nicht.

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Wahlumfragen 2 Jahre vor der Wahl kann man am Wahltag gut gebrauchen- als Untersetzer für das Bierglas, mit dem man sich die Ergebnisse schöntrinkt oder das Ergebnis feiert, mehr kann man damit nicht anfangen außerhalb des Hörsaalgebäudes der Politologen.


Die Einerseits könnte das Verbleiben der Netzpolitik in der Netzexpertensparte am elitären Habitus derselben liegen. Dazu kommt, daß man das Technobabbel erst mal verstehen muß. bei anderen Themen fällt das Mitreden leichter- jeder meint Experte für Sozial- oder Familienpolitik zu sein.
Andererseits wird in der Netzwelt die Zeitung zwar regelmäßig totgesagt, aber trotzdem liest Bauer Kalupske morgens das Lokalblättchen, egal was die hippen Internetters dazu sagen.

Das sind weitgehend entkoppelete Kommunikationssphären. Angela Merkels "das Internet is ja so was wie Neuland" löste zwar den Megashitstorm aus, stimmt aber: eine nicht zu vernachlässigende Anzahl Wähler bekommt zwar Emails, nutzt Facebook und kauft bei Amazon ein, aber das war's auch, größeres Interesse ist nicht da, warum auch? Internet als einfach zu nutzendes Kommunikationsmedium erfordert nicht, daß man sich weiter als zur Nutzung seines Browsers einarbeitet und das ist für die Generation meiner Eltern schon der totale Hammer, auf den man stolz sein kann. Wenn man das geschafft hat, hat man das Gefühl, das Neuland erobert zu haben, langt also.

Leben findet immer noch offline statt, der Ruderverein, in dem man Kumpels trifft und nach dem Rudern ein Bier zusammen trinkt, füllt die Sparte "Hobby und Socialising" für mehr Leute als Online-Konferenzen. Von daher sollte man seinen Einfluß auf Wahlen realistisch sehen, gerade als Neustarter hängt viel davon ab, wie man persönlich rüberkommt.
Die alten Parteien sind bei jedem Dorfrumps dabei, man ist mit dem Vereinen verzahnt, das löst man nicht aus dem Computereckle.

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Wie schrob ich seinerzeit im FAZ-Blog:
(...) man ist auf Facebook präsent, wie sich das heutzutage gehört. Aber die entscheidenderen Social Networks sind hier immer noch die Schützenvereine, Karnevalsgesellschaften und Kirchen-Gemeinderäte.
Nach allem, was ich so höre und lese, hat der hiesige Direktmandatsgewinner nicht zuletzt mit seiner massiven Präsenz auf Marktplätzen, Schützenfesten und dergleichen beim Wahlvolk gepunktet. Der hat sich nicht darauf beschränkt, online ansprechbar zu sein, der hat hier wirklich die Ochsentour absolviert (zumal er nicht über irgendeine Liste abgesichert war).

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eben, man gewinnt nicht nur online. Parteiprogramm online stellen etc ist wichtig, da kann der geneigte Wähler da nachlesen, aber vor Ort braucht er Sympathieträger, die sein Bild verteilen und sagen "wir kennen uns aus dem Schützenverein/unsere Kinder gehen zur gleichen Schule. Das ist ein guter Mann für uns, ich kenne den". Gewährsleute sozusagen.

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Ja, absolut, und was das angeht, hat der hiesige Volksvertreter wohl ziemlich viel richtig gemacht. Auch bei dem lokalen Aufregerthema Konverter (ein Stromnetzbetreiber will neben das Umspann-Dingens im Nachbarkaff einen großen Klotz hinstellen, der für den Stromnetz-Ausbauplan wohl einen wichtigen Knotenpunkt bilden soll) - da hat sich der Abgeordnete zum Fürsprecher der Not-in-my-backyard-Bewegung gemacht, was mich einigermaßen überrascht hat. Es spricht aber für einen ausgeprägten politischen Instinkt, gegen das Projekt Stellung zu beziehen, auch wenns im Bundesnetzplan schon mehr oder weniger drinsteht. Da kann man schön Bürgernähe demonstrieren, und wenn das Ding doch dort hingestellt wird, kann er sagen, ich war dagegen und habe auch gekämpft.

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yupp, da kann man Kante beweisen, im Zweifelsfall auch gegen die eigene Partei, sich als "unser Mann/Frau in Berlin" profilieren, ohne wirklich was zu riskieren.

"das haben wir online", von mitfuffziger Verwaltungsbeamtinnen geflötet, bekommt mich mittlerweile auf 180 in Nanosekunden. Dann klickt man sich endlos durch deren Seiten auf der Suche nach dem Elterngeldformular, muß es dann nur noch zu Hause ausdrucken und als Hardcopy bei ihnen abgeben, dann dauert nur noch 3 Monate, bis sich rausstellt, daß ich noch ein Formular brauche, was mir dann zugeschickt wird.

Online ist, zumindest mein Eindruck, das Dings schlechthin, aber am Ende steht man dann doch als Emailausdrucker da weil in der Verwaltung keiner Peil hat, wie das geht.

Gut, das haben jetzt die Piraten nicht verbockt, aber diese Sachen sagen was aus darüber, wie up-to-date man in Verwaltungen (in Stadtstaaten fehlt uns der Flächenland-Puffer, da ist die Politik an den Verwaltungen dichter dran) ist und da wirken netztechnische Diskussionen zumindest auf mich als ob man im Rohbau steht und sich über die Frage, ob die Fußleisten mattgrau oder dunkelbeige lackiert werden sollen, in Satisfaktionsforderungen gerät während eigentlich die Frage, ob man das Dach nun decken soll oder lieber nicht, anstünde.

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Ihr Direktkandidat war doch wohl auf der ganz sicheren Seite oder wurde im Millionärsviertel schon mal einer von den anderen gewählt?

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Der Wahlkreis
besteht ja nicht nur aus dem Millionärsviertel, da sind mit Krefeld-Süd und Jüchen (um nur mal zwei Beispiele zu nennen) auch weniger privilegierte Gebiete mit dabei. Im eigentlichen Millionärsviertel hatte die FDP in früheren Jahren mehr Stimmen als die CDU. Seine stärkste Wählerbasis dürfte Heveling eher da draußen in den kleineren Städten und Gemeinden des Rhein-Kreises haben, was weiß ich, in Kleinenbroich, Kaarst-Büttgen, Steinforth-Rubbelrath, wo die Schützenbrüder ihre Fahnen mit der Aufschrift "Heimat, Sitte, Vaterland" in der Kirche weihen lassen.

Wer den Wahlkreis vor 2009 in Berlin vertreten hat, müsste ich mal nachgucken. Das habe ich nicht mehr parat, denn bei der 2005er-Wahl wohnte ich noch nicht hier.

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Oh ja, Schützenverein vs. politische Netzblase - die klaffende Lücke ist in Deutschland offenbar drastischer als so mancher (ich inkl.) geahnt hätte.
Immerhin: Man lernt was draus (hoffentlich). Ich bin nun noch auf die Ergebnisse am Sonntag hier in Österreich gespannt. Aber die Hoffnungen sind ziemlich tief im Keller.

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Das die Netzblase eine Blase ist, ist ja nicht mal schlimm. Ich selbst betrachte Freizeituniformträger mit Aufmarschtendenzen zwar distanziert, halte es was das angeht aber preußisch: joder nach seiner Facon.
Das man nun, einfach weil das heute so ist, die Fußballstammtisch etc abschafft und wir alle nur noch in die Tasten hauen, will kein halbwegs vernünftiger Mensch.

Wenn es um Entscheidendes wie "wo soll Kind zur Schule gehen", hilft mir ein "gucken Sie mal im Internet, wir sind auch im Internet" nicht weiter. Da will ich einen persönlichen Eindruck haben, ich schick das Kind ja auch nicht per Email ein.
Und so ist es auch mit Wahlen: kaum etwas geht über den vor Ort vernetzten weil dort lebenden Kontakt, der sagt "du kennst mich und ich kenn' den".

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@novesia:
Ich will die Repräsentativität des hiesigen Wahlkreises fürs bundespolitische Große und Ganze auch gar nicht höher hängen als sie gehört. Aber wie sehr die Binnenwahrnehmung in der (Berliner) Netzblase von so manchen Realitäten draußen im Lande abweicht, ist mir voriges Jahr schon bewusster geworden, als ich nach Hevelings Kriegserklärung an das Web 2.0 mal etwas genauer hingeguckt habe, wie sein Background und sein Standing hier im Wahlkreis ist.

Aus der empirischen Sozialforschung weiß man ja, dass der Durchschnittsdeutsche nicht in Berlin wohnt, sondern irgendwo in einer Kleinstadt mit 20-40.000 Einwohnern. Entsprechende Größenordnungen für Österreich habe ich aus dem Stand nicht parat, aber ich vermute mal, die Wahl wird weniger in Wien, Innsbruck und Graz entschieden als eher in Sanktschießmichtot im Kruzifixtal.

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@cassandra:
(...) ich schick das Kind ja auch nicht per Email ein.

Haha, der war gut, den Spruch darf ich mir bei Bedarf mal ausleihen, ja?

Im Übrigen ist zumindest den intelligenteren Vordenkern des digitalen Wandels auch klar, dass die Virtualität längst nicht alle gemeinschaftsstiftenden Dinge des Lebens absorbieren wird - und dass so mancher Trend eben auch seinen Gegentrend gebiert. Also hier die Vereinzelung vorm PC, Smartphone oder Fernseher, dort das Public Viewing oder die samstägliche Bundesliga-Konferenz im Radio. Solche Dinge werden nicht automatisch unwichtig, nur weil man sich jetzt auch Bewegtbilder und Musik jeder Klangfarbe aus dem Internet runterladen kann.

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ja, leihen Sie ruhig.

Ich sehe das ganze eher als etwas, daß sich gegeneitig ergänzt- wir halten zu Leuten aus dem Studium Kontakt per Internet-Dingsies. Früher bedeutete das Studienende und die damit verbundenen Umzüge auf jeden Fall einen Einschnitt, der fällt zumindest bei uns durch den Spielkrams weniger deutlich aus.

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Die Leute müssen essen, trinken, Miete bezahlen oder ein Haus bauen, heizen, sich ein Auto kaufen oder ein Fahrrad, Kinder großziehen und Urlaub machen.

Zwischendurch daddeln sie im Internet herum, um sich immer mal eine Pause während der Arbeitszeit zu gönnen.

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Ich fand die Formulierung des Kommentators Thorsten Haupt sehr treffend, wonach das Netz im Bewusstsein der grossen Mehrheit der Deutschen nichts weiter sei als als eine Mischung von gelben Seiten und einem grossen Supermarkt, gekoppelt grosszügigem Platz für Kleinanzeigen.

Man könnte freilich noch einen Schritt weiter gehen und fragen: Was ist es denn anderes als BESITZSTANDSWAHRUNG, wenn die Nerds die Existenz ihrer Spielwiese nach heutigen Regeln (also inklusive Netzneutralität etc.) fortschreiben wollen?

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