Sonntag, 28. Juni 2009
Einen Radler, bitte
Heute war auf dem Platz vorm Haus mal wieder eins von diesen Festchen, die mich immer kalt erwischen, weil ich die örtlichen Blättchen mit den Veranstaltungshinweisen nur sehr sporadisch lese. Gut, ob es die Karnevalisten sind oder die Kleintierzüchter, die das Viertel mit ihrer Humba-Humba-Täterää-Musik beschallen, spielt letztlich keine große Rolle. Es ist schlicht und ergreifend nicht mein Bier. Ich frage mich beim Blick aufs Publikum nur manchmal, ob man da irgendwann altersbedingt unausweichlich hineinwächst in diese Zielgruppe der älteren Herren in hellbeigen Windjacken und unmodischen Stoffhosen, die Füße in grau gemusterten Socken in braunen Sandalen und in Begleitung von Frauen in grauweißen praktischen leicht gewellten Kurzhaarfrisuren. Ich meine, so sah diese Altersgruppe doch schon aus, als ich noch klein war - folgt es also irgendwelchen Naturgesetzen, dass wir in 15 oder 20 Jahren auch so aussehen und dann auf diese Festchen mit Frohsinnsmusik gehen?

Ich hoffe doch nicht. Und wenn ich mir meinen Schwiegervater so ansehe, der gerade aus Kroatien zurückgekommen ist, wo er für einen Seniorentriathlon trainiert hat, dann habe ich noch Hoffnung, dass diese Metamorphose nicht völlig unausweichlich ist. Entsprechend doppelt motiviert war ich heute, Sir Walter anzuschirren für einen Ritt über die Dörfer, nachdem ich das gestrige Mistwetter dafür genutzt hatte, dem Renner mit Polierlappen, Lagerfett und Kettenschmiere zu Leibe zu rücken und ein paar Feineinstellungen vorzunehmen.

Bei nahezu völliger Windstille und bedeckten Himmel lief das Rad heute wie an der Schnur gezogen von Dorf zu Dorf, an Feldern, Wiesen und Wäldern entlang. Und ich merke, wie nach dieser Woche, in der ich mit einiger Mühe vielleicht 100 Kilometer runtergespult habe, auf einmal wieder dieser ganz spezielle Zustand erreichbar ist, in dem es einfach läuft und läuft und man kaum die Beine unter sich beim Treten spürt. Trittfrequenz, Tempo, Atemrhythmus, alles passt schön zusammen, und die Sinne sind aufnahmefähig für so viele Nuancen, da wechselt der Duft von Pferdeweide mit dem Geruch von dem fast reifen Getreide auf den Feldern daneben ab, unter den Bäumen riecht der Asphalt noch feucht vom Regenguss der Nacht, ein Stück weiter gibt die Straße die Wärme einer kurzen Sonneneinstrahlung ab, dass ich fast so etwas wie Thermik an der Unterseite der Arme und Oberschenkel spüre.

Kurzum: Das hat mächtig Laune gemacht heute. Und nachdem sich wider Erwarten die Sonne am Himmel noch durchsetzte gegen Wolken und Diesigkeit, beschlossen wir, auch diesen Sonntag wieder in unserem Lieblings-Biergarten (dem mit dem großen Spielplatz) ausklingen zu lassen. Wo es nebenbei bemerkt auch keine Humtata-Musik gibt.

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