Mittwoch, 26. April 2006
Chicken-Curie mit Becquerelsauce
Wie ich den Tag der Reaktorkatastrophe genau verlebte, weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich war ja Student, und da war mein Leben noch nicht so verplant und termingebunden. Womöglich werde ich grad eine Vorlesung geschwänzt und mich auf der Neckarwiese geflätzt haben, als das Strahlungsmaximum auf Westdeutschland herunterregnete. Nun war ich auch schon vor diesem Datum kein vehementer Befürworter der Kernenergie. Und selbstredend hat dieses Ereignis mein Verhältnis zu den nähergelegenen Einrichtungen in Biblis, Philippsburg und Obrigheim auch nicht herzlicher gestaltet. Aber abgesehen davon, dass ich in der Folge meinen Konsum von Jägerschnitzel stark einschränkte, habe ich dieses Ereignis nicht als schwerwiegende Zäsur empfunden. Wie immer in solchen Fällen erzeugt ein Overkill an medialer Hysterie bei mir irgendwann unweigerlich einen gegenteiligen Effekt von Na-und-ist-mir-doch-egal. Für mich ist und bleibt der 26. April in erster Linie der Geburtstag meines älteren Bruders. Und das ganze Gewese um dieses Datum ist nicht der schlechteste Reminder, da mal anzurufen.

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Neckarwiese? Sie haben in Stuttgart studiert?

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Nein,
weiter flussabwärts in Heidelberg.

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Man muss Prioritäten setzen können.

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ich weiß noch ziemlich genau - ich war damals kindergartenkind - dass wir damals von den erziehern panisch aus dem sandkasten gezerrt wurden... bei meiner oma, bei der ich wegen der problematischen situation im elternhaus damals wohnte, durfte ich dann nicht im garten spielen. (ich komme ja aus süddeutschland und da waren wir ziemlich betroffen.) mein papa rief abends an, um mich zu instruieren, auch ja im haus zu bleiben und keine pilze zu essen und keinen kakao zu trinken. ich war sehr cool damals und sagte zu meinem hörbar besorgten vater: "ja, klar, papa, wir machen uns dann halt so einen schönen abend." ;)

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Sehr schön,
Ihr Papi wird sich beglückwünscht haben, was er doch für eine verständige Tochter hat. Tatsächlich würde mich so ein Vorfall heute, wo ich Papi und Ehemann bin, weit mehr mitnehmen als damals.

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Ich erinnere mich, den darauf folgenden Herbst ganz schrecklich gefunden zu haben, weil man keine Nüsse essen sollte. Und somit wurde auch die Vielfalt der Weihnachtsplätzchen sehr eingeschränkt.

Einige Jahre später sah ich eine Doku über die Menschen, die nachwievor in der Nähe der Unglückstätte wohnen. Und ich schämte mich, über verstrahlte Nüsse nachgedacht zu haben, denn die Spätfolgen glichen einem Schauermärchen, waren/sind aber harte Realität.

Mit 15 sind einem leckere Nüsse aber doch irgendwie noch näher.

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Ich weiß nicht was ich damals gemacht habe. Ich war noch in der Schule. Begeistert aufgenommen habe ich es sicher nicht. Ein Fan der Kernkraft war ich weder davor noch danach und werde es auch nie werden.
Dabei fällt mir allerdings eine Story aus meinen Studium ein, die zum Thema passt. Nachlesen kann man sie hier. Für einen Kommentar war sie dann doch zu lang.

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Ich habe tatsächlich auch mal nachgedacht,
was ich da gerade getrieben habe ..
und als es mir eingefallen ist,
hab ich es wieder verdrängt.
:)
War wohl im ganzen eine ungesunde Zeit.

Ansonsten halte ich es mit solch Katastrophen christlich:

" Herr geb mir die Kraft,
Dinge die ich ändern kann
zu ändern,
Und
Dinge die ich nicht ändern kann
zu ertragen.
Und die Weisheit
beides zu unterscheiden."
Amen.

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Das ist die richtige Einstellung.
Gegen Nachrüstung/Wackersdorf/Golfkrieg hätte man ja zumindest auf die Straße gehen können, um sich der Illusion hinzugeben, auf diese Weise die Welt zum Besseren zu verändern. Ansonsten waren die 90er für mich unterm Strich betrachtet eine ungesündere Zeit als die späten 80er. Aber das wollen wir hier nicht vertiefen...

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Ach weiißt Du, das mit dem demonstrieren,
ich glaub das bringt auch nix.
Nur ein besseres Gewissen..
einem selbst.
Man hats ja versucht.
ich bin in den 80ern auch gegen Cattenom ( sogar mit Sklettshirt!) am Zoll unten aufglaufen, zusammen mit tausend anderen Menschen ..
und?
Haben se trotzdem gebaut.

Ich bin vor kurzem noch auf ne demo, gegen die Schließung der Kinderklinik hier bei uns ..
und?
Wird doch zu gemacht.

Machen kann man nur durch andere Dinge ,
mehr Menschen müssen sich in die Politik trauen.
Und Mensch bleiben.
Und was ändern.
Darf ich faule Socke da überhaupt jammern, wenn ich den Arsch nicht hochkrieg?

Guten Morgen -
übrigens :)

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Wir führen heute alle verbittert ein Blog und bleiben den Straßen fern.

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Herr Kid bringst auf den Punkt, den dunkelsten Punkt! Schreibend demonstrierende Blogger lehnen sich auf gegen die Ungerechtigkeit. Beitrag um Kommentar schließen sich geduldige Sätze um das Übel, die Beschwichtigter, die atomgetriebenen Weißmaler.

Vorbei mit Schulter an Schulter, Hand in Hand, mit heiserer Stimme die Parolen skandierend – Dagegen, Dagegen! Keiner sieht die Augen gefüllt mit Angst und Mut.

Was ist aus uns geworden?

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Ach, wenn es denn wenigstens so wäre... "Straßenkampf nun in Klein Bloggersheim" ;-) - die kürzlich geführte Diskussion bei Kollegin Wortschnittchen um die Grundeinkommensidee hat gezeigt, dass auch unter Bloggern die konservativste Denke sehr festgezimmert sein kann.

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Ja, schon.
Auf der anderen Seite sehe ich aber auch verirrte junge Menschen Bloggerkollegen, die offensichtlich in dem Irrtum befangen sind, man müßte sich nur die Finger wundbloggen mit geharnischten Postings gegen die da oben (seien es nun Politiker oder Vertreter des Medien-Establishments), und damit wäre schon ein Beitrag zur Weltverbesserung geleistet. Blöd gesagt, da können wir hier virtuelle Lichterketten bilden wie wir lustig sind, das ändert an den Realitäten da draußen erst mal ziemlich wenig, oder?

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Herr Kid,
Ich denke , wir sind doch nicht verbittert?

Ich seh uns eher als schrullig und in Erinnerungen versinkend..
die guten und die schlechten Tage rauskramend,
und die Gegenwart nicht ernstnehmend ..
die Zukunft wegschiebend...uns dabei gleich mit auf die Schippe nehmend ...
...so , hm......wie heißt das Wort nochmal?

:)

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Also, lady.death1 so fühle ich mich noch nicht! Gut ich habe das zahlenmäßig jungendlich jenseitige Alter erreicht und auch so manches zu erzählen. Jedoch nicht umsonst den lieben Blogkollegen, diese Geschichten verkaufe ich lieber ;-))

Zugegeben, ich gehe nicht mehr so oft auf die Strasse und halte Banner hoch, dennoch der Geist ist wachsam!

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Bürger, laßt das Bloggen sein, kommt herunter, reiht euch ein.

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Oder aber:
Reih Dich ein in die Blogger-Einheitsfront - weil Du auch ein Blogger bist...

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"Weil du auch ein Arbeiter bist" käme nicht so gut an bei den Angestellten, Selbständigen, Schülern, Studenten, Arbeitslosen, Rentnern und was sonst noch so bloggt.

In Erwartung Ihrer Antwort habe ich schon einmal das Arbeiterliederbuch hevorgeholt.

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Arbeiter der Tastatur
sind wir doch alle hier mehr oder weniger. Ansonsten bin ich (obwohl durchaus Arbeiterkind) mit dem einschlägigen Liedgut überhaupt nicht vertraut - was den Kollegen Küchenruf vor vielen Jahren zu der Feststellung veranlasste, dass mein proletarisches Bewusstsein völlig unterentwickelt sei. Also lassen Sie ruhig noch bisschen was hören aus diesem Genre...

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Mit
"Blogger Dir einen" könnte man auch die jüngeren, (retro-)stilbewussten Fun-Blogger ansprechen und integrieren...

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Bei Arbeiterliedgut muß ich da ran denken..
aber da ich es noch nie mit dem Arbeiten hatte , hat mich die erste Zeile des Liedes immer mehr angesprochen :)

Mann, waren das Zeiten :))

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Mit der studentischen Vorhut (für alle Umdichter: nicht Vorhaut) der Arbeiterklasse ist deren Liedgut leider den Bach runtergegangen. So habe auch ich es nur noch als Seminarhöhepunkt am Grillfeuer mit Bierkasten grölen hören. Leider oder glücklicherweise war ich nie ein richtiger Arbeiter, denn ich habe kein Bier getrunken, wollte das Bürgerlied im 5/4-Takt belassen und die Internationale richtig singen.

Ob jeder, der an der Tastatur, mit Faust oder Stirn arbeitet, gleich ein Arbeiter ist, möchte ich bezweifeln, wenn auch viele Arbeiter in dem Sinne sind, daß sie Stunden- statt Monatslohn beziehen, den das moderne Proletariat dem Arbeitgeber aber nicht nur eine Woche, sondern mindestens einen Monat stundet.

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Das wäre doch mal
nen Podcast wert: Herr Wuerg singt die Internationale. Meinen Sie, das kriegen Sie technisch noch hin bis zum 1.Mai?

Ob ich Deinen Song, verehrte Lady Death, als Arbeiterlied gelten lasse, muss ich mir aber noch gut überlegen...

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ich war auch mal engagierte demonstrantin. nachdem ich aber geschnallt habe, dass man mehr das lustige hampelmännchen als beschäftigungstherapie für gelangweilte jungs in uniform denn ein ernstzunehmendes zahnrad der gesellschaft ist, habe ich das aufgegeben.
ich habe zwei theorien: revolution funktioniert nur von oben. auch die von unten funktioniert nur mit unterstützung von oben, und da haben sich "oben" sowieso immer schon zwei lager gebildet. die opposition überträgt die gefährliche drecksarbeit auf den pöbel, der sich dadurch gebraucht und geehrt fühlt. aber alleine aus volkeskraft passiert selten was - da hat gerade deutschland zu wenige vorbilder. also wenn, dann bin ich lieber nett und konservativ, erschleime mir vertrauen und verstrahle dann - erstmal "oben" - meine charismatische herrscherkraft. ;)
die zweite theorie ist, dass der kampf für diesen staat eher dessen sterbeprozess verzögert denn verhindert. die vorsichtigen reformen, mit denen die parteien v.a. ihre persönlichen und ideellen streitereien austragen, haben bisher nicht wirklich angeschlagen. das system muss grundlegend erneuert werden, eine neue basis statt hilflosen löcherstopfens, während alles von hinten schon wieder weiter auftrennt. ein zusammenbruch in kürze könnte heilsamer sein als alle rettungsversuche zusammen. ich erinnere mich an sophie scholl, als sie zusammen mit einer freundin aufgefordert wurde, mäntel und decken für die soldaten an der ostfront zu spenden und sie ablehnte, weil sie nicht mehr zur verlängerung des krieges beitragen wollte - auf kosten der leben der einzelnen soldaten. nun kann man die situation natürlich nicht direkt vergleichen, was ich aber verdeutlichen möchte, ist, dass mangelnde aktivität auch sowas wie passiver widerstand sein kann... man muss es immer situativ sehen.

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Frau Matrosenpulli, das hört sich eher wie resignation denn wie Hoffnung an.

An einen baldigen Zusammenbruch glaube ich nicht, denn zum Zusammenbruch bräuchte der Staat Feinde, aber die einzigen Feinde die derzeit in Sicht sind, bezahlen die Politik dafür, ihn in ihrem Sinne umzubauen.
Vielleicht sollten Sie nicht so häufig ins Kino gehen?

Ich bin auch nicht der Typ, der sich auf die Straße stellt und glaubt, daß sich dadurch alles zum guten wendet, aber vielleicht können wir ja wenigstens im Kleinen etwas tun - also nicht weiterhin das langweilige konservativ Zahnrad im Getriebe der Gesellschaft darstellen, sondern durch zivilen Ungehorsam dem Staat die Treuer verweigern - wie bleibt der Phantasie jedes Einzelnen vorbehalten. Aber da Sie ja eh nicht an einen Umsturz von unten glauben kann es sich bei einer Revolution nur zum noch Schlimmeren wenden - und demnach gilt es, sie aufzuhalten.

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Leider hat über die Jahre auch meine Sangeskraft nachgelassen. Das mußte ich soeben während der Feier der Erstkommunion feststellen. Und meine Internationale kam auch nicht immer gut an. Vor allem nicht bei der DKP, weil ich dazu nicht aufgestanden bin.

Wenn man der Auffassung frönt, die Obrigkeit sei unfähig und das deutsche Volk zur Kraftentfaltung nicht in der Lage, dann frage ich mich, warum wir in Deutschland mittlerweile eine halbwegs funktionierende Demokratie ohne Königshaus, ohne Todesstrafe und ohne Bürgerkrieg haben?

Und der erste Mai ist nicht der Kampftag des Volkes, der Revolutionäre von oben oder aus den Hörsälen, sondern der Arbeiterklasse. Und die möchte zur Zeit keinen Umsturz, sondern einfach mehr Geld in der Tasche. Wer nur an der Welt leidet, muß sich andere Verbündete suchen.

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