Sonntag, 17. Juli 2005
Immer wieder sonntags
Es passiert gerade wenig Spektakuläres, das zu bloggen wirklich lohnte. Und während ich eben versuche, ein paar tiefsinnige Gedanken zu meiner derzeitigen Lebenssituation in Worte und Sätze zusammenzugießen, klicke ich unbewusst und mechanisch rüber zu Don Dahlmann. Und stelle fest, dass der mir mit der Veröffentlichung bestimmter Einsichten mal wieder zuvorgekommen ist.

Ich erkenne da einiges wieder: die Entscheidung, doch freier Autor zu bleiben und keine journalistische Karriere zu machen. Den Frieden damit gemacht zu haben, doch kein Fotograf oder Berufsmusiker oder was auch immer geworden zu sein. Das Ausprobieren, wieweit man die Reduktion von realem oder vermeintlichem Lebensballast wirklich treiben kann, bevor man anfängt, vitale Grundfunktionen zu beeinträchtigen. Und die Einsicht, dass diese Reduzierung eigentlich eine gute Methode ist, um Platz für Neues zu schaffen.

Das hatte mir auch gedämmert, bevor ich die 40 überschritten habe. Aber ich habe lange nicht klar gesehen, worin dieses Neue, dieser nächste Schritt, bestehen könnte. Vielleicht, weil ich diese Fragestellung zu sehr auf die berufliche Ebene beschränkt habe. Dass die vielleicht entscheidenderen Impulse eher aus dem Privatleben kommen könnten, hatte ich vor zwei Jahren gar nicht auf dem Radarschirm. Und so habe ich in der Zwischenzeit eine vielbestaunte Metamorphose absolviert vom ungebundenen Single-Hallodri zum Familienvater, Hundehalter und Hausmann mit Home-Office-Anbindung. Und damit nicht genug: Obwohl ich früher jede Form von privatem Exhibitionismus peinlich fand, breite ich mich neuerdings hier in einem Weblog aus.

Aber ich weiß auch ganz genau: Die Frage, was will ich eigentlich beruflich noch reißen, ist damit nicht beantwortet. Sondern nur vertagt. Ich bin auch nicht so naiv zu glauben, dass ich mit dem phänomenalen Familienglück bereits endgültig auf der Seite des Lichts angekommen wäre. Tatsächlich bin ich mir dessen sehr bewusst, dass die dunkle Seite noch stets Mittel und Wege gefunden hat, sich mir wieder in Erinnerung zu bringen. Den Namen der Veranstaltung hier habe ich ja nicht gewählt, weil ich auf die vielen Google-Anfragen zu diesem Begriff spekuliert hätte. Sondern weil die Auseinandersetzung mit der eigenen dunklen Seite tatsächlich eine meiner Lebensaufgaben ist.

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oh, oh..
hört sich nach Lebenskrise an.
Hausfrauenkoller.

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Es ist eine Lebensaufgabe, sich nicht zufrieden zu geben, mit dem, was man hat, nicht stehen zu bleiben, nicht aufzuhören, sich zu drehen und zu wenden und zu streben, nach anderem (ob besser oder schlechter stellt sich leider erst später heraus), bunterem, höherem.

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Hm, ist Zufriedenheit
mit dem was man hat nicht auch ein erstrebenswerter Zustand, Frau Evasive? Das dauernde Mehr-haben-müssen ist ja auch keine Lösung. Ist wohl wie alles im Leben ne Dosisfrage.

Und Mylady Death: Lebenskrise wäre stark übertrieben. Auch wenn ich für gewöhnlich eher den Funblogger rauskehre, so ist Nachdenklichkeit doch einer meiner grundlegendsten Wesenszüge. Hausfrauenkoller hingegen trifft es gar nicht schlecht, denn tatsächlich stelle ich fest, dass heimisches Internet, Mail und Telefon nicht die Sozialkontakte und das prall gefüllten Zeitschriftenregal im Büro ersetzen können. Ich habe somit einfach nicht mehr die traumwandlerische Sicherheit im Bewußtsein, bei den für meine Arbeit relevanten Themen immer up to date zu sein. Und daran muss ich was drehen, wenn ich den Anschluss nicht komplett verlieren will auf Dauer...

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Sicher ist Zufriedenheit erstrebenswert, aber nicht im Zusammenhang mit Bequemlichkeit / Faulheit. Irgendwann, wenn es dann zu spät ist, kommen die "Hätte ich nur - Gedanken" oder die "Was wäre wenn - Lamentiereien" und die stören die erstrebenswerte Zufriedenheit dann ganz erheblich. ;o)

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Im Durchspielen von
"Was wäre wenn..." bin ich ziemlich gut, allerdings neige ich dabei eher nicht zum Lamentieren im Sinne von "Ach hätte ich doch...". Da komme ich meist recht schnell auf Eugen Roth zurück mit seinem legendären Satz: "Das Bild der Welt ist immer schief, betrachtet durch den Konjunktiv."

Aber Sie haben völlig recht: Dauerhafter Stillstand ist Stagnation, die jeder Fortentwicklung im Wege steht. Und deswegen weiß ich auch genau, dass mich das Hausmanndasein mit Home-Office-Anbindung nicht ewig hauptberuflich beschäftigen wird. Aber für die Erfahrung, für die Zeit mit der Kleinen und dass meine Frau mit ihrem einigermaßen gesicherten Job diese Form der Arbeitsteilung möglich macht, bin ich schon verdammt dankbar.

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Mein Kollege hat nach vielen Jahren freiberuflichen Schriftstellerns auf Drängen seiner Frau bei uns eine schöne Anstellung gefunden und in hohem Alter noch eine bescheidene Karriere gemacht. Und was ist passiert? Die Frau ist weg.

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Dann hätte er jetzt wohl die Muse in Ruhe zu schreiben ;-)

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Genau, Herr Referral,
man muss ja auch immer das Positive sehen. Die Frage ist: Ginge es dem Schriftsteller heute besser, wenn er auf die Karriere verzichtet hätte? Wäre die Frau womöglich bei ihm geblieben oder hätte sie ihn ohnehin verlassen? Wenn er mit diesen Überlegungen durch ist, hat er frischen Stoff für einen ganzen Romanzyklus...

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Ich tendiere weder zum "Was wäre wenn", noch zum "Ach, hätte ich doch", sondern zum "Was wäre heute, wenn damals...". Wobei das "Was wäre wenn" schon ab und an durchschimmert. Allerdings auf das "Ach, hätte ich doch."

Ich gehöre wohl zur Kategorie "Vielleicht sollte ich doch" mit einer Tendenz zu "Ich würde, wenn nicht..." und einer Prise "Nö, das passt schon so ...irgendwie".

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Ich gehöre wohl zur Kategorie "Vielleicht sollte ich doch" mit einer Tendenz zu "Ich würde, wenn nicht..." und einer Prise "Nö, das passt schon so ...irgendwie".

Sehr schön ausgedrückt. So ganz deplaziert wäre ich in dieser Schublade übrigens auch nicht - garniert mit einem "so bin ich halt"...

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Sie meinten wohl: "so bin ich halt geworden" ;-)

Aber früher oder später ereilt uns alle die Midlife-Crisis.

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nee, geworden meinte ich tatsächlich nicht, sondern eher das so war ich schon immer. ;o)

Ja, Midlife-Crisis sagt mir was, denn da hätte ich gleich zwei zur Auswahl: die mit 35 oder die mit 40.

Wie ist das bei Ihnen: schon Anzeichen erkennbar?

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Mit Midlife-Crisis wollte ich nicht Sie persönlich ansprechen. Ich meinte damit, dass wir wohl früher oder später alle unsere Zweifel hegen. Zumindest der männliche Part.

Ach Scheiße, das klingt schon wieder so zweideutig. Klartext: Ich wollte damit nicht zum Ausdruck bringen, dass ich denke, dass Sie mitten in einer Midlife Crisis stecken!

Nachtrag: Sie waren schneller :-)

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Hmm, Anzeichen. Wie definiert sich Midlife Crisis?

Ich habe mal kurz im Web quergelesen: Ja, es sind Tendenzen da. Muss ich frank und frei gestehen. Das bezieht sich weniger auf das Klischee der zwanzigjährigen Blondine, denn auf die Gedanken an Verpasstes.

Scheiße, ich werde alt :-)

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Habe Ihr Stichwort auch gar nicht
als unzulässige und voreilige Ferndiagnose meiner Wenigkeit verstanden, keine Sorge.

Tja, wie definiert sich eine Midlife-Crisis. Vermutlich bei jedem irgendwie anders. Aber in der Regel geht es mit einem persönlichen Zwischenbilanz-Ziehen einher und dem Wissen, dass eben nicht mehr das Toyota-Prinzip (Nichts ist unmöööglich) gilt. Daher die Frage: Was hab ich erreicht, was musste ich mir abschminken, wie weit könnte mein Rest-Sprit im besten Fall noch reichen? Und lege ich mir nochmal ne neue Latte oder könnte ich im Zweifelsfall damit leben, dass es künftig einfach weiter vor sich hin plätschtert wie bisher?

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Um es kurz zusammen zu fassen:

Eine allgemeine Unzufriedenheit.

Ich habe Midlife Crisis!

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Ansatzweise war das
aus ein paar von Ihren Beiträgen auch rauszulesen in jüngster Zeit. Und hey, das ist ja auch keine Schande. Sehen Sie's als Auftakt für einen notwendigen Transformationsprozess. Oder die Häutung einer Schlange. Ich hab es auch noch nicht völlig hinter mir, von daher steht es mir eigentlich nicht zu, altkluge Ratschläge zu geben. Aber es ist wichtig, sich dem zu stellen, den Dingen ins Auge zu blicken, die das gewünschte Selbstbild trüben...

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Unzufriedenheit ja, aber eine Midlife Crisis ist es wohl noch nicht bei mir :-) (den Smiley hatte ich vorher vergessen)

Trotzdem wird es wohl Zeit sich über so einiges Gedanken zu machen - unabhängig von MLC.

Auf die richtige MLC freue ich mich ja heute schon. Das wird bestimmt lustig.

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Ich darf noch einmal auf meinen schriftstellernden Kollegen zurückkommen, dessen Frau trotz Aufnahme einer geregelten Arbeit weg ist. Die reflexartige Frage, ob sie ihn denn andernfalls auch verlassen hätte, ist wahrscheinlich mit ja zu beantworten. Weshalb die etwas mehr den Punkt treffende lautet: Warum hat er sein zufriedenes und ungebundenes Leben dennoch aufgegeben? Hat das angesichts der Kurzlebigkeit von Frauen und der Endlichkeit des Lebens einen Sinn?

Alle diese Was-Wäre-Wenn-Überlegungen erinnern mich an unseren Dialog zum vorangehenden Beitrag, in dem es auch um den Subjunk-Fernseher ging. Am Ende der Geschichte stellt sich heraus, daß es gar kein Subjunk-Fernseher war, weil der Besitzer ihn in der Lotterie nur BEINAHE gewonnen hätte. Er lag wie Heinz Becker im Lotto eben nur um eins in der Losnummer daneben. Leider ist im Anschluß nicht die interessante Frage diskutiert worden, welche BEINAHE-Überlegungen sinnvoll erscheinen und welche konstruiert.

Subjunk-Fernseher

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Wow,
mit der Sinnfrage angesichts wankelmütiger Weiber und der Endlichkeit des Lebens überhaupt gehen wir jetzt so richtig in die Vollen. Ihrem Schriftstellerkollegen kann ich nur wünschen, dass er seinem späten Karriereschritt noch etwas gutes abgewinnen kann. Dass er diesen Schritt auch für sich selber gegangen ist und nicht nur seiner Verflossenen zuliebe. Dem eigenen Handeln einen Sinn zu geben und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, diese Aufgabe kann man als erwachsener Mensch nun mal nicht an eine Ehefrau oder Exfrau delegieren. Da muss man sich schon selber aktiv durchs Dickicht der Konjunktiv-Formen rackern, um dann vielleicht wie Martin Luther zu dem Schluss zu kommen, das Apfelbäumchen auch dann zu pflanzen, wenn man auch wüßte, dass morgen die Welt untergeht...

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Machen Sie sich keine Sorgen. Das Ansehen meines Kollegen bauchpinselt ihn auch ohne Frau. In welche Richtung delegiert wurde, sei aber dahingestellt. Zumeist bleibt die freie Wahl einer Interpretation. So könnte man auch sagen: Wenn der letzte Apfelbaum gepflanzt ist, dann wirst Du sehen, daß alle Leute lieber Apfelsinen wollen.

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