Donnerstag, 1. April 2010
Fesche Fascho-Fashion *
Wo wir grad über die Kleidungsfrage sprachen: Da stolperte ich gestern Abend noch auf einen bemerkenswerten Gedanken ** eines "Times"-Kolumnisten:

It’s a grim irony for the Germans that the darkest days of their history just happened to coincide with the only time they’ve ever been regarded as well dressed. (...) > (Welch bittere Ironie für die Deutschen, dass sie lediglich in den dunkelsten Tagen ihrer Geschichte als gut angezogen wahrgenommen wurden.)

* Diese Überschrift hatte ich schonmal verwendet. Dass ich sie hier recycle, ist ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Ich möchte an Ostern nämlich weiße Ostereier im Schnee verstecken.

** Eigentlich geht es in der "Times"-Kolumne nicht um Garderobe, sondern um die seit Jahren andauernde Schwemme an Hitler-Dokus im Fernsehen und die verdammt gute Frage, warum es eigentlich immer noch keinen "The Führer Channel" gibt...

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Keine Ahnung, was an Breeches kleidsam sein soll, geschweige denn, an kackbraunen S'A-Uniformen. Breeches sehen einfach schlimm aus, auch in S'S-schwarz.

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Also meins
wären diese Hosen auch nicht. Aber in Kombination mit Knobelbechern scheint man diesen Look seinerzeit auch jenseits der Reichsgrenzen von 1937 als ziemlich stramm und zackig wahrgenommen zu haben.

Versuche grade rauszufinden, ob die Luftwaffe auch diese albernen Reiterhosen trug...

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Es ist glaube ich ein Zeichen von hoher Zivilisation, dass man als Durchschnittsbürger mit Schaudern an die Mode von vor paar Jahrzehnten zurückdenkt.

(Also dann doch eher die Sachen, die in den Zwanzigern getragen wurden.)

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Auch auf die Gefahr hin,
in die Genderfalle zu tappen (aber Herr vert pausiert ja eh, von daher lasse ich es mal drauf ankommen): Wahrscheinlich kann man das nicht über alle Chromosomensatzgrenzen hinweg verallgemeinern. Viele Frauen in meinem Bekanntenkreis stöhnten als es mit dem 80er-Revival losging: "Iiiih, Leggins! Breite Schulterposter - bääääh!" Und was soll ich sagen? Ich trug in den 80ern weder Leggins noch breite Schulterpolster, also was soll der Lärm? ;-)

Und die goldenen 20er, tja, das mag für die Damen ja noch angehen, aber Knickerbocker-Hosen und Schiebermütze auf dem Kopf finde ich aus heutiger Sicht nicht wirklich knorke, um mal ein Modewort aus der Zeit anzubringen.

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Ich gebe zu, dass ich bei den 20ern eher die Damenmode auf dem Schirm hatte. Das liegt aber vor allem daran, dass die Herrenmode der Zeit aus gutem Grund unter den Teppich gekehrt wird.

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Also breeches
(oder zumindest: eng bis zum Knie dann weit) habe ich hier bei den jungen Hipstern schon einige Male gesehen. Hat(te? neulich?) nicht auch American Apparel welche im Angebot?

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@not quite like beethoven:
Äh, ich glaub, ich nehm dann mal den Publikumsjoker. ;-)

Hier am Westpol jedenfalls noch keine Sichtung. Was aber nichts heißen muss, da ich auf meinen täglichen Wegen zwischen Kindergarten, Musikschule und Bioladen generell so gut wie keine jungen Hipster sehe.

Gedulden wir uns also noch ein bisschen, vielleicht erleben wir dereinst auch noch das Comeback der handgeklöppelten Halskrause in der Herrenmode.

@muerps: Och, einen Stresemann würde ich mir im Prinzip sogar gefallen lassen, wenn man den Schnitt etwas an die heutige Zeit anpasst. Aber die sonstige Alltagsmode möge bitte in den Alfred-Döblin-Verfilmungen bleiben, wo sie hingehört.

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oder zumindest: eng bis zum Knie dann weit

Von welcher Richtung aus gesehen? Oben eng oder unten eng?

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tss. ich seh das!
(leider auch das derzeitige programm von american apparel...)

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arboretum, von unten: Knöchel bis Knie eng, Knie bis Hüfte weit.

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Mich bewegt
eher der Gedanke an einen «The Führer Channel». Mit Mode hat es sicherlich auch zu tun. Aber weshalb wohl ist die bei den Brüdern und Schwestern im Westen eigentlich so beliebt? Sicher, die müssen sich nicht ständig davon distanzieren. Dennoch bin ich mir über diese überseeische Faszination nicht im klaren.

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Faszination des Bösen
Ich weiß nicht, ob die Amerikaner davon mehr fasziniert sind als die Briten. Insgesamt könnte es aber bei beiden Nationen etwas damit zu tun haben, dass es eindeutig ein Krieg für eine gute, gerechte Sache war, den man gewonnen hat. Und die Briten hatten noch ihr Empire.

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Soweit ich das beurteilen kann,
sitzt die Obsession der Briten mit dem gesamten WW-II-Sujet sehr viel tiefer in der kollektiven Erinnerung als in den USA. Immerhin hatten die Engländer den Krieg im eigenen Luftraum, Bomben und V 2 in den Städten und all das. Hinzu kommt, dass im weiteren Verlauf ihrer Geschichte Erfolgserlebnisse dieser Dimension rar gesät bis nonexistent waren. Da hat man die verdammten Jerrys in die Steinzeit zurück gebombt, und binnen weniger Jahre stehen die wirtschaftlich besser da als je zuvor.

Einer der Kommentatoren der "Times"-Kolumne bringt es schön sarkastisch auf den Punkt: We watch Hitler documentaries and docu-dramas to remind ourselves that, had he won, we would be ruled from Europe, Parliament just corrupt rubber-stampers, surveillance on every street corner, armed police on the streets,officials empowered to interfere in all aspects of life and forced to wear Hugo Boss suits and drive VWs, Mercs and Audis.

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Soweit denke ich
durchaus mit. Es muß jedoch noch etwas geben, das tiefer sitzt. Damit meine ich die mich seltsam anmutende Tatsache einer grüppchenweisen NS-Verherrlichung in den USA. Von der vermutlichen Unkenntnis historischer Gegebenheiten mal abgesehen, da scheint mir dennoch so etwas wie eine Vorbildfunktion des «Deutschen» mitzuschwingen.

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Da schwingen wahrscheinlich
- je nachdem, von welchen Grüppchen wir jeweils reden - noch ganz andere Ingredienzen mit. Da sind zum einen irgendwelche Rednecks und Rechtsaußen-Militiönäre, die glauben, die Regierung in Washington sei längst von irgendwelchen gottlosen Kommunisten in der UNO ferngesteuert und plane die Versklavung aller aufrechten Amerikaner. Da gibt es Schnittmengen zu antizionistischen oder antisemitischen Bewegungen, die Ernst Zündel für einen Helden der freien Meinungsäußerung halten und der Meinung sind, Holocaust-Gedenken wäre die Ersatzreligion der New World Order (und da sind wir wieder bei der UNO - oder meinetwegen auch bei den Bilderbergern oder Illuminaten). Und die haben den Nazis was aufs Dach gegeben, weil die die Zinsknechtschaft der jüdisch dominierten internationalen Hochfinanz brechen wollten.

Das ist wenn man so will die exoterische Seite der Medaille. Andere Aspekte des Nazi-Faszinosums speisen sich aus okkulten Quellen, das reicht von der Thule-Gesellschaft und der "Geheimlehre" von H.P. Blavatski auf Hitlers Nachttisch und das Ahnenerbe-Gedöns von Himmler über den Speer des Longinus bis hin zu diversen neuheidnischen Elementen. Andere phantasieren von reichsdeutschen Flugscheiben in der Antarktis, die mit Hilfe von außerirdischem Technologietransfer konstruiert worden sein sollen, die Aufrißzeichnungen und Legenden kursieren seit Jahr und Tag durchs Internet.

Und das ist jetzt nur mal ein kleiner Ausschnitt auf die Schnelle.

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Zumindest soweit ich das beurteilen kann, schwingt beim Durchschnittsbriten (ok, beim Sun-Leser weniger, bei diesem Käseblatt sind deutsch"kritische" Artikel ja Einstellungskriterium), durchaus ein ernsthaftes Interesse an Deutschland und der deutschen Kultur mit, so nach dem Motto "das mit den Nazis kennen wir ja langsam, was haben die denn noch zu bieten". Und in der Populärkultur wird sowieso eher gegen die Franzosen gestichelt, während die Deutschen genauso Ausländer sind wie alle anderen Ausländer auch (sofern man sich nicht gerade mit dem 2. Weltkrieg befasst).

(Ich vermute, dass dem durchschnittlichen nordamerikanischen Ureinwohner die deutsche Indianerbegeisterung ähnlich rätselhaft ist, wie uns die Nazibegeisterung der angelsächsischen Länder.)

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@muerps:
Lustig, dass Sie das sagen. Im Zeit- oder SZ-Magazin habe ich vor Jahren mal ein Interview mit einem Häuptling gelesen, weiß jetzt nicht mehr ob Lakota oder Pawnee. Der sagte, es sei schon bemerkenswert, wie sehr die Deutschen nicht zuletzt dank der Geschichten von Karl May Anteil Anteil am Schicksal der amerikanischen Ureinwohner genommen hätten. Er könne das auch nicht hoch genug loben, es gebe da nur eine Sache, auf die könne er sich so gar keinen Reim machen. Auch mit Vertretern vieler anderer Stämme hätte man darüber beratschlagt, aber keiner konnte auch nur den geringsten Anhaltspunkt liefern, woher Karl May die seltsame Redewendung "Howgh - ich habe gesprochen" genommen haben könnte. So unnütze Worte mache wirklich kein Indianer.

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