Montag, 7. Juni 2010
Westlich des Westviertels
Hat man erst mal Düsseldorf Richtung Westen hinter sich gelassen, wird alles besser. Die Landschaft ist leicht hügelig, und sobald ein Schild auf die Existenz eines Schlosses Dyck hinweist, zieht es die Barchetta automatisch runter von der Autobahn. Die Strassen sind schmal, die Geschwindigkeit ist moderat und das Ziel ist ein Schloss mit historischem Landschaftsgarten. Nun ist die Copilotin nicht dabei, ich habe Heuschnupfen und auch keinen Platz für die Erzeugnisse dieses Edelpflanzengeschäfts. Aber das macht nichts, denn die Strasse führt weiter durch kleine Dörfer, und es gibt da einen Trick: Man muss immer dort fahren, wo Alleen sind. Alleen und Wäldchen sind die Garantie für wenig benutzte Strassen, die grosse Siedlungen meiden, dem natürlichen Verlauf von Hügeln und Tälern folgen, und so kommt man sehr entspannt, langsam und unbehelligt von Verkehr durch eine reizvolle Landschaft und grüne Felder bis zu einer grösseren Industrieruine namens München-Klattpach.

Dies schrieb vor fast genau drei Jahren ein in Blogkreisen nicht gänzlich unbekannter Reisender. Und abgesehen davon, dass ich mit dem Fahrrad natürlich nicht Autobahn gefahren war, habe ich die Gegend auf meiner gestrigen Tour exakt so vorgefunden. Schloss Dyck hatte ich zwar schon mehrfach angefahren, aber die kleinen Straßen weiter westwärts erkundete ich gestern zum ersten Mal - und war auch sehr angetan. Sanfte Hügel, wogende Getreidefelder zwischen kleinen Waldstücken und Dörfern, da macht das Fahrradfahren wirklich Laune. Das ändert sich indes, wenn man nach Mönchengladbach kommt, und zwar nicht nur wegen der holprigen Radwege dort. Ganz egal, ob man nun von Norden oder Osten her in die Stadt kommt oder eher die südlichen Stadtteile streift, die Tristesse dieser Ansiedlung schlägt schon schwer aufs Gemüt. Als ich dann irgendwo eine Abzweigung Richtung Jüchen sah, dachte ich, na schön, dann kann ich ja auch gleich nochmal Mondlandschaft gucken, wenn ich schon mal hier bin. Und was soll ich sagen: Auch beim zweiten Mal ist dieser Blick in diese monströse Wunde in der Landschaft immer noch spektakulär und irgendwie unwirklich.

Überhaupt ist es schon frappierend, was man hier auf einem Rundritt von circa 70 Kilometern Länge an Kontrastprogramm sehen kann: Hier ein Schloss mit Landschaftspark, dahinter Obstbaumwiesen und ganz normale Getreide- und Rapsfelder, dann eine vom Strukturwandel gebeutelte Stadt am Westpol und schließlich das kilometerweit klaffende Loch des Garzweiler-Tagebaus mit den Kohlekraftwerken, die im Volksmund wegen ihrer weithin sichtbaren Emissionen auch Wolkenmacher genannt werden. Und auf dem Rückweg in die Verbundgemeinnde strampelt man dann wieder vorbei an Golfklub- und Reitstall-Landwirtschaft. Gäbe es dazwischen nicht auch noch ein paar Höfe, die ihre Kartoffeln und ihren Spargel direkt am Hoftor feilbieten und zu Schlachtfesten einladen, könnte man glatt auf den Gedanken kommen, dass Gentrifizierung nicht nur ein urbanes Phänomen in bestimmten metropolitanen Bezirken ist. Sondern auch ein Prozess, der das ländlich geprägte Umland verändert. Aber solange es jedes Frühjahr da draußen noch nach Gülle riecht, kann man sicher sein, dass noch nicht das ganze Umland westlich von Düsseldorf zum Erlebnispark umfunktioniert worden ist.

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