Freitag, 4. Dezember 2009
Generation null positiv
Herr nnier vom M.A.D. hat grad eine kleine Geschichte zur Generationenfrage auf Lager, die mich zum Schmunzeln bringt - und auch zum Nachdenken. Wer kann von sich sagen, dass er noch nie Sprüche von Altvorderen à la "Damals nach'm Krieg, mir hadde ja praktisch nix." gehört hätte? Gerne auch: "Da lagt ihr noch in den Windeln, damals bei den Beatles!" Oder noch schlimmer: "Die heutige Studentengeneration ist so unpolitisch geworden, bei uns war die Demo aus dem Studentenleben gar nicht wegzudenken."

Zugegeben: Dass diese Anklage an meine Adresse gerichtet war, liegt jetzt auch schon über zwei Dezennien zurück. Aber wie ich es drehe und wende: Ein spezifisches Verdienst oder eine besondere Bürde habe ich in meinem Geburtsdatum und was da so alles an Zeitgeschichte dranhängt, nie zu sehen vermocht. Es ist, wie es ist: Zu der Zeit, als die Beatles den "Star Club" in Hamburg rockten, übten meine Eltern noch, die richtigen Keimzellen für Klein Mark zusammenzukriegen. Als 1977 in London der Punk tobte, entdeckte ich gerade Engtanz und Klammerblues zu Endlos-Stücken von Pink Floyd. Und nachdem Kurt Cobain sich die Schrotflinte in den Mund gesteckt hatte und alle Welt lautstark das vorzeitige Ableben dieser Pop-Ikone bejammerte, konstatierte ich relativ ungerührt: "Also das Sprachrohr meiner Generation war dieses maßlos überschätzte Zwei-Hit-Wunder wirklich nicht."

Vielleicht hätte ich anders empfunden, wäre ich zwei Jahre später auf die Welt gekommen. Dann hätte ich nämlich noch zur "Generation Golf" gezählt, die für gewöhnlich ab 1965 datiert wird. Aber ich seltsamer Sonderling musste ja unbedingt einen VW Jetta fahren. Am ehesten käme für mich noch das Etikett der Generation X in Betracht. Aber auch der Schuh passt irgendwie nicht so richtig: Weder leide ich an "Now Denial" (sich einreden, daß die einzige Zeit, die es wert war zu leben, die Vergangenheit war, und daß die einzige Zeit, die überhaupt wieder interessant sein könnte, die Zukunft ist). noch an "Ultra Short Term Nostalgia" (Heimweh nach der allerjüngsten Vergangenheit: 'Gott, letzte Woche sah die Welt noch so viel besser aus.'). Selbst in meinen dunkelsten Stunden war ich nie woanders als mit beiden Beinen im Hier und Jetzt, ich habe weder je die Vergangenheit groß verklärt noch irgendwelche irrationalen Hoffnungen auf irgendeine ferne oder nähere Zukunft gehegt.

Vielleicht geht mir das Gespür für meine Generation auch deshalb so stark ab, weil ich zu den geburtenstarken Jahrgängen gehöre. Das vorhandene Identifikationspotenzial verteilt sich auf mehr Zeitgenossen, und dann bleibt für jeden einzelnen weniger übrig. Was erkären würde, warum sich so viele 1963er und 1964er für die total singulären Unikate halten ("Wir sind alle Individuen!" - wie es im Leben des Brian so treffend heißt). Vielleicht liegt es aber auch an meinem Sternzeichen (Wasserwaage, Deszendent Bockschütze) oder an der Blutgruppe. Ja, das wird's sein. Ich erkläre mich hiermit zum Sprachrohr der Generation null positiv.

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