Mittwoch, 11. Juli 2007
Pädagogisches, allzu Pädagogisches
Den Ausdruck Trotzphase benutzt anscheinend kaum noch jemand. Heutzutage heißt es ja eher: Sie entdeckt jetzt ihre Persönlichkeit. Da schau her. Das hätten wir uns damals nicht getraut. Unsere Persönlichkeit zu entdecken. Jawoll. Und wer es doch probierte, erwarb sich bei Erziehungsberechtigten und Betreuungspersonen schnell den zweifelhaften Ruf, "bockig", "renitent" oder zumindest "schwierig" zu sein.

Schwamm drüber, so ändern sich halt die Zeiten. Und sollen es die Kurzen nicht mal besser haben als wir? Ja, schon. Sollte ich mir aber vor lauter kindlicher Persönlichkeitsentwicklung einmal nicht mehr anders zu helfen wissen als die Kleine ohne Abendessen ins Bett zu schicken und darob Vorhaltungen pädagogisch wohlmeinender Zeitgenossen zu hören bekommen, dann werde ich keck entgegnen: "Nein, natürlich ist das keine Strafe - sondern eine Herausforderung, die ihre Frustrationstoleranz stärkt." Oder wahlweise auch: "Das gibt ihr Gelegenheit, die innere Mitte wieder mehr in sich selber zu finden."

Gut, natürlich habe ich begründete Hoffnung, dass es auch anders geht, ohne eine Supernanny hinzuzuziehen oder in die Mottenkiste der verstaubten Zuckerbrot-und-Peitsche-Methodik zu greifen. Und dabei macht man halt so seine Erfahrungen. Das hier beispielsweise hatten wir neulich auch schon mal. Es blieb bislang ein einmaliger Ausreißer, aber wir sind gewarnt.

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essensentzug für kleine kinder ist für mich neben schlagen und oder "liebesentzug" die grösst mögliche dummheit bei der "erziehung",die man machen kann.

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Da bin ich ganz bei Ihnen.
Eigentlich denke ich auch eher nicht, dass wir zu diesem Mittel greifen müssen. Sie werden die Ironie hinter dieser Drohung hoffentlich verstanden haben.

Allerdings darf ich eine kleine Einschränkung anfügen: Wenn das Essen auf dem Tisch steht, und dann wird nur ewig rumgekaspert statt gegessen, dann ist der Teller halt irgendwann auch wieder weg - selbst wenn er nicht leergefuttert ist. Den ganzen Abend mag ich da nämlich nicht zuschauen müssen. Meistens genügt aber schon der dezente Hinweis, dass das Zeitfenster für Frühstück und Abendessen nicht ewig offen steht. Im Kiga funktionierts mittags ja auch so.

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möglicherweise hat das kind keinen hunger,wenn bei marks essenszeiten sind,oder hat mit wenig schon genug.und dass es mittags funktioniert,liegt auch sicher schon mal an dem nachahmungseffekt,weil viele gleichaltrige mitessen.das macht einzelkindern mehr spass,als nur mit mama&papa zu essen.

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Ja, davon ist natürlich auszugehen.
Meistens reicht ihr Appetit ja auch noch für ein warmes Abendessen inklusive Nachtisch. Aber manchmal eben auch nicht, und das ist dann auch völlig ok. Aber in dem Fall mag ich auch nicht ewig bei irgendwelchem lustlosen Rumgestocher zugucken, nur weil sich Töchterlein nicht zu einer Ansage entschließen kann, dass sie eigentlich genug hat.

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an essenszeiten kann man ein kind aber gewöhnen. und wenn es dann schon eine halbe stunde früher richtig hunger hat, freut es sich um so mehr über das essen. mit bedürfnissen umzugehen ist ganz wichtig. geduld üben. darüber haben wir in didaktik mal gesprochen, weil auf lehrern immer der druck lastet, dass sie von 8 bis 13 uhr auch dauerentertainer sein müssen. weil kinder absolut nichts mehr ERTRAGEN können. sie brauchen ständig abwechslung, zuwendung, dann wieder freiraum und bla. hab ich keine böcke drauf, elterliche defizite auszugleichen. deshalb mein vorschlag: rauhe gewöhnung. ausgestandenes darf dann auch ruhig mal belohnt werden.

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Sehr guter Hinweis!
Den Trend mit dem dauernd Abwechslung brauchen seh ich bei der Kleinen ansatzweise schon auch. Dagegen aktiv anzuerziehen ist z.T. aber ein hartes Brot, man muss das resultierende Gequengel halt schon aushalten können. Und da kann man in der Theorie viel postulieren und Prinzipien in Stein meißeln, in der Praxis strengt es einfach an, so eine policy auch stringent durchzuziehen. Und es wundert nicht, dass viele dann halt den bequemeren Weg der zeitnahen Wunscherfüllung wählen.

Was Essen angeht, ist es eigentlich gar nicht dramatisch, Frühstück und Mittag sind zeitlich sehr starr im Tagesablauf. Den Abend müssen wir durch den Job meiner Frau bedingt etwas flexibler gestalten. Weder kann sie immer gewährleisten, Schlag sechs zuhause zu sein noch könnte ich immer dafür sorgen, dass exakt auch dann das Essen auf dem Tisch dampft. Wir haben was Abendessen und Schlafengehen der Kleinen angeht deswegen einen Zielkorridor. Sprich: Da kollabiert die Kleine auch nicht, wenn sich das Essen mal nach hinten verschiebt...

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Der Kondomspot schreit förmlich nach billigen Wortspielen à la: "Die Szene wird ja ganz schön übergezogen dargestellt." Zum Glück kann ich mir solche Kalauer aber verkneifen.

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Hehe,
diese Kalauer werden Ihnen spätestens dann vergehen, wenn Sie selber mal Hauptdarsteller in so nem Film waren. Wobei in unserem Fall die Kassiererin das Problem verschärfte, weil die der Lütten die strittige Tafel Schoki nach erfolgter Zahlung in die Hand drückte, ohne mich zu fragen. Um die entstehende Sauerei zu vermeiden, habe der Kleinen die Tafel entwunden, und dann gab es erst richtig Luftalarm. Und zwar bis nach Hause. Da war ich vielleicht angefressen, Mannmannmann.

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Haben Sie da etwa auf dem Nachhauseweg Ihre "innere Mitte" nicht wiedergefunden :-)

Bitte entschuldigen Sie, aber das konnte ich nicht verstreichen lassen. Trotzdem, danke für die Warnung. Erste Zwischenfälle machen sich nämlich schon bemerkbar …

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Sie müssten sich wohl
eher Sorgen machen, wenn dergleichen völlig ausbliebe. Die haben schon früh ihren eigenen Kopf, die kleinen Biester.

Ansonsten danke der Nachfrage, aber auf den 50 Metern zwischen Supermarkt und Haustür kam ich beim besten Willen nicht runter von 180 auf 0. Wie erwähnt, ich musste mich hart zusammenreißen, die verf**kte Schokolade nicht dem Gemüsetürken aufs Dach zu pfeffern. Beim Abendessen kam ich dann so allmählich wieder auf Normallevel.

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Den eigenen Kopf
hat die Kleine schon jetzt, mit rund zehn Monaten. Wenn sie irgendetwas haben will (Fernbedienungen, Handys, Messergabelscherelicht...), ist es mittlerweile gar nicht mehr so leicht sie davon abzulenken. Notfalls wird dann schnell eine Flugstunde eingelegt - das zieht eigentlich immer. Aber das ist ja auf Dauer auch keine Lösung...

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Nein, wirklich nicht,
denn der körperliche Kraftaufwand für solche Übungen steigt ja auch stetig an. Das Würmchen mit einer Hand unterm Bäuchlein fliegen lassen, das läuft schon lange nicht mehr, da ist jetzt richtiges Zupacken und Rumwuchten erforderlich. Also mein Rücken wäre sicher froh gewesen, wenn ich nicht ganz so lange gewartet hätte mit der Fortpflanzung. ;-)

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Willkommen im Club der Väter mit Töchtern von zehn Monaten, Herr Kreuzberger. Meine Tochter jedenfalls hat ihre innere Mitte bereits gefunden, dann kurzerhand das Universum danach ausgerichtet und schaut nun welche Effekte sich einstellen und erfreut sich daran. Sie ist da mindestens so starrköpfig wie ihre Mutter, und das macht mir sowohl Hoffnung als auch Sorge. Da werde ich wohl später den "good Cop" spielen müssen …

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Und ich dachte, ich lerne Gelassenheit beim Meister der Dunklen Seite.

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Vom Meister
der dunklen Seite kann man immer was lernen - und sei es auch aus abschreckendem Beispiel. ;-)

Aber ernsthaft, im großen und ganzen passts schon. Habe grad in einer Studie vom Zukunftsinstitut geblättert, und ich denke, die Merkmale der neuen "Super-Daddys" treffen schon zu großen Teilen auf uns zu, auf Sie und mich, Herrn Götze und Herrn Kreuzberger. Nur mit dem Unterschied, dass ich auch noch ein "home hero" bin...

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Superdaddy – Kann ich das als offiziellen "dark side proved"-Orden haben?

Zum home hero fehlen mir allerdings irgendwie die Enzyme. Ich hoffe, das hält die Medaillenprägung nict auf …

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Ja, gerne!
Aber einen Button müssten Sie sich schon selber basteln - dazu mangelt es nicht nur in meinem endokrinologischen System, sondern auch schlicht im Zeitbudget und am Handwerkszeug. ;-)

Ansonsten ist das Heimheldentum und das Überleben zwischen redaktionellen Deadlines und gleichzeitigem Beschuss von Windelgranaten gar nicht so sehr eine Sache der Enzyme, Hormone oder Chromosomen. Da gilt wie in vielen anderen Lebenslagen auch: Die Würde kommt mit dem Amt. Wären nicht Umstände eingetreten, unter denen dieser Lebensentwurf auf einmal eine plausible Option war, hätte ich wohl auch gesagt not my cup of tea...

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"Das gibt ihr Gelegenheit, die innere Mitte wieder mehr in sich selber zu finden."

Sie glauben's vielleicht nicht, aber genau dieses Ding mit der zu findenden Mitte erklärte mir mal ein Vater. Da ging es um die ältere Tochter und Stubenarrest und so. Ich find das so niedlich, das mit der Mitte.

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Nee, echt?
Das ist ja schrill. Von Erziehungsberechtigten hatte ich diese Redewendung nicht gehört. Aber eine Komilitonin an der Uni unterzog sich regelmäßigen Fastenübungen und anderen Selbstkasteiungen ihrer inneren Mitte zuliebe. Gut, andere probieren es halt eher mit Bauchtanz oder dem Verfertigen von Salzgebäck... ;-)

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Der Vater war sehr ... sphärisch. Oder so.

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Ich bin weit davon entfernt,
mich darüber zu mokieren. Ich zog diese Erklärung auch in Betracht. Aber im ersten Moment hatte ich gedacht, er könne das eigentlich nur mit einer ordentlichen Prise Salz (oder mit der im englischen Sprachgebrauch notorischen Zunge in der Backe) gemeint haben.

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