Dienstag, 25. September 2012
Und täglich grüßt das Schwurbeltier
Zum wievielten Mal in den letzten zwölf Monaten lese ich eigentlich die Meldung, dass Griechenland doch tiefer in den roten Zahlen stecke als angenommen? Und jetzt wisse man ja so gaar nicht, ob das noch was wird mit dem Sparkurs und den Staatsfinanzen. Ich meine, das sollte doch jetzt nach dem soundsovielten mal Reinfallen nun wirklich keine Überraschung mehr sein. Doch mehr und mehr fühle ich mich von den tagesaktuellen Medien (ja, auch von den seriöseren) verarscht anstatt informiert. Man will wissen, was zum Teufel geht da unten eigentlich ab und bekommt vielerorts nur neoliberale Propaganda, chauvinistische Vorurteile und Spekulationen aus interessierten Kreisen serviert.

Da trifft es sich gut, dass vorgestern wieder das Vierteljahresheft "lettre international" in der Post war. Wenn in dieser Zeitschrift dem Thema Griechenland alle halbe Jahre mal ein oder zwei längere Aufsätze oder Interviews gewidmet sind, fühle ich mich davon besser und umfassender informiert als von dem ganzen hektischen Häppchenjournalismus, der nur wieder mit irgendwelchen neuen Minuszahlen rumjongliert. Die Abstracts der beiden aktuellen "Lettre"-Beiträge über Griechenland stehen noch nicht online. Aber wer sich ein Bild machen möchte, was in den vorigen Ausgaben dazu zu lesen war, kann ja mal einen Blick ins Archiv riskieren:

http://www.lettre.de/beitrag/richter-heinz_athener-klientelismus

http://www.lettre.de/beitrag/liakos-antonis_griechenland-und-europa

http://www.lettre.de/archiv/94-doxiadis

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Ja und nochmal ja.
Das nenne ich Information. Da sehe ich klarer, um den häufig nicht sonderlich geschätzten Begriff Aufklärung zu umschiffen. Dank Ihnen für den Verweis auf die internationalen Briefe.

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Ich betreibe sonst ja eher wenig Produktanpreisung in meinem Dunkelkämmerlein, aber dieses Periodikum ragt tatsächlich sehr heraus aus dem medialen Einerlei.

Der letzte Umzug hatte mich leider aus dem Freiverteiler katapultiert, und als Nicht-Bahnfahrer komme ich so selten am Bahnhofskiosk vorbei. Dank der besten Ehefrau von allen bin ich seit einiger Zeit wieder auf dem bequemen Postweg damit versorgt.

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Könnte das erste Abo in meinem Leben werden.

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Hm,
da hat jemand offensichtlich eingesehen, dass die Addierung von privater und staatlicher Verschuldung in Relation zum BIP eine Schwachsinnsrechnung ist.

Schade um die Kommentare von der_papa.

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Ja, schon.
Aber mein Punkt war folgender: Entweder sagt diese Berechnungsgrundlage was aus, und dann steht Griechenland anscheinend grundsolide da. Oder Griechenland ist tatsächlich so am Arsch wie alle sagen, aber dann geht das aus dieser Betrachtung nicht klar hervor, was eigentlich das Problem ist.

Die Überschuldung vieler Hausabbezahler resultierte im Übrigen nach meinem laienhaften Verständnis daraus, dass auch Leuten mit zweifelhafter Bonität massiv Hauskredite aufgeschwatzt wurden, und zur Katastrophe wuchs sich das doch erst auf, als diese wackligen Kredite massenweise in Form von irgendwelchen Wertpapierpaketen weitergehandelt wurden.

Und wie gesagt, Privatschulden können volkswirtschaftlich gesehen ganz unterschiedliche Implikationen haben. Macht womöglich doch einen Unterschied, wofür das gepumpte Geld rausgehauen wird. In Amiland freuen sich doch immer alle, wenn schön weiterkonsumiert wird auf Pump, weil ansonsten das System implodieren würde.

EDIT: Ach so, Dein Kommentar ging noch weiter...

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Ja, schade.

Aber zum Glück bin ja nicht „Das Große Tor“, und mache daraus gleich ein Kunst-Happening, mit Androhung von Staatsanwalt, Polizei, Schlägertrupps, es sei Kunst zerstört worden, unwiederbringliche natürlich, blahblahblah …

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Ja,
das war schon reichlich schräg, um es mal wohlwollend zu formulieren. Ansonsten habe ich von unserem Dialog noch ein lückenhaftes, aber sinngemäß korrektes Backup in meinem Hinterkopf.

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Wenn ich mich mal als Unkundiger einmischen darf. Griechenland wird durch die Spar-Anforderungen kein zweites Deutschland. Selbst wenn sie 1:1 umgesetzt werden.

Griechenlands Regierung wird mit dem Knebelkurs (zurecht, wie ich finde) in eine Ecke gedrängt. Sie werden mürbe gemacht. Und zwar durch die Forderungen, und der darüber wütenden Bevölkerung. Das Ziel, so scheint mir, ist nicht Griechenland (und die anderen „Krisenländer“) wieder auf die Beine zu helfen, sondern den Boden für ein Europa mit Bundesstaaten und einheitlicher Regierung zu bereiten. Eine europaweite Finanzbehörde als erster Schritt wäre sehr mächtig, und da stellen sich natürlich alle in Position um da ganz vorne mit zu spielen.

Und da ist Deutschlands Kurs sicherlich nicht schlecht geeignet für. Sach' ich jetzt mal so …

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Als Exportnation ist Deutschland nicht unverwundbar, sondern sondern durchaus vital darauf angewiesen, dass in den umliegenden Ländern noch genügend Kaufkraft da ist, um Leopard-Panzer oder andere Kraftfahrzeuge "made in Germany" zu kaufen. Da heißt es also mit Augenmaß agieren.

Ansonsten: Was Ziwo sagt. Diejenigen, die in Griechenland von dem steten Kapitalfluss der letzten Jahre am meisten profitiert haben, sind nicht die, bei denen jetzt versucht wird, es hereinzuholen. Dass der Grieche an sich faul wäre oder über seine Verhältnisse gelebt hätte, hält einer näheren Betrachtung nicht stand.

Auf eine europäische politische Union, die hauptsächlich von vermeintlichen Sachzwängen der Finanzwirtschaft zusammengeschweißt wird und die (siehe ESM) auf demokratische Legitimierung mehr und mehr verzichtet, vermag ich mich irgendwie nicht so recht zu freuen.

Grandios finde ich in diesem Zusammenhang auch, wenn sich Leute wie ein Herr Münchau bei Spon aus dem Fenster hängen mit Einsichten à la die deutsche Einheit wäre schon der Kardinalfehler auf dem Weg zur Eurokrise gewesen. Man ist versucht zu antworten, da dürfte der zweite Weltkrieg, der letztlich zur Teilung Deutschlands führte, ja wohl der größere Fehler gewesen sein...

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„Auf eine europäische politische Union, die hauptsächlich von vermeintlichen Sachzwängen der Finanzwirtschaft zusammengeschweißt wird und die (siehe ESM) auf demokratische Legitimierung mehr und mehr verzichtet, vermag ich mich irgendwie nicht so recht zu freuen.“

Ich befürchte, Freude ist in dem Plan auch nicht vorgesehen. Ich will ja auch nicht verschwörerisch rüberkommen, aber die Entwicklung der Nachrichtenlage führt uns offensichtlich alle an einen Punkt, an dem irgendwann die Wähler Europas „GENUG!“ rufen, und mit allem einverstanden sind, wenn nur endlich die Milliarden/Billionen/ESM/ESF/SSB/ARD/ZDF-Rettungsaktionen-Gelabertaschensülze aufhört, und man einfach weiter machen kann wie bisher.

Und mal ehrlich. Europa ist im Moment in einem Schwebezustand. Mehr als eine Wirtschaftsunion, aber weniger als ein Bundesstaat …

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An ein Europa mit Bundesstaaten und/oder einer zeitlich vorgeschalteten einheitlichen Finanzregierung kann ich nicht glauben. Da gibt´s (zum Glück) noch zu starke nationale Befindlichkeiten. Es sei denn, die Franzosen würden faktisch führen. "Schwebezustand" trifft´s. Aber wo geht´s hin? Entweder in Richtung einer dauerhaften Transferunion oder einer Trennung von Nord-und Südosteuropa. Nationale Radikalisierungen wären auch denkbar. Schätze ich.

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Naja, genau diese nationalen „Befindlichkeiten“ werden ja in dem Europa-einenden Aufschrei, endlich mal Ruhe zu geben, aufgelöst. Oder in der gefühlten „Erkenntnis“, das jegliches Zögern die totale Katastrophe bedeutet.

Was haben sie sich geziert als die ersten Rettungsschirme von 200 Millionen auf 350 Millionen aufgestockt werden sollten. Und was für ein Aufschrei ging da durch die Republik der Stammtische. Und heute sind wir bei einem Eintausendmilliarden-Euro-Rettungsschirm. Wir gewöhnen uns langsam dran, und das Thema kann auch langsam keiner mehr hören.

Dauert sicher noch 30 Jahre, aber der Weg scheint mir evident …

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Ganz so lange wird das nicht dauern, einigen Vertretern kann es anscheinend gar nicht schnell genug gehen.

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Dann müssen wirs eben machen die alten Römer, die sich Sklaven aus Griechenland als Privatlehrer geholt haben. ;-(

Aber zurück zum Thema: Dieses vorige Treffen der neun zeigt ja die Richtung, wie es mit der Salamitaktik weiter gehen wird. Bei jeder einzelnen neuen Scheibe denkt man vielleicht, ach, das ist es eigentlich doch nicht wert, die an sich gute Idee von Europa deswegen in die Tonne zu treten. Und eh man sichs versieht, sind dann doch Fakten geschaffen, die nicht rückholbar sind.

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@11 Uhr 27:
*brechkotz*

"Viel Freude bei der Lektüre" wünscht die KAS, das ist an Zynismus kaum zu überbieten.

Und mal abgesehen von dem ganzen aktuellen Eurokrisen-Gedöns: Wie konnte es überhaupt dahin kommen, dass eine an sich grandiose Idee wie Europa bei ihrer konkreten Umsetzung zu so einem bürokratischen und undemokratischen Monster wurde?

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@ziwo:
In der Tat eine völlige Nebelkerze, hier mit Einwanderung zu argumentieren, wo wir längst Freizügigkeit haben. Ich nehme aus dem Interview: Wirklich besser würde mit einem europäischen Bundesstaat eher nichts, aber wir hätten einen passenderen Rahmen. Na, danke.

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Ich sehe keine Alternative zum europäischen Bundesstaat.

„Wie konnte es überhaupt dahin kommen, dass eine an sich grandiose Idee wie Europa bei ihrer konkreten Umsetzung zu so einem bürokratischen und undemokratischen Monster wurde?“

Das liegt in der Natur derjenigen begründet, die für die Entwicklung eben dieses Europas von uns als Verantwortlich eingesetzt wurden.

Wenn ich mal bitte eben selbst verlinken dürfte: http://briefe.blogger.de/stories/1538072/

Politik wird üblicherweise von Menschen gemacht, die einen ausgeprägten Machtinstinkt haben. Fehlt ihnen dieser Instinkt, haben sie es schwer, bzw. scheitern sie. Es fällt erfolgreichen Politikern daher naturgegeben schwer Macht abzugeben.

Wer kann es ihnen verdenken :-)

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