Sonntag, 6. November 2011
Alle Räder stehen (nicht) still

Bis zum Rheinkilometer 793 hat es auf der heutigen Radrunde nicht ganz gereicht. Aber ich taste mich allmählich ran. Nördlichster Punkt der heutigen Tour war die Brücke der Solidarität. An den Anlass für diese Umbenennung - Stahlarbeiterstreiks und Besetzungen der Brücke wegen der bevorstehenden Schließung der Krupp-Hüttenwerke in DU-Rheinhausen in den späten Achtzigern - erinnert auf der linken Rheinseite nicht mehr viel. Die Kruppstraße führt heute an einem Logistikzentrum mit Container-Terminal vorbei. Ich kann nur vermuten, dass an dieser Stelle früher das Stahlwerk stand, das exemplarisch die Krise und den Niedergang der einheimischen Stahlindustrie (siehe auch Landschaftspark Duisburg-Nord) verkörperte. Auf der anderen Rheinseite raucht aber noch so mancher Schlot der Schwerindustrie. Auch von Düsseldorf-Nord, Meerbusch und Krefeld aus recht prominent am Horizont zu sehen, die Qualmwolken der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann:

Normalerweise verlangt es mich auf dem Rad ja nicht nach musikalischer Beschallung, aber beim Pedalieren auf der Mannesmannstraße hätte es ganz gut gepasst, Wahre Arbeit, wahrer Lohn und überhaupt das ganze Album "Stahlwerksymphonie" von den Krupps im Ohr zu haben. Der Rückweg auf der linken Rheinseite stand dann aber mehr im Zeichen der Chemie, genauer gesagt der Bayer-Werke in Krefeld-Uerdingen. Was an dieser Schiffsanlegestelle so alles hin- und hergepumpt wird, das will ich lieber gar nicht wissen:

Zwischen dem Chempark und dem Uerdinger Ortskern liegt übrigens die Dujardinstraße, wo der gleichnamige Weinbrand ("Darauf einen Dujardin") herkommt. Und angesichts der vom Strukturwandel gebeutelten Nachbarschaft könnte man sich grad einen - oder auch zwei oder drei - zur Brust nehmen, um das Elend in milderem Licht zu sehen.

Aber was soll ich sagen? Bayerische Bergwiesen schön finden kann jeder. Doch der spezielle Reiz dieser Relikte der Industriekultur, das ist schon was für Kenner. Darauf einen Sie-wissen-schon!

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So wie es aussieht hatten Sie das schönste Radlerwetter. Tolle Bilder, zehren aber am Schnitt. ;-)

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Ja,
da ist was dran. Wobei ich es für dieses Jahr eh schon drangegeben habe, tempomäßig noch was zu reißen. Die rotgraue Rakete mit dem Tacho dran habe ich irgendwann im August zuletzt bewegt, seitdem nur noch Sir Walter gefahren oder eben das Schlechtwetterrad. Stelle fest, dass mich kühle Temperaturen (auch ohne Fotostopps) ganz schön bremsen. Ist wie gesagt immer eine schwierige Balance, Temperaturen, Klamotten und Belastung optimal abzustimmen. Und heute wars auch noch verdammt kühl, als ich gestartet bin.

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Ah, sie kommen auf den Geschmack ...

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Naja,
Abzüglich Kohle und Stahl ist meine Heimatstadt Mannheim ja auch sehr industriell geprägt, zweitgrößter Binnenhafen nach Duisburg, das Pendant zu Bayer Uerdingen ist die BASF in Ludwigshafen, somit ist Schimmitown kein völlig fremder Planet für mich. Heute bin ich lediglich zu vernünftig, in diese Industrieruinen in Krefeld reinzusteigen und Fotos zu machen. In der Jugend sind wir in diversen Fabrikruinen (vielleicht sagen dem Herrn Monnemer die Strebelwerke auf der Friesenheimer Insel noch was) rumgeturnt auf Fotosafari, da wurden auch schon Parties gefeiert, bevor man das mit dem Begriff "Rave" adelte.

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Aber sicher kenne ich die Stebelwerke noch.
Da haben wir den Sonntag ja ganz ähnlich verbracht - ich bin gestern auch mal wieder durch die Häfen gestromert.
Das untere Bild könnte auch in Mannheim entstanden sein.
Überall dort, wo die Gebäude noch nicht für Container plattgemacht wurden, sieht es exakt so aus.

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Ohja, vor allem das letzte Foto macht Lust auf eine kleine Urbex-Tour.

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@monnemer:
In den Neuss-Düsseldorfer Hafengebieten kriege ich auch immer wieder Flashbacks. In NE gibt es eine Ölmühle, dort riecht es exakt wie an der Mannheimer Kammerschleuse, weiter südlich steht so ein Klotz mit dem Aurora-Sonnenstern drauf, die Container-Terminals und Großtanks sehen auch überall mehr oder weniger gleich aus. In Düsseldorf gibt es auch so einen Tierfutter-Großbetrieb (komm grad nicht auf den Namen, Mutator, Knorktator oder so), da muss ich immer an "rruff , pputt, bless" denken. Und wie Speditionen überall aussehen, muss ich Ihnen ja auch nicht erklären.

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@novesia:
Ja, Helm auf, extra Taschenlampen-Batterien und Vesperbrot einpacken und auf Erkundung gehen, urbane Archäologie, Tomb Raider in postindustriell.

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Ich erlaube mir mal dieses schöne Mosaik hier einzukleben, das ich gestern an einer Lagerhalle entdeckt habe.
Sozusagen stellvertretend für die Industriestädte am Rhein...

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Danke für dieses Kleinod
des industrie-inspirierten Neokubismus! Das passt hier ganz hervorragend in den Kontext. Im Düsseldorfer Medienhafen gibt es Reminiszenzen an die frühere Bestimmung des Ortes ja nur noch als metaironisches Zitat:

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Ich mag Ihren Sir Walter, denn der lässt Sie die Kamera mitnehmen. :-)

Haben Sie die Fotos von damals noch?
Zeigen, zeigen, büdde, büdde.

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@arboretum:
Welches "damals" meinten Sie? Tagebau? Muss gestehen, dass die Bilder von den großen Löchern in der Landschaft nicht so der Knaller waren. Aber Kraftwerkschlote hätte ich evtl. noch ein paar auf Lager.

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Dieses damals:

In der Jugend sind wir in diversen Fabrikruinen (vielleicht sagen dem Herrn Monnemer die Strebelwerke auf der Friesenheimer Insel noch was) rumgeturnt auf Fotosafari ...

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Davon
habe ich nur ein paar wenige Schwarzweißabzüge in irgendeiner Kiste (weiß der Geier wo). Lohnt den Aufwand mit dem Einscannen nicht wirklich. Entscheidender als der Bilder-Output war eigentlich die Aktion als solche, da reinzugehen und sich umzugucken, durchaus auch mit leichtem Grusel...

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Diese alten Fabrikanlagen wie auf dem unteren Photo machen mich immer ganz traurig.
Auch die, in welche mein Großvater in Elberfeld bis 1958 noch ging, ist längst abgerissen, der Firmenname erloschen.
Sic transit gloria Rhenaniae !

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@don ferrando:
Ja, man steht davor und kommt ins Sinnieren über die Vergänglichkeit menschlichen Tuns, hört den Nachhall der maschinellen Emsigkeit früherer Epochen. Und irgendwie ist es auch noch mal verschärft, wenn wie hier klassizistische und industriegotische Bauelemente dem Verfall preisgegeben sind. Die benachbarte Dujardin-Brennerei ist denkmalgeschützt und diente wohl auch schon als Filmkulisse.

In Wuppertal steht ja auch noch einiges, wobei ich von der Schwebebahn-Perspektive aus nicht so recht beurteilen konnte, wieviele oder wenige der alten Anlagen noch den urprünglichen industriellen Zwecken dienen oder längst umgewidmet wurden.

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Seufz. Ich werde von Menschen aus dem Norden oder Süden oft ungläubig belächelt, wenn ich was über diese "Industriekultur" erzähle. Kann man vielleicht in anderen Gegenden nicht so nachvollziehen. Ich vermisse das in dieser oft eintönigen Landschaft hier.

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@kid37:
In Heidelberg (was landschaftlich jetzt nicht soo völlig öde ist) stand ich mit der Thematik seinerzeit auch oft auf verlorenem Posten. Da war man/frau/weißnicht als Politikstudierende(r) zwar irgendwie gefühlt links und fortschrittlich-dünkend, hatte aber oft keinen blassen, wie es jenseits des elterngesponserten Mittelstandskinderkokons - also beispielsweise in einer Fabrik mit echten Arbeitern - zugeht. Entsprechend fehlt da oft auch der Blick für das spezifisch kulturelle Element der Industrie.

Bei Ihnen da oben ist das ja nochmal spezieller. Wäre man nicht irgendwann drauf gekommen, dass dort ein guter Platz ist, um Säcke voll Pfeffer von den Koggen zu wuchten, würde man dort immer noch Torf stechen und ab und zu ein paar Moorleichen produzieren, aber sonst auch nichts.

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achso, darauf:
http://lomo.blogger.de/stories/1920662/

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Ja, genau!
Wenn einem so viel gutes wird beschert - dann ist das einen Asbach Uralt wert.

Wobei ich mich ja frage: Trinkt eigentlich irgendjemand unter 80 heutzutage noch Weinbrand? Für paar Kochrezepte braucht man manchmal einen Schuss Cognac, aber sonst?

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Man braucht ihn auch für den sehr leckeren "Sidecar":
1/3 Zitronensaft, 1/3 Orangenlikör, 1/3 Brandy, mit Eis in den Shaker, shaken, einschenken, Augenstillstand herbeiführen.

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Unerträgliche Ranschleime!
Da wird doch nur die typische DonAlphonso-Industriephotographie nachgeäfft!

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Huch,
ich bin ertappt. Und dann benutze ich hier auch noch das dreispaltige Standardlayout von blogger.de, wie es so ähnlich auch bei rebellmarkt zum Einsatz kommt. Und Du, bist Du auch nicht ein Hardcore-Hool aus seiner Fankurve?

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