Donnerstag, 26. April 2007
Mein erstes Mal
Vorbemerkung: Die Anregung zum nachfolgenden Beitrag lieferte ein Stöckchen, das in einigen von mir frequentierten Blogs kursiert.

Aufs Jahr genau kann ich es nicht mehr datieren, es wird wohl um 1981 oder 82 herum gewesen sein. Ich hangelte mich ohne jede schulische Ambition aufs Abi zu. Praktischerweise hatte unsere Rockband aber einen Proberaum im Schulkeller, und das lieferte zumindest den einen oder anderen positiven Anreiz, in der Schule aufzutauchen. Ich hatte neben dem selbsterzeugten Gitarrenlärm wenig andere Interessen als fremderzeugten Gitarrenlärm, Weiber und gepflegtes Lichter-Ausschießen in den einschlägigen Studi-Kneipen der Quadratestadt. In melancholischeren Momenten setzte ich mich während der Schulzeit lieber ins berüchtigte Café "Old Vienna" und verfasste mit Blick auf den pulsierenden Verkehr rund um den Kurpfalzkreisel pseudo-expressionistischen Lyrik-Schwulst.

Ganz anders mein ältester Bruder: Pflichtbewusst und meistens adrett gekleidet war er, der drei Jahre Ältere. Und ganz im Gegensatz zu mir hatte er auch in Mathe und Physik einiges drauf. Und so überraschte es eigentlich nicht, dass er sich irgendwann vom kargen Wehrsold eine solche Kiste absparte. Auf meine spontane Frage, wozu denn solch ein Apparillo nütze sei, erhielt ich nur die Ansage: "Damit kannst Du im Prinzip alles machen, Du brauchst halt nur die richtige Software." Na toll, muss ich eigens betonen, wie wenig mich diese Auskunft elektrisierte?

Ich glaube: nein. Wohl linste ich dem Brüderlein ab und zu über die Schulter, wenn er mit diesem Gerät zugange war. Irgendwann verstand ich, dass man damit zum Beispiel Texte verfassen kann, die dann im Unterschied zur Schreibmaschine auch abgespeichert und später verändert werden können. Aber was das mit mir und meinem weiteren Lebensweg zu tun haben sollte, vermochte ich damals nicht mal in Ansatz zu erahnen.

Der Punkt, der meine Neugier dann letztendlich weckte, war erreicht, als ich im Vorbeigehen (also sozusagen en passant) auf dem grünen Bildschirm im Vorbeigehen das wohlvertraute Schachbrettmuster aus 64 kontrastierenden Karos sah, auf dem mein Bruder mit Hilfe von bestimmten Tastenkombinationen Spielfiguren bewegte.

Das wollte ich auch mal probieren. Un be dingt. Die Blöße, dass mich sein Computer tatsächlich interessieren könnte, wollte ich mir vor meinem Bruder aber doch nicht geben. Als er dann ein paar Tage später wieder in die Kaserne musste, war für mich der Zeitpunkt gekommen, einen ersten Versuch zu starten. Einen Plan hatte ich nicht, ich wußte nur: Das Ding hat einen Netzschalter zum Anschalten, und für das Schachprogramm müßte ich wohl die richtige Diskette finden und einlegen - und hoffen, dass sich alles weitere dann von alleine ergeben würde.

Das ließ sich auch gut an, ich fand in der Schublade eine Diskette mit der Aufschrift "mchess", schaltete den Rechner ein, steckte die Diskette ins Laufwerk...

...nichts.

Raus und nochmal rein,

nada, niente, nothing, nitschewo, nullinger.

Phuck. Was wußte denn ich von Basic und CP/M? Nicht das Allergeringste. Ich probierte dieses und jenes, allein es rührte sich nichts. Außer dem Cursor, der grobpixelig-hellgrün auf dunkelgrün stoisch vor sich hinblinkte, völlig unbeeindruckt von meiner wachsenden Verzweiflung und Frustration. Ich wollte doch nur dieses verf*ckte Schachprogramm zum Laufen bringen. Laufen? Hm. Ich weiß nicht mehr, woher die Eingebung kam, aber auf einmal stand ich gewissermaßen neben mir wie ein Lenor-Männchen - und sah mir interessiert und wohlwollend dabei zu, wie ich run mchess in die Tasten klapperte und anschließend (warum auch immer) zur Bekräftigung auf die "Enter"-Taste haute.

Tataaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!

Im Laufwerk rödelte es, als ob ein feststeckendes Nagetier versuchen würde, sich den Weg zurück ins Freie durchzubeißen. Und da waren sie plötzlich auf dem Schirm, die 64 Felder, die die Welt bedeuten, samt den Figuren. Ich wählte mit Hilfe der Leertaste weiß. Und nachdem keine anderslautende Option auftauchte, versuchte ich mit der Eingabe von e2 e4 meinen ersten Zug. Und er bewegte sich doch, der Bauer. Wie er sollte.

Was verschlug's, dass ich diese erste Partie gegen Herrn Mchess Schneider mit Pauken und Trompeten verlor - wie danach noch viele weitere? Ich wurde auch kein Schachgenie oder Computer-Topchecker. Dieser kleine Anfangssieg über die Kniffligkeit der Maschine war kein großer Schritt für die Menschheit. Und auch nicht wirklich konkurrenzfähig zum ersten Sex. Aber immerhin: ein Anfang...

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