Dienstag, 20. Mai 2014
Unterwegs im ehemaligen Schlotbaronat
Während die Damen des Hauses am Sonntagmittag im Biergarten nahe der Geismühle rasteten, habe ich eine Extrarunde in der Ecke Krefeld/Duisburg eingelegt. Der Ortsfremde glaubt es zwar kaum, aber da gibt es doch immer was zu gucken. Bei Burg Linn wollte ich aber nicht schon gleich wieder anhalten, erst mal zog es mich rheinwärts nach Uerdingen.

Weiter gehts (mit ein paar Bildern) in den Kommentaren.

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Hier entlang, bitte:


Das Städtchen, das bekannt ist für die Bayer-Werke, Dujardin-Weinbrand und die Uerdinger Waggonfabrik, hat einen erstaunlich intakten Ortskern mit schönem Marktplatz und einem einladenden Uferstreifen am Rhein - wäre da nicht immer linkerhand das Riesen-Chemiewerk im Blickfeld. Daran muss man aber vorbei, wenn man weiter Richtung Duisburg will, und da, wo das Ende dieses Industriekomplexes absehbar ist, steht rechts eine Kirche, die hier ziemlich verloren wirkt:



Ein Straßenstück heißt Dorfstraße, aber von einem Dorf ist weit und breit nichts zu sehen. Wie ich später im Internet nachlas, ist der Krefelder Ortsteil Hohenbudberg bis auf vier Häuser und eben diese Kirche den expandierenden Bayer-Werken gewichen. Die Kirchentür stand offen, und so linste ich mal hinein. Der eigentliche Kirchenraum war dann doch abgesperrt, aber zumindest gab es durch die Gitterstäbe freien Blick Richtung Chorraum und auf den Marienhochaltar aus dem 16. Jahrhundert:



Bevor ich meiner Wege zog, ließ ich es mir nicht nehmen, eine Opferkerze anzuzünden und dann das Gotteshaus nochmal von der Friedhofsseite aus abzulichten:



Von der Durchgangsstraße aus sieht man hauptsächlich den wuchtigen romanischen Turm, der tatsächlich noch aus dem Mittelalter erhalten ist. Die neugotische dreischiffige Kirche, die für den Turm fast ein bisschen zu groß geraten scheint, ersetzte erst Mitte des 19. Jahrhunderts den Vorgängerbau. So, aber nun weiter on the road: Nach wenigen Straßenkilometern Richtung rheinabwärts kommt dann das Ortsschild "Duisburg-Rheinhausen". Aber statt mit Stahlwerker-Elend und Roma-Problemhäusern präsentiert sich der aus den Nachrichten bekannte Stadtbezirk erst mal überraschend dörflich:



Die Ecke nennt sich denn auch Friemersheim-Dorf. Hier das alte Lehrerhaus, das heute ein Heimatmuseum beherbergt:



Auf dem Rheindeich lässt es sich hier gut weiterradeln, selbst das HKM-Hüttenwerk auf der anderen Rheinseite wirkt von hier aus nicht ganz so monströs, weil zwischen dem Weg auf dem Deich und dem Strom noch ein Naturschutzgebiet liegt. Irgendwann hat es sich aber mit Idylle, dann führt der Radweg durch den Logport, ein logistisches Dienstleistungszentrum mit Containerterminals, Lagerhallen und LKW-Flotten, das heute dort steht, wo einst Kruppstahl produziert wurde und wo die umstrittene Schließung des Stahlwerks in den späten 80ern den Niedergang der Montanindustrie in die Abendnachrichten der alten Bunzrepublik brachte. Ironie des Schicksals, dass von dem Stahlwerk, dessen Bau und Expansion fast die ganze Ortschaft Bliersheim verschlang, nichts mehr übrig ist. Gar nichts? Wie man es nimmt. Mitten im Logport steht noch die sogenannte Beamtensiedlung Bliersheim, eine parkähnliche Anlage mit neun Villen, in denen einst der Werksdirektor und die Betriebsleiter von Krupp residierten.



Die Direktorenvilla im Zentrum des Rundwegs (Großbild) ist vollständig renoviert, einige andere dieser Villen liegen noch im Dornröschenschlaf, an manchen wird derzeit gewerkelt (siehe Bild oben). Noch - oder genauer gesagt: wieder - in Betrieb ist das frühere Krupp Casino, die Kantine der leitenden Angestellten:



Von der Straße aus gibt es allerdings nicht viel zu sehen, ich hatte auch weder Zeit noch passende Garderobe zum Einkehren, daher muss ich etwaige Interessierte jetzt mal aufs Internet verweisen:



Aber nachdem das Schild mir bewusst machte, dass ich ein ziemliches Loch im Magen hatte, raffte ich mich auf, den Rückweg Richtung Biergarten anzutreten. Die Eisenbahnersiedlung mit dem imposanten Wasserturm Hohenbudberg werde ich ein andermal genauer inspizieren, versprochen. Darauf einen Dujardin:

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Das abgelichtete Restaurant in Friemersheim ist übrigens durchaus einen Abendbesuch wert.

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Ah, gut, dass Sie's sagen. Ich hatte mich in der Tat schon gefragt, ob das was taugt (mein Bauchgefühl sagte, das könnte man evtl. mal anchecken).

Habe mir auch das La Riva in Uerdingen mal vorgemerkt. Da sagen die einen so und und die anderen so. Aber einig ist man sich zumindest darin, dass der Ausblick auf den Rhein, die Hafeneinfahrt und die Schlote beiderseits des Stroms sensationell ist.

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Schöne Tour und schöner Bericht!

Ist ja eine Ecke, wo man durchaus auch unseren Radler vom Olymp treffen kann.

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Ich hatte beim Abfassen des Berichts tatsächlich den Gedanken im Hinterkopf, Sie damit mal ein bisschen vom Mannesmann-Ufer und dem Löricker Freibad wegzulocken. ;-)

Den Göttinnensohn hätte ich im Schlotbaronat nördlich der Uerdinger Brücke jetzt nicht unbedingt erwartet, ich dachte, wenn der linksrheinisch unterwegs ist, dann eher etwas abseits der strukturgewandelten Ballungsräume.

Aber wie ich hörte, hat er eh Blut geleckt, was die markige Runde mit den 7,93 Hügeln im Niederbergischen angeht.

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Könnte klappen!

Da geht er jetzt also lieber über 7,93 Hügel. Früher waren es sieben Brücken. Müsste es auch eine Bericht zu geben (fällt mir gerade ein). Und Wacholder spielte da auch eine Rolle.

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Ja, das 19te hat uns sehr viel Substanz beschert, die wir hoffentlich noch gut nutzen werden.
Stahlwerke werden abgebaut, eingeschmolzen, weider aufgebaut, verschleppt . . . schöpferische zerstörung war das Leitmotiv.
Ob es noch taugt?

bei Rennradeln muß ich schumpeter heftigst widersprechen.

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Über schöpferische Zerstörung (und zerstörende Schöpfung) lässt sich auf so einer Runde viel sinnieren. Dabei qualmen - Strukturwandel hin oder her - in Duisburg immer noch recht viele Schlote. Und natürlich muss man solche Runden mit dem Stahlrenner fahren, schon das Alurad fühlt sich falsch an, und dort mit einem Carbonhobel rumzusägen ist nahezu undenkbar.

Wobei mir grad einfällt, dass vor fast genau einem Jahr Sir Walter von mir ging, und das war auch in der Ecke Uerdingen. Vom dortigen Bahnhof gibt es keine Direktverbindung in meine Verbundgemeinde, so bin ich dann mit dem Riss im Steuerrohr noch zum Bahnhof Krefeld-Oppum gerollt und von Osterath sogar noch nach Hause, weil kein Taxi aufzutreiben war.

Hach ja, dann jährt sich somit auch meine Zeit mit Monsieur Mercier...

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Ha! All die Ecken kenne ich noch nicht. Schön, dass Sie mir mal meine alte Heimat zeigen :D

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Tja, da sehnse mal. Manchmal habe ich eh den Eindruck, dass ich als Zugereister mit neugierigeren Augen in die Gegend gucke als so mancher Einheimische.

Nicht dass ich mir in der Zwischenzeit genügend enzyklopädisches Wissen angeeignet hätte, um als radelndes Nachschlagewerk zu taugen, aber manchmal wundere ich mich schon, wenn Hiesige noch nie vom Nordkanal oder vom strategischen Bahndamm gehört haben. Oder davon, dass Düsseldorf mal zur Kurpfalz gehörte. ;-)

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Ach?

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Naja,
das ist so ähnlich wie mit den Rhein-Brücken weiter südlich...
Da geht man eben einfach nicht hin!
Wozu auch? Dort ist das Gras auch nicht grüner!
Und am Ende sind es womöglich noch Protestanten...*

*Vor- und Nachkriegszeitansichten, die allerdings immer noch nachwirken

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@kristof:
Ja, aber das hatte ich hier nun wirklich schon mehrfach breitgetreten. Der hier sehr verehrte Jan Wellem war nicht nur Herzog von Jülich und Berg (das allein hätte nicht für die Kurfürstenwürde ausgereicht), sondern dank seiner Abstammung von der Neuburg-Linie der Wittelsbacher in Personalunion auch Pfalzgraf der Kurpfalz. Kriegsbedingt residierte er nicht in Heidelberg oder Mannheim, sondern in Düsseldorf - nutzte Schwetzingen allerdings als Sommerresidenz - so wie Karl Theodor (der in Mannheim residierte, bevor er erbfolgebedingt nach München musste), später Schloss Benrath gern als Ausweichquartier nutzte. Mit dem Tod Karl Theodors ohne direkten Nachkommen erlosch die Personalunion mit der Regentschaft von Jülich und Berg wieder.

Karl Theodor hatte erfolglos versucht, Bayern an die Habsburgischen Ösis zu verscherbeln im Tausch gegen die Habsburgischen Niederlande (also in etwa das heutige Belgien). Wäre interessant geworden, wie die europäische Geschichte weiter verlaufen wäre, hätte dieser Deal stattgefunden.

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...gern als Ausweichquarier benutzte...
Da muss ich schlaumeierlich berichtigen: Karl Theodor hat kein einziges Mal im Schloss Benrath übernachtet, wie wir kürzlich bei einer Schlossbesichtigung (empfehlenswert) gehört haben. War ja als Lust-und Jagdschloss gedacht, aber dann kam der Erbfall Bayerns dazwischen.

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Ah, danke für die Richtigstellung! In dem Marco-Polo-Stadtführer Düsseldorf, den ich vor rund 20 Jahren mal erworben hatte, stand das noch anders. Oder ich habe das falsch erinnert.

Zu einer Schlossbesichtigung konnte ich mich bislang nicht aufraffen, mich macht barocke Pracht mit ihrer Überfülle an Gestaltungselementen ehrlich gesagt immer sehr schnell müde. Und noch ein überladenes Prunkzimmer mit goldgerahmten Salonschinken an der Wand, und noch eins, und noch eins. Aber Sommerkonzert im Schlosspark, das könnte durchaus mal reizen.

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Die Besichtigung dauert < 1 Stunde und auch die Kinder waren zeitlich nicht überfordert und fanden´s interessant. Ein Sommerkonzert wäre auf alle Fälle mal eine Überlegung wert. Da wiederum, denke ich, müsste man eher ohne Kinder hin. Das beginnt ja immer recht spät und dann muss man still auf einem Stuhl sitzen...

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Für Mademoiselle Leroc könnte durchaus ein Problem sein (der war auch das Feuerwerk vom Japantag schon zu spät), aber um Töchterlein ist mir da nicht bange.

Mit weniger als einer Stunde wäre eine Schlossbesichtigung auch für mich noch halbwegs im Rahmen. Hinge aber auch davon ab, wie voll es ist, auf so Geschiebe wie in Versailles kann ich gern verzichten.

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