Sonntag, 12. Januar 2014
Immer diese Sonntagsradler!


Man kennt das ja beim Autofahren, wenn der Vordermann während der Fahrt das Wischwasser auf seine Frontscheibe sprüht und die Gischt dann auch auf die eigene Frontscheibe nieselt. Heute mittag auf der Rheinuferrunde hatte ich erstmals Gelegenheit, einem ähnlichen Schauspiel auf dem Fahrrad beizuwohnen. Vor mir pedalierte ein Rennradler, dahinter ich in 8 bis 10 Metern Abstand (man lutscht ja nicht an fremden Hinterrädern) - plötzlich lautes Gezische, ich fürchtete schon, der Kollege hätte sich einen Platten eingefangen, aber dann war da auch ganz klar Nässe im Spiel - da entlud sich wohl ordentlich Überdruck in seiner Trinkflasche. Das fand ich ziemlich lustig, und so nutzte ich die Gelegenheit, zu ihm aufzuschließen und ins Gespräch zu kommen. Das mäßige Tempo ließ das problemlos zu, es galt nur beim Nebeneinanderherfahren verstärkt auf den Querverkehr von Hunden samit Haltern und Familien mit Kindern zu achten, die das sonnige Wetter für einen Spaziergang am Rhein nutzten.

Ziemlich schnell kamen wir überein, das übervölkerte Rheinufer zu verlassen und einen gemeinsamen Ritt auf die Halde in Angriff zu nehmen. Ein kleiner Umweg zum Unigelände war noch zu absolvieren, dann ging es über die Fleher Brücke in den Neusser Süden und über mir nicht sonderlich vertraute Wege via Nievenheim, Gohr, Ramrath, Oekoven und Allrath auf das schon so oft (unter anderem: gestern) angesteuerte Hochplateau.

Aber Langeweile kam nicht auf, der Smalltalk und das Fachsimpeln sorgte für Kurzweil, und der erfahrene Kollege, der nach eigenem Bekunden gerne mal Strecken von deutlich über 150 Kilometern unter die Räder nimmt, dozierte zum Thema Trainingslehre, was auch der Kreuzbube immer wieder sagt: Es bringe (zumal im Winter) wenig bis gar nichts, groß Tempo zu bolzen, an Anstiegen kraftzumeiern oder sich sonstwie zu schinden. Am besten bewege man sich im Bereich der Grundlagenausdauer. Also in dem Bereich, den man ohne große Anstrengung fahren kann.

Das hielt ihn freilich nicht davon ab, bei der Abfahrt Richtung Frimmersdorf im größten Gang "volle Fahrt voraus" zu pumpen. Aber abgesehen von diesem kleinen Intermezzo blieb es die ganze Zeit wirklich beschaulich. Eigentlich hatten wir im Sinn, noch einen Abstecher zum autofreien Schnellweg zwischen Niederaußem und Elsdorf am Rand des Tagebaus Hambach zu machen. Aber mit Blick auf den schon ziemlich niedrigen Sonnenstand (und mein fehlendes Vorderlicht) zog ich es vor, bei Rath die Kurve Richtung Heimat zu kriegen und den Kollegen mit seiner vollständigen Beleuchtung alleine zum Fahrrad- und Skaterhighway auf der ehemaligen Bandtrasse fahren zu lassen.

Als ich die B 477 erreichte, stand die Sonne wirklich schon ziemlich tief, vor mir lagen noch rund 30 Kilometer Strecke, und der Magen hing mir schon ziemlich in den Kniekehlen. Aber irgendwo anzuhalten und Kalorien nachzutanken hätte bedeutet, einen noch größeren Teil der Strecke im Dunkeln fahren zu müssen. Entsprechend war der gute Vorsatz schnell dahin, nur auf Grundlagenausdauer zu fahren, und so artete die Sonntagsrunde zu guter Letzt doch noch in schweißtreibendem Gebolze aus. Gut zu wissen, dass das noch geht, wenn es muss.

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Sehr gut, Sie bleiben am Ball. So soll es sein!

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Grad eben mal die heutige Strecke überschlagen: Rund 90 Kilometer läpperten sich da schon zusammen. Also schon sehr am oberen Ende dessen, was ich in dieser Jahreszeit sonst am Stück fahre. Füße waren irgendwann etwas kühl, aber nicht annähernd so eisklotzmäßig, dass ich an vorzeitige Umkehr Richtung Heimat gedacht hätte. Die Abfahrt von der Halde hat mich insgesamt auch etwas ausgekühlt, aber das hat sich wieder reguliert.

Würde ja gern wissen, wie weit der temporäre Begleiter noch gekommen ist, aber wir haben keine Kontaktdaten ausgetauscht.

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Genauer gesagt
hatte ich ihm meinen hiesigen Nick noch zugerufen, und wie ich eben erfreut feststellte, hat er ihn doch memoriert und mit dieser alphanumerischen Zeichenfolge die hiesige Rohrpostanschrift gefunden.

Also er ist gestern insgesamt 180 Kilometer gefahren und hatte dann nicht nur Eiskristalle in der Trinkflasche, sondern auch eiskalte Hände und Füße.

Respekt!

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Ja, das zu zweit fahren verlängert doch deutlich die Strecken. Leider sind alle anderen, die ich unterwegs treffen viel zu schnell für mich,als daß ich mit ihnen mitfahren könnte.
Ab zu und zu fährt ein siebzigjähriger Exkollege mit mir. Da geht das dann recht gut.

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Leider sind alle anderen, die ich unterwegs treffen viel zu schnell für mich,als daß ich mit ihnen mitfahren könnte.

Dass sich da draußen schnellere Strategen finden, wird meiner bisherigen Erfahrung nach auch immer so bleiben. Aber wenn Sie bisschen Regelmäßigkeit in die Fahrerei kriegen, steigen die Chancen mit der Zeit automatisch. In aller Regel bin ich ja auch eher darauf eingestellt, meinen eigenen Stiefel runterzufahren, aber manchmal ergibt sich dann doch was. Weniger im niederbergischen Hügelland, da fährt jeder vor sich hin, aber am Rheinufer oder mehr noch in linksrheinischen Flachland ist es nicht so schwer, Gesellschaft zu finden.

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Ich habe gestern einen meiner vielen Vettern getroffen, der seine Marathon- und Triathlonzeiten eigenen Angaben zufolge genau durch das Gegenteil stark verbessert hat. Maximalkrafttraining, sagte er, aber seine Grundlagen sind auch weit jenseits von dem, was ich leisten kann.
Wenn also mal "was da ist", kann Krafttraining wohl ganz sinnvoll sein.

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Whatever works for you..., wie man im englischen Sprachraum sagt. Wobei es natürlich sein kann, dass Ihr Vetter sich mehr trotz als wegen seines Krafttrainings verbesern konnte, man weiß es nicht. Aber ich denke schon, es gibt ganz unterschiedliche Typen, die mit entsprechend anderen (und auch unkonventionelleren) Methoden auch erstaunliches zu leisten im Stande sind.

Man muss halt in den Körper hineinhorchen, und mir haben meine Knie recht früh signalisiert, dass Kraftdrückerei an Anstiegen nicht das ist, was ich als allererstes machen sollte. Ich habe daraufhin auch in der Ebene versucht, etwas höhere Frequenzen als früher zu treten. Aber das verhindert trotzdem ja nicht einen gewissen Kraftaufbau, wenn man sich in kleineren Gängen soundsoviele Hügel hochdrückt, irgendwann geht es auch in größeren Übersetzungen ohne dass es viel mehr Mühe macht.

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@texas-jim: Die Grundlagenausdauer trägt ihren Namen nicht von ungefähr.

"Maximalkrafttraining" hat nichts damit zu tun, wie man draußen auf dem Rad unterwegs ist. Das ist Krafttraining mit sehr hohen Gewichten und ganz wenigen Wiederholungen. Aber wo ist da das Gegenteil, von dem Du sprichst? Es sind einfach verschiedene Trainingsbereiche, die sich ergänzen, sofern einem das wichtig ist.

Meine bescheidene Erfahrung: Ich muss im Winterfrost nicht rasen und keulen. Das holt man im Frühjahr schnell wieder auf.

@don ferrando: Ich bin jederzeit bereit, das Tempo frei nach unten, nachgerade ins Bodenlose fallen zu lassen, wenn ich mit jemanden zusammen radle, mit dem ich auf diese Weise entspannte Stündchen verbringen kann.

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(...) jederzeit bereit, das Tempo frei nach unten, nachgerade ins Bodenlose fallen zu lassen (...)

Ich muss gestehen, dass es mich zu Zeiten schon enorme Anstrengung gekostet hat, nicht vom Rad zu fallen, als Töchterlein noch auf 18 Zoll rumeierte und die marquise793 sich auf dem Tourentrecker abmühte. Ich habe nach den familiären Biergarten- oder Rheinufer-Picknick-Runden oft noch ein Stündchen Soloritt drangehängt.

Ansonsten: Völlig richtig, es im Winter generell gemächlicher anzugehen. Schon allein aus Gründen des Temperaturmanagements. Wenn die Klamotten anstrengungsbedingt zu sehr von innen her durchsaften, hat man über kurz oder lang ein Problem.

Mein gestriger Mitfahrer meinte auch, man könne sich in der kalten Jahreszeit Hügeltouren im Prinzip komplett schenken, ohne dass einem im Frühjahr viel fehlt. Wobei ich das für mich nicht so vollumfänglich unterschreiben würde, aber fahre ja auch erst seit vier Jahren mit einer gewissen Regelmäßigkeit - und der Kollege seit 20 Jahren. Wenn ich mal so viele Höhenmeter von Eifeltouren etc. in den Beinen habe wie er, muss ich im Frühjahr nach kompletter Hügelpause auch nicht mehr bei Null anfangen. Aber da es heuer über Ostern wieder in den Westerwald geht, sollte ich vorher schon einige Erkrath-Runden absolviert haben, wenn ich nicht total untergehen will.

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@kreuzbube: Seine Aussage war, daß eine bessere Maximalkraft sich eben doch auf die Rad- und Laufzeiten auswirkt. Ich habe das dahingehend eingeschränkt, daß er schon eine ganz hervorragende Ausdauer hat und eine weitere Verbesserung eben nicht durch mehr Ausdauertraining, sondern durch zusätzliches Krafttraining erreicht hat.
Statt eines Laktattests haben wir dann aber einen Käsekuchentest gemacht, also ist das ganze nicht wissenschaftlich, sondern nur seine Erfahrung.

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Einer meine Mathe- und Physiklehrer pflegte zu sagen. "Es gibt viel zwischen plus und minus."

Oder anders gesagt: Der letzte Stand der Trainingslehrmeinung von heute ist womöglich der erkannte Irrtum von morgen, und im Vetter von texas-jim manifestiert sich bereits ein Paradigmenwechsel dahingehend, dass Kraft und Ausdauer doch mehr miteinander zu haben als gemeinhin angenommen. Eine andere Erklärung wäre vielleicht im Erbgut zu finden - also statt des Laktattests lieber mal einen Gentest machen? ;-))

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Hier auf der Schwäbischen Alb wäre ich vorsichtig mit Gentests. Die Winter sind lang, und neben den allgemein bekannten Kuckuckskindern des rothaarig auffälligen Dorf-Charmeurs gibt es sicher auch noch unerkannte Fremdgelege im Nest ;)

Ich selber trainiere nicht mehr genug, um solche Sachen selbst ausprobieren zu können. Ich fahre ja bloß mit dem Rad durch die Gegend, und alle paar Wochen renne ich mal eine Stunde durch die Gegend. Und irgendwie habe ich nicht mehr die Lust, wie im letzten Winter jeden Morgen und Abend nass zu werden. Außerdem muß die Busfahrkarte sich ja lohnen...

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jimbo, an Kraftraining mit Geräten ist gar nichts auszusetzen. Aber mark793 ging es ja um die Bewegung auf dem Rad, als er seinen Ausflug schilderte. Ich hatte es schon mal erzählt, ein mit uns befreundeter Olympionike hat kein Problem damit, das Rad im Winter zwei Monate lang in die Ecke zu stellen - und stattdessen andere Trainingsformen zu absolvieren, ob laufend oder im Kraftraum. Krafttraining macht man doch von jeher schon, gerade bei den Radfahrern. Von ungefähr kam solche Pakete ja auch vor Jahrzehnten nicht:

http://guterbubi.files.wordpress.com/2014/01/textima-bahnrad.jpg

Und es stimmt schon auch, dass mehr Kilometer nicht unbedingt mehr Leistung bringen. Deswegen ist die Erfassung von Jahreskilometern auch mit so wenig Aussagekraft verbunden. Es gibt Leute, die fahren mit 7.500 km Trainingskilometer im Jahr schneller als welche mit 15.000 km. Und der neulich erwähnte Jacques Anquetil, der als erster 5 x die Tour der France gewann, ist nie mehr als 120 km im Training gefahren.

Aber wovon reden wir überhaupt? Mein bisschen Freizeitgekullere hat allenfalls den Effekt, den altersbedingten Abbau zu verlangsamen

Darauf einen Käsekuchen!

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@Käsekuchen:
Pinki, hierher!

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"Von ungefähr kam solche Pakete ja auch vor Jahrzehnten nicht".
Vor Jahrzehnten wurde vermutlich noch konsequent brav das Müsli aufgefuttert. Nicht so wie heute.

Stelle mir gerad eine kinesische Schwimmmatrone vor.

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@fritz, Müsli mundet nach wie vor:

http://3.bp.blogspot.com/_sCPYsCdV3Qs/TJEyot3V8eI/AAAAAAAAAE0/1Ie8br3OkhE/s1600/chris+hoy4.jpg

Bahnspezialisten eben.

Aber auch auf der Straße müssen die Sprinter und Eintagesspezialisten mit Muckis aufwarten:

http://www.bikeraceinfo.com/images-all/tdf-images/images13/06-greipel-andre-podium.jpg

Ganz anders bei den Rundfahrten, wenn's man über Berge muss. Tdf-Sieger Chris Froome, 1,86, 67 kg.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ee/Christopher_Froome_TDF2012.jpg

Oder ganz deutlich: TDF-Sieger Bradley Wiggins:

http://static.guim.co.uk/sys-images/Sport/Pix/pictures/2012/7/10/1341948002336/Bradley-Wiggins-in-his-ho-008.jpg

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Käsekuchentest..
..ist bei Fahrradabenteuern nur zu empfehlen und wurde in
Leipzig bereits erfolgreich praktiziert!

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(...) jederzeit bereit, das Tempo frei nach unten, nachgerade ins Bodenlose fallen zu lassen (...).

Ich kann mir schon denken, warum ;-)

http://www.ww2aircraft.net/forum/attachments/sports-talk/68505d1218742962-20-ideas-olympics-bicycle_race_2.jpg

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@don ferrando, Kaffeefahrten, sage ich nur. Käsekuchen statt Kilometer! Das Motto für 2014.

@rocky raccoon: In der Tat fahre ich gerne mit Damen. Sie sind eine Zier und verhindern das Abgleiten in das geringste gemeinsame Niveau von Herrengruppen.

(off topic: Christiano Ronaldo ist der sensationellste Fussballer, den ich je gesehen habe und hat zurecht den Ballon D'Or gewonnen.)

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An dem Motto reklamiere ich aus irgendwelchen Urhebergründen ein Kuchenstück! ;)

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@jim,
Da müssen Sie sich an carodame wenden, denn ich war nur der Bäcker, sie erlangte Verfügungsmacht!

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Kaffeefahrten, sage ich nur. Käsekuchen statt Kilometer!

Das erinnert ein wenig an die Dienstagsrunden der Senioren vom VfR Büttgen, wobei deren implizites Motto eher mit "Kuchen _und_ Kilometer" umschrieben wäre.

Was das Niveau (oder besser gesagt dessen Abwesehneit) in Herrenrunden angeht, das hat mich schon bei der Bundeswehr enorm gestört. Seitdem bin ich ziemlich wählerisch - und im Zweifelsfall lieber allein unterwegs als in schlechter Gesellschaft.

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