Dienstag, 16. Juli 2013
Bis an die Grenze gehen
Es war ein ziemliches Mammutprojekt, das Napoleon einst anschob, um die widerspenstigen Niederländer vom Rheinhandel abzuschneiden: Ein Kanal sollte von Neuss am Rhein bis zu dem damals französisch kontrollierten Seehafen Antwerpen gegraben werden. Das Projekt blieb unvollendetes Stückwerk, aber ein Themenradweg erinnert noch an den Nordkanal. Die rotweiß-gestreiften Stelen sollen an die Vermessungsstäbe der Ingenieure erinnern, die türkisen Markierungen auf dem Weg an das Wasser - die Querstriche in regelmäßigen Abständen symbolisieren ein Maßband. Diverse Schautafeln und einige Installationen entlang der Route runden das Ganze erlebnismäßig noch etwas ab.



Aber so wie der Kanal als solches Stückwerk blieb, habe ich es bisher auch nicht geschafft, das deutsche Teilstück dieser Themenroute durchs Zweistromland mal komplett abzufahren. Auch heute wich ich wieder von der vorgegeben Streckenführung ab: Anstatt der türkisen Linie durchs Flachland von Süchteln über Grefrath weiter Richtung Herongen zu folgen, habe ich eine topographisch reizvollere Route über die Süchtelner und Hinsbecker Höhen unter die Räder genommen.



Wobei "Höhen" natürlich stark übertrieben ist und der schön gelegene Erholungsort Hinsbeck die Bezeichnung Bergdorf nun wirklich nicht verdient. Aber bei etwas klarerer Luft hätte man von jener Anhöhe aus, auf der die Stammenmühle ihre Flügel in den Wind streckt, freie Sicht auf die Nordsee einen schönen Ausblick auf den Lauf der Maas und die Stadt Venlo gehabt.



Wo heute eine Seenplatte Ausflügler an die Ufer lockt, erstreckten sich einst ausgedehnte Moore. Und wie weiter südlich, wo ich bei Swalmen voriges Jahr ins gelobte Land des Fietsens radelte, führen die letzten Kilometer vor der Grenze durch dichten Wald.



An der Grenze selbst mahnt eine kleine Gedenkstätte. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht überprüfte, welchem zeitgeschichtlichen Geschehen da gedacht wird, aber ich habe natürlich den starken Verdacht, dass es um jene Epoche geht, die im Mai 1945 endete. In den Jahren zuvor hatte Görings Luftwaffe hier grenzübergreifend den Fliegerhorst Venlo-Herongen aufgebaut, von dem aus Nachtjäger die alliierten Bomberverbände angriffen. Heute starten und landen auf dem grasbewachsenen Rest des Rollfelds auf niederländischer Seite nur noch Segelflugzeuge. Mit etwas mehr Zeit im Gepäck hätte ich vielleicht noch einen Rundgang über das weitläufige Gelände mit seinen verstreuten Ruinen gestartet. Oder vielleicht lieber einen Abstecher ins Zentrum von Venlo gemacht, was ich mir mit Blick auf die Uhr und den noch vor mir liegenden Rückweg dann auch verkniffen habe. Nächstes Mal vielleicht.

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Man kann sich einfach nicht alles anschauen oder gar ablichten, wenn man eine längere Strecke fahren will. Im Nu summieren sich die Stopps und Abstecher nicht nur zeitlich, sondern auch kilometermäßig. Ich komme regelmäßig auf 20 % Zuschlag gegenüber den per Routenplaner grob vorgeplanten Streckenkilometern.

Aber an Vermessungsstäbe hätte ich zu allerletzt gedacht. "Mondrakete aus Tim & Struppi" kam mir eher in den Sinn.

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Von der Strecke her war es doch näher als ich dachte, da hätte ich im Prinzip die paar Kilometer nach Venlo noch locker dranhängen können. Aber ich habe für die Rückfahrt gerne ein zeitliches Polster. Es ist mir vor Jahren mal passiert, dass ich etwas knapper kalkuliert hatte und auf dem Rückweg von der Vollrather Höhe dann noch eine Reifenpanne dazukam. Da musste ich mich rich-tig reinhängen, um Töchterlein noch rechtzeitig aus dem Kindergarten abzuholen.

Ich hatte eben weiter unten einen Beitrag von Kelly MG verlinkt. Davon abgesehen, dass der viel besser fotografieren kann als ich, ist das halt auch ein ganz anderes Radfahren, mit Frau und Auto irgendwohin, wo es nett ist und dann eine gemütliche Runde radeln, viel Rasten und mit viel Ruhe die Linse dahin richten, wo es etwas zu sehen gibt, dann ausgedehntes Picknick und Rückfahrt zum Parkplatz.

Ich selber hätte diese Ruhe nicht, in der Hauptsache fahre ich ja Rad, um richtig in Bewegung zu sein. Aber ich lese und betrachte diese Blogbeiträge immer mit großem Genuss, zumal ich da ja vieles wiederkenne, was mir quasi vor der Haustüre liegt.

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Ach ja, bevor ich das vergesse: Wesentlich schönere Bilder von der Krickenbecker Seenplatte hat Herr Kelly aus MG von seiner Radtour dort mitgebracht.

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Ah, die Stammenmühle... über den Hügel musste ich immer zur Schule hinter Grefrath radeln. Weil das im Dunkeln auf der schmalen "Serpentinenstraße" nicht ganz ohne war, nahm ich den Parallelweg, mit 10%.
Das war nicht immer schön ;o)

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Dieser schmale Weg zwischen Mühle und Bergstraße stellt auch tagsüber höchste Anforderungen an Mensch und Maschine. Und wenn man bedenkt, dass dies wahrscheinlich die letzte nennenswerte natürliche Erhebung vor der Nordseeküste ist, dann kann man sich schön vorstellen, was für eine malerische kleine Insel dieser Hügel dereinst abgibt, wenn der Meeresspiegel um 30 Meter steigt. ;-)

Das 10-Prozent-Schild steht an der Grefrather Straße, wenn meine Erinnerung nicht trügt.

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Sie appelieren an meine Erinnerung... ich war dort schon seit Äonen nicht mehr ;o)

Schlimmer ist eigentlich die andere Seite über diese nicht enden wollende Steigung an der ehemaligen Radarstation. Wenn man die mit dem Hollandrad im Herbst...
Nach Partys war der Hügel allerdings sehr nützlich. Man war danach wieder fit.

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Ehemalige Radarstation? Könnten Sie die etwas genauer lokalisieren?

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Aha, da gab es dort also auch eine Nike-Raketenstellung. Die Dinger verfolgen mich ja förmlich. ;-)

Laut einer topographischen Karte ist der Höhenzug zwischen dem Glabbacher Bruch und dem Wankumer Heidesee immerhin 72 Meter über NN. Somit steht die Mühle doch nicht auf dem letzten Hügel vor der Nordsee.

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Ähm, die Anlage war zwischen Hinsbeck und Grefrath, Höhe Heitzerend.
Ob das jene Nike-Stellung war, weiß ich nicht.
Gemunkelt wurde indes viel darüber, damals, in den lässigen Zeiten des Kalten Krieges.

Kanonen (es waren evtl. auch nur 20 mm) standen jedenfalls am Zaun. Nachdem die Anlage verlassen wurde, gab es in den dortigen Bunkern Partys. Jetzt haben bestimmt alle Teilnehmer Krebs.

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Den Abschussbereich, also die eigentliche Raketenstellung etwa 3 km nordöstlich von Hinsbeck kann man auf den Satellitenbildern noch erkennen:



Eine Faustregel, in welcher Himmelsrichtung der dazugehörige Feuerleitbereich (also die Radarstellung) zu suchen ist, gibt es nicht, daher meine Frage.

Wenn Sie auf der Radaranlage später Parties gefeiert haben, sollte das eigentlich keine von der Anlage ausgehenden gesundheitlichen Risiken mit sich gebracht haben. Was man für die Soldaten, die in den EMV-verseuchten Radarräumen Dienst taten, leider nciht behaupten kann. Die wurden übel gegrillt und verstrahlt, und da sind soweit ich weiß einige Schadensersatz- und Schmerzensgeldklagen gegen die Bunzrepublik Deutschland geführt worden.

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