Montag, 9. Februar 2009
Grinsrübe mit Kassengestell zwonull
Wie bereits erwähnt, twittere ich ja nicht. Aber da meine Frau diesen Dienst nutzt, gucke ich ihr manchmal dabei über die Schulter, um mitzubekommen, was sich da so tut. Vorige Nacht drehte der Mikrobloggerkosmos geradezu hohl vor Begeisterung darüber, dass das Büro des Dalai Lama nun auch twittert. Und innerhalb weniger Stunden hat das geistige Oberhaupt des tibetischen Buddhismus mehr als 10.000 Follower mobilisiert.

So recht die Begeisterung will sich bei mir indes nicht einstellen. Im Moment erregt sich ja alle Welt über den Papst und die ungeschickte Rehabilitierung irgendwelcher Pius-Brüder mit sehr dubiosen Ansichten. Und das durchaus zu Recht. Darüber wird allzuleicht vergessen, dass seine Scheinheiligkeit aus Lhasa einen Verein leitet, der auch seine dunklen Seiten hat. In Sachen Frauenfeindlichkeit stehen die Träger der orangeroten Kutten dem katholischen Klerus kaum etwas nach. Und auch sonst lassen sich gute Gründe finden, dieser sehr speziellen buddhistischen Glaubensrichtung nicht kritiklos das Weihrauchfass zu schwenken, nur weil der angebliche Gottkönig so nett lächeln kann.

Ach ja, die Links in diesem Text hatte ich bereits vor einer Weile im Rahmen einer Tibet-Debatte bei religionsfreiheit.blogger.de gepostet. Ich denke, die Schnittmenge der jeweiligen Leserschaften hier und dort ist überschaubar, vielleicht erreiche ich damit in der Dunkelkammer ja ein paar Leser mehr als drüben im Themenblog.

Das Gezwitscher der Digital-Domestiken seiner Scheinheiligkeit lässt sich im Übrigen hier verfolgen. Oder war das nur der "Titanic"-Fake?

Nachtrag I: Der Twitter-Account von OHHDL ist nicht mehr erreichbar. In der Fehlermeldung heiß es: Sorry, the account you were headed to has been suspended due to strange activity. Hm.

Nachtrag II: Inzwischen gilt es als sicher, dass das Getwitter des angeblichen Büros des Dalai-Lama nur ein Fake war und deswegen abgeklemmt wurde. Nicht, dass mich das jetzt komplett überrascht, die Frage hatte ich ja in meinem Ursprungsposting aufgeworfen. Das eigentlich Erschütternde ist, wie viele Follower sich da gleich blind drangehängt haben. Ich sage nur: "Folgt der Flasche!" - "Nein, folgt der Sandale!"...

Nachtrag III: Der Account ist wieder erreichbar. Unter anderem ist da jetzt zu lesen: Welcome to the UNOFFICIAL Twitter page of His Holiness the Dalai Lama. Check back for news and travel itinerary. Also die Chose ist nicht offiziell, nennt sich aber immer noch "Office". Verwirrungstaktik ganz in der Tradition buddhistischer Koans, mit denen die Meister ihre Schüler zu verwirren pflegen. Das Ziel der Kōan-Praxis, heißt es bei wikipedia, ist die Erkenntnis der Nichtzweiheit. Die Illusion, dass die Dinge sich unterscheiden und dass das Ich eine eigene, vom Rest abgegrenzte Existenz hätte, soll sich in der Übung mit dem Kōan auflösen. Na schön: Es ist also, was es nicht ist - und ich klatsche Beifall mit einer Hand.

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Wenn Titanic wart ich auf den Auftritt von Swami Durcheinanda...

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Hehe,
genau. Oder wie wärs mit @derheiligestuhl? Der drängt sich ja im Moment auch geradezu auf für satirische Ausschlachtung.

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....und Twits a la "Liebe Schäfchen, wir bleiben standhaft und das meinen wir nun nicht sexuell"

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Ich würde ja anregen,
auf Latein zu twittern, um auch die bislang vernachlässigten Traditionalisten wieder verstärkt an Bord zu holen.

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Au ja!
Wie wäre es denn damit:

"Suus cuique crepitus bene olet"

Oder schön katholisch:

"Omne animal post coitum triste" (gut, man könnte animal auch durch homo ersetzen)

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suum cuique läuft aber zur zeit auch wie geschnitten brot.
kann man da nicht mal eine werbekampagne...?

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Also passend fürn Vatikan wärs durchaus....

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Nein,
man kann über den Vatikan ja viel schlechtes sagen, aber "jedem das seine" passt beim besten Willen nicht als Claim.

@vert: Ja, da gab es letztens mal wieder einen Versuch, den Spruch als "Jedem den Seinen" zu recyceln. Aber auch das stieß sauer auf. Wobei im Zuge der Debatte die durchaus berechtigte Frage aufgeworfen wurde, ob man in den Rinnstein defäkieren müsse, weil auch "der Führa" eine Toilette benutzte ob es nicht allmählich an der Zeit sei, diese Redewendung für den normalen Sprachgebrauch quasi zurückzuerobern. Meine Meinungsbildung dazu ist noch nicht abgeschlossen.

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@mark: Deshalb hatte ichs auch durchgestrichen...ich dachte da spontan halt an diesen momentanen unseligen Diskurs...:-)

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a) weiß ich doch.
b) seit wann ist werbung/pr-sprech normaler sprachgebrauch?

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Ich will mich gar nicht inhaltlich zu den verlinkten Beiträgen äußern - das steht mir nicht zu, da ich von der Thematik schlichtweg keine Ahnung habe.

Aaaber - was "Ein ungeheures Lächeln" angeht: Ich habe schon aufgrund des Stils keine Lust, mich näher mit dem Text auseinanderzusetzen. Ganz ehrlich - allein schon durch die alles andere als sachliche Herangehensweise verliert der Text für mich an Glaubwürdigkeit.
Und immer wieder gerne genommen: die Anthroposophie. Ich arbeite fast schon in einer Hochburg der Anthroposophie, überspitzt formuliert, und habe dabei mehr darüber gelernt, als mir teilweise lieb ist.
Ich stehe ihr nun wirklich sehr kritisch gegenüber, und trotzdem sträuben sich mir die Nackenhaare, wenn ich dieses komplexe Thema auf den Satz "Ansonsten ist das anthroposophische Gewäsch genauso ohne Vernunft und Wahrheit wie das theosophische." reduziert sehe. Ein Wunder eigentlich, dass er nicht noch alle Anthroposophen explizit als Rassisten abgestempelt hat. Immer wieder gerne genommen.

So gerne ich mich informieren würde - nicht anhand von diesem Text. Schade.

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@bina:
Verstehe ich. Denn offen gestanden hat mich die zum Teil unmäßige Polemik vor Jahren auch erst mal davon abgehalten, mich näher mit den Thesen zu beschäftigen - oder auch nur dem Gedanken Raum zu geben, was, wenn der Verfasser über weite Strecken recht hätte - und der DL nicht das ist, was wir so gerne in ihm sehen möchten?

Ich hatte diese Rezension von Herrn Hammerschmidt dann wieder vergessen für eine ganze Weile, zwischenzeitlich beim Hochkochen des Tibet-Konflikts im vorigen Jahr auch anderswo kritische Stimmen zum tibetischen Buddhismus und seinem obersten Repräsentanten gesucht und gefunden. Leider habe ich mir nicht alles Lesenwerte als Bookmark gespeichert, sonst würde ich Ihnen jetzt einen gangbaren Pfad durchs Dickicht aufzeigen. Es ist ja auch nicht so, dass etliche Lama-Kritiker nicht auch ihre eigene Agenda haben, sei es aus christlicher Religionskonkurrenz heraus oder aus diffuser linker Sympathie für Rotchina, das sind alles Aspekte, die man schon auf dem Schirm behalten muss, wenn man nicht einfach auf Propaganda von hier oder dort reinfallen will.

Man kann die Anthroposophen-Watsche in diesem Zusammenhang natürlich als wohlfeilen Versuch sehen, den tibetischen Budddhismus in die geistige Nähe von allerlei verwirrtem Eso-Kram zu rücken. Nur bedeutet die Tatsache, dass das hier mit zum Teil mit sehr holzschnittartigen Zuschreibungen und Assoziationsketten versucht wird, keineswegs automatisch, dass diese Verbindung gar nicht da ist.

Zum Thema Anthropo- und Theosophie habe ich auch differenziertere Ansichten als sie in dem Beitrag zum Ausdruck kommen. Aber nichts destotrotz finde ich den Versuch, den Dalai Lama mal ein bisschen von seinem weitgehend unhinterfragten Heiligkeitspodest runterzuholen, aller Ehren wert.

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Danke, "polemisch" war das Wort, nach dem ich die ganze Zeit verzweifelt gesucht hatte.
Ich muss gestehen, dass ich den Dalai Lama immer auf eben solch ein Heiligkeitspodest gestellt und mir eingebildet habe, im tibetischen Buddhismus sei alles Friede, Freude, Eierkuchen. Und das, ohne mich je mit der Thematik auseinandergesetzt zu haben, vermutlich allein aufgrund des Bildes, das einem durch die Medien suggeriert wird.
Umso mehr ein Grund, mich doch mal damit zu beschäftigen - sollten Sie also doch noch mal auf informatives Material stoßen, wäre ich für einen Link dankbar.

Nun ja, die Anthroposophie ist mir aus beruflichen Gründen sozusagen allgegenwärtig, wobei ich die meiste Zeit nur schmunzeln kann. Was ich da schon an einschlägiger Literatur in der Hand gehabt habe - herrje. Und trotzdem geht es mir einfach gegen den Strich, die Anthroposophen allesamt zu verteufeln.

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Richtig,
man kann so eine Weltanschauung ja auch aus den falschen Gründen ablehnen oder die Existenz eines wahren Kerns darin in Abrede stellen, weils halt unbequem wäre und zum Teil sozial erwünschten Denkmustern widerspricht. Über diese Theorien von den Wurzelrassen, die Rudolf Steiner wohl von Helena P. Blavatsky gehört haben wird, kann man vieles sagen, dass sie hochspekulativ, krude und was nicht alles sind - als Ermunterung zu gelebtem Rassismus habe ich "Die "Geheimlehre" jedenfalls nicht verstanden. Oh, das Buch lag ja angeblich auf Hitlers Nachttisch als Bettlektüre, und manchem mag das ja genügen als Argument der Auseinandersetzung damit - mir aber nicht.

Kritisches Material zum DL ist übrigens gar nicht (mehr) so einfach zu finden. Ich erinnere mich, dass voriges Jahr im deutschen Wikipedia-Artikel auch ein paar kritische Sätze mit weiteren Verweisen zu finden waren, das ist inzwischen alles rauseditiert. Im englischsprachigen Artikel finden sich unter "controversies" zumindest ein paar Stichworte, anhand derer Sie vielleicht bisschen weitergoogeln können.

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suum cuique
dazu fällt mir gerade ein, dass der dl wohl doch mal was kluges gesagt hat: und zwar, dass es in jedem kulturkreis spirituelle kräfte/religionen gibt, die auch nicht schlecht sind und dass man sich doch vordringlich damit beschäftigen möge...*
wahrscheinlich ist ihm das bohei um seine person anfänglich ebenso unheimlich gewesen wie haile selassie, der sich mehrere stunden geweigert hat auf jamaica aus dem flugzeug zu steigen, weil draußen zweihunderttausend rasende rastafaris auf den messias warteten....aber offensichtlich hat er gefallen daran gefunden. zumindest würde das seine stets etwas belustigte miene erklären.

*(ich bin kein vertreter eines irgendwie gearteten kulturalismus, kann aber verstehen, dass es sonderbar wirken muss, wenn sich leute, die ihre eigene mythologie nicht verstehen, eine andere, noch viel rätselhaftere vom anderen ende der welt suchen)

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Es stimmt,
diese Äußerung (die ich wenn ich mich recht entsinne, einem "Spiegel"-Interview entnommen habe) ist mir auch als sehr vernünftig in Erinnerung geblieben. Wenn es aber darum geht, Hollywood-Prominenz vor den Karren zu spannen, ist der Dalai-Lama-Kult kaum weniger rührig als sagenwirmal die Gruppierung, die sich auf Ron L. Hubbard beruft. Das relativiert die an sich vernünftige Äußerung dann doch ein wenig.

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ha! doch die titanic!

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Ja, oder jemand
mit ähnlichem Sinn für Humor. Ich könnte mich wirklich beömmeln. Vor allem über die Follower. Ich zitiere nochmal aus der Jonet-Diskussion über Twitter:

Was den Follower betrifft: Ich weigere mich schlichtweg, diese pseudoreligiös aufgeladene Metaphorik zu ignorieren. Leute, die kein Problem damit hätten, sich von mir oder Dritten als meine Jünger ansehen zu lassen, sind mir suspekt; allein schon deshalb twittere ich nicht.

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Ich sehe hierin eine Bestätigung, dass die Mehrzahl der Menschen einen Führer braucht und sich gern an die hängen, die ihnen das Leid der Verantwortung abnehmen. Mensch braucht jemanden, zu dem er aufblicken kann. Wie anders wären die 100.000 Berliner zu erklären, die dem guten Obama zujubelten?
Und es bestätigt weiterhin die These, ohne das ich die Twitter-Inhalte kenne, dass es völlig Hupe ist, was jemand schreibt, zuerst ist wichtig, na?....Wissen Sie doch schon;-)

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So hoch,
dass alle Welt einen "Führer" brauche, würde ich das stark ausgeprägte Bedürfnis nach Begeisterung, nach nochmaligem Nachdenken vielleicht doch nicht hängen. Ich meine, man jubelt Obama ja hierzulande nicht unbedingt zu, weil der einem jetzt brauchbare Guidelines für jede Lebenslage serviert. Nein, die Menschen wollen einfach glauben, dass es auch heutzutage in unserer ach so bösen Welt noch ein paar good guys gibt: Da der ach so friedliche und bescheidene Mönch aus Tibet, dort der afro-afrikanische Außenseiter im US-Wahlkampf, der die korrupte Bush-Kamarilla endlich aus dem Weißen Haus schickt. Da werden so viele Hoffnungen und Sehnsüchte hineinprojiziert, dass diese Gestalten ob sie wollen oder nicht zu lebenden Mythen werden. Ich sagte dieser Tage zu meiner sehr obama-begeisterten Frau: "Warts ab, in ein paar Tagen werden ihn die ersten übers Wasser laufend gesehen haben."

Aber ich habe mich genug mit Mythen beschäftigt, um zu wissen, dass diejenigen, die heute am lautesten "Hosianna" schreien, vielleicht bald diejenigen sein werden, die als erstes skandieren werden "Kreuzige ihn!"

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Was ist Twitter?

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Tja, also
Twitter, das ist eine Art Kurzfernschreiber-Dienst im Internet. Da kann man sich dann gegenseitig followen, muss man aber nicht, und das ist das Schöne dabei. Können Sie mir soweit folgen?

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.. ist totaler Blödsinn .
Macht aber Spass.

:)

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Aha. So sms-mäßig?

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Ja, genau.
Nur 140 statt 160 Zeichen. Und der Rest der Welt kann auch mitlesen.

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Muss aber nicht.

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Stimmt,
und das ist einer der zentralen Vorteile. ;-))

Nee, ernsthaft. Ich finds interessant, wie meine Frau das nutzt. Aber bislang verspüre ich keinen dringenden Impuls, mitzuzwitschern. Lustigerweise ist es mit der Bloggerei grad andersrum: Das findet meine Frau aus Lesersicht irgendwie auch nicht unspannend, aber selber fühlt sie sich dazu nicht berufen.

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Die Möglichkeit des "geschützten Updatens" ist definitiv ein Vorteil. Zumindest für jemanden wie mich. ;) Deshalb ist es für mich auch überhaupt nicht erstrebenswert, viele "Follower" zu haben. Ich überschaue gerne, wer bei mir mitliest. Und das ist auch ein Grund, weshalb ich dort wesentlich aktiver bin als in meinem Blog, wo das nicht möglich ist.

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Klingt logisch.
Mit paar Links auf Ihre Augenfotos könnten Sie locker so viele Follower mobilisieren wie der falsche Dalai Lama, davon bin ich überzeugt. Und das ist dann auch der beste Grund, den Rollo untenzulassen, verstehe ich vollkommen. ;-)

Meine Frau, die sich da mehr aus beruflichem Interesse heraus tummelt, testet grade den offeneren Betrieb, aber paar Restbedenken bleiben natürlich immer, ob das das Richtige ist. Hängt aber auch vom jeweiligen Mitteilungsbedürfnis ab. Wem es überwiegend um Privates geht oder um permanente Abstimmung innerhalb eines Projektteams, dem würde ich auch eher dazu raten, den Vorhang zuzuziehen.

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