Samstag, 8. Februar 2014
Ctrl-Zugewinn
Hier noch ein kleiner thematischer Nachklapp zu meinem FAZ-Beitrag von neulich:
Tatsächlich glaubten viele von uns an die – von Leuten wie Steve Jobs propagierte – Vision, wonach der Zugang zu den jüngsten Technologien des Personal Computing uns Ermächtigung und Emanzipation zu bieten vermag. „Zugang zu Tools“ ist für viele Technologen in Kalifornien immer noch ein starker Slogan. Natürlich grenzte das schon immer an Idiotie. Die genannten Strukturen – vom Geld bis hin zur nationalen Sicherheit – sind niemals verschwunden; sie versteckten sich lediglich hinter der Fassade der „Digitalisierung“.

Dafür werden die Digitalisten ihn wieder hassen, den Evgeny Morozov. Aber wo er recht hat, hat er recht. Der SPD-Europapolitiker Martin Schulz fordert gar eine neue soziale Bewegung, die sich der drohenden Entwicklung hin einem digitalen Totalitarismus entgegenstellt. Aber vielleicht warten wir damit lieber noch, bis der Nachwuchs-Nietzsche unter den Netzphilosophen Michael Seemann sein von der Fachwelt dringend herbeigesehntes opus magnum "Das neue Spiel - Nach dem Kontrollverlust" fertig geschrieben hat und wir feststellen: Ist doch alles halb so wild, die Kontrolle ist gar nicht weg - es hat sie jetzt nur jemand anderes.

... link (30 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 5. Februar 2014
Aus den Betten, Ihr Blogger!


Wirklich überraschend kommt dieser Vorstoß nicht: Das Einbetten von Videos mit urheberechtlich geschütztem Material (wie zum Beispiel Musikclips auf Youtube) auf Websites soll kostenpflichtig gemacht werden. Einer entsprechenden Forderung der österreichischen Verwertungsgesellschaft AKM hat sich auch die GEMA angeschlossen. Zumindest sieht es derzeit nicht so aus, als würden auch Links zu entsprechenden Angeboten lizenz- und damit kostenpflichtig. Aber darauf wetten, dass das dauerhaft so bleibt, würde ich lieber nicht.

So ganz geheuer war mir das mit dem Einbetten von Musikvideos und ähnlichem aber auch schon vorher nicht mehr. Deswegen habe ich vor Jahren mal das ganze Dunkelkammer-Archiv durchgeforstet und sämtliche potenziell problematischen Einbettungen von der Matratze gestoßen. Das Lehrfilmchen für gotische Tänze, das ich hier dieser Tage präsentierte, lasse ich mal noch drin einstweilen, man hat ja schließlich auch einen Bildungsauftrag.

... link (28 Kommentare)   ... comment


Samstag, 1. Februar 2014
Ich klaube Ihnen kein Wort!
Sorry, aber wenn ich das Wort "verorten" lese, hör ich automatisch auf, weiterzulesen. Das schreibt der hier in der Nachbarschaft und in den FAZ-Blogs nicht ganz unbekannte Kommentator Klaus Müller aka Jeeves unter einen (wie ich finde überaus lesenswerten) Gastbeitrag einer Studentin in Don Alphonsos FAZ-Blog "Stützen der Gesellschaft".

Ich habe nicht nachgezählt, aber der Beitrag samt Einleitung des Gastgebers dürfte ungefähr 1.300 Wörter umfassen. Und wegen eines einizgen Wortes setzt es bei manchen Lesern so derart aus, dass die automatische Weiterlesesperre aktiviert wird? Im vorliegenden Fall wären noch etwa 1.000 Wörter bis zum Schluss des Beitrags zu lesen gewesen, aber sich da weiter durchzuquälen ist nach einer solchen semantischen Entgleisung natürlich nicht mehr zumutbar, schon klar.

Die Vorstellung, die Welt kranke am falschen Gebrauch von Worten, ist nicht nur in der westlichen Zivilisation tief verankert: "Wenn Du die Welt verbessern willst", so heißt es in einer Spruchweisheit von Konfuzius, "dann stelle zuerst die Begriffe richtig". Mir selber sind semantische Überempfindlichkeiten auch nicht völlig wesensfremd. Wenn ich jedesmal einen Leserbrief schreiben wollte, wenn irgendwo in der deutschen Medienlandschaft ein Sturmgewehr mit einem MG verwechselt wird (von weitergehenden Konfusionen im Zusammenhang mit "Maschinenpistole" will ich hier gar nicht erst anfangen), ich käme ansonsten zu nicht mehr viel.

Aber solche Fehler können passieren, und es ist auch klar, dass ein sprachlicher Missgriff wie "verorten" nochmal eine ganz andere (lies: schlimmere) Kategorie von Verfehlung darstellt. Der einschlägige Buchtitel "Dummdeutsch" von Eckhard Henscheid, auf den sich viele Sprachgebrauchskritikaster gerne beziehen, macht klar: Verhandelt wird hier nicht richtig oder falsch, vielmehr befinden wir uns in den Grenzscharmützeln um die dünn gestrichelte Linie, welche die wahrhaft Erleuchteten von den doofen Plapperern trennt. Und mit einem falschen Wort hat man sich da schon auf der falschen Seite, äh, verortet.

Aber nicht dass wir uns da falsch verstehen: Ich finde das Feld der Sprachkritik hochspannend, zumindest ein Stück weit. Und ich schließe diesen Beitrag mit dem offtopischen* Hinweis, dass diese nur mäßig sprachkritische Online-Präsenz heute ihren neunten Geburtstag feiert.

* Auch so ein blödes Wort, das es eigentlich gar nicht gibt...

... link (80 Kommentare)   ... comment