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Freitag, 19. Februar 2010
Exoskelettierte Erektionen eines Elektroniklurchs
mark793, 14:32h
Bevor ich zum Eigentlichen komme eins vorweg: Mit Bloggern aus dem Umfeld der Berliner Binär-Bohème pflege ich keinerlei Erzfeindschaft, dazu habe ich schlechterdings zu wenig Berührungspunkte mit diesem Paralleluniversum. Michael Seemann alias mspro ist mir da und dort als Mitdiskutant (und zwar keiner von der blöden Sorte) über den Weg gelaufen. Jetzt schreibt er ein Blog für die FAZ, im weitesten Sinne geht es da ums digitale Dasein, und wie uns das verändert.
Ein spannendes Thema also. Allerdings frage ich mich spätestens nach diesem Beitrag hier, was der Autor uns damit sagen will. Zugegeben, das Naheliegendste wäre gewesen, ihm diese Frage ebendort zu stellen. Vor das Kommentieren haben die FAZ-Techniker aber eine hohe Registrierungshürde gesetzt, über die ich mich jetzt nicht drüberkämpfen möchte (vor allem, wenn ich sehe, dass in den FAZ-Blogs von Andrea Diener und Don Alphonso Benutzername, E-Mail und falls vorhanden auch URL ausreichen als Mindest-Formalität zur Senfspende). So wird das nichts mit der projektierten Diskursmaschine.
Aber lesen wir einfach mal rein:
(...)Mein erstes Augmented Reality-Erlebnis hatte ich Anfang 2008 mit Twitter. Ich hatte mich für den Abend mit einem Freund verabredet. Ich stand am Kottbusser Tor und das ist kein besonders netter Ort, um dort auf jemanden zu warten. Seit Twitter aber hat man ja eine Wartebeschäftigung: Klar, man twittert, dass man wartet. "Warte auf x. Treffpunkt Kottbusser Tor. Na danke!", war der Tweet glaube ich. Es dauerte keine zwei Sekunden und es trudelte eine Nachricht des Nutzers Horax ein: "Fahre an mspro [Anmerkung von, ja, mir: das bin ich] vorbei." Ein paar Sekunden später dann die Nachricht von Nutzer Sebaso: "Fahre an mspro und horax vorbei." (Alle Zitate aus dem Kopf, ähh, reproduziert.)
Wir drei waren uns ganz nah. Ich stand da draußen am Kottbusser Tor, Horax fuhr mit der U-Bahn in die eine, Sebaso in die andere Richtung. Wir waren einander in Rufweite, ohne uns zu sehen. Trotzdem war es nicht abstrakt, nicht nur drei Punkte auf einer Karte, nicht einfach die in Kilometern abgetragenen Entfernungsinformation. Es war ein Moment der Nähe, ohne dass wir uns sinnlich wahrnahmen - doch, irgendwie ja schon auch sinnlich. Meine Twittertimeline wuchs mir in diesem Moment zu einem Sinn. Man nennt Augmented Reality ja auch nicht umsonst den "Sechsten Sinn".
Ich kann nur darüber spekulieren, was diesen Moment so greifbar machte, was diese Präsenz spürbar machte. Vielleicht weil ich nicht nur erfuhr, dass die beiden an mir vorbei fuhren, sondern ich auch expliziten kommunikativen Zugriff auf sie hatte, per Twitter. Und zwar in Echtzeit. (...)
Davon abgesehen, dass mir das Wort "Zugriff" in diesem Zusammenhang nicht einleuchtet (ich kenn das mehr so aus dem, ähem, Polizeifunk), bin ich versucht zu fragen: Ja, und? Was macht nun diese brunzbanale Begebenheit zu einem derartigen digitalen Damaskus-Erlebnis, dass die Welt danach nicht mehr ist wie sie vorher auch war? Und worin besteht jetzt noch mal genau der "Zugriff" auf irgendwelche zufällig vorbeifahrenden Mit-Twitteure oder Twitteusen?
Seemann bleibt bei dieser Episode freilich nicht stehen, sondern extrapoliert munter weiter, quirlt ein paar Buzzwords wie "hive mind", "Echtzeit" und "mentales Modell" dazwischen, und kommt zu dem Schluss:
Wir werden im Internet alle Teil des mentalen Exoskelettes des anderen sein. Es ist die individualisierte Entindividualsierung! (Über die schwierige Frage der Identität werde ich mich ein andermal tiefer auslassen.) Im Laufe dieser Verwandlung werden wir die Kontrolle über beinahe alles verloren haben, was wir selbst zu seien glaubten und von dem wir dachten, dass es unser natürlicher Besitz sei. Wir werden dafür eine völlig andere, ungekannte Kontrolle über beinahe alles andere gewinnen, eine durch und durch transparente Welt und ein damit einhergehendes Weltverständnis, das weit über alles ragt, was wir heute glauben, überhaupt wissen zu können. Das ist das, was ich heute, aus meinen Erfahrungen heraus, mich traue hier öffentlich zu prognostizieren.
Öha. Dann wünsche ich den Beteiligten schon jetzt viel Spaß im Borg-Kollektiv mit ihrer neugewonnenen Kontrolle über beinahe alles andere. Ich bin wirklich nicht sicher, ob ich das für einen guten Tausch halten soll und ob diese totale Transparenz im Datenraum in eine Welt führt, in der ich leben möchte. Wenn ich die Wahl habe zwischen einem FKK-Strand, wo alle nackig rumrennen und angestrengt so tun als mache das gar keinen Unterschied, und einem Strandabschnitt, an dem Bademode getragen wird, dann muss ich nicht lange überlegen, wo ich mich wohler fühle.
Ein spannendes Thema also. Allerdings frage ich mich spätestens nach diesem Beitrag hier, was der Autor uns damit sagen will. Zugegeben, das Naheliegendste wäre gewesen, ihm diese Frage ebendort zu stellen. Vor das Kommentieren haben die FAZ-Techniker aber eine hohe Registrierungshürde gesetzt, über die ich mich jetzt nicht drüberkämpfen möchte (vor allem, wenn ich sehe, dass in den FAZ-Blogs von Andrea Diener und Don Alphonso Benutzername, E-Mail und falls vorhanden auch URL ausreichen als Mindest-Formalität zur Senfspende). So wird das nichts mit der projektierten Diskursmaschine.
Aber lesen wir einfach mal rein:
(...)Mein erstes Augmented Reality-Erlebnis hatte ich Anfang 2008 mit Twitter. Ich hatte mich für den Abend mit einem Freund verabredet. Ich stand am Kottbusser Tor und das ist kein besonders netter Ort, um dort auf jemanden zu warten. Seit Twitter aber hat man ja eine Wartebeschäftigung: Klar, man twittert, dass man wartet. "Warte auf x. Treffpunkt Kottbusser Tor. Na danke!", war der Tweet glaube ich. Es dauerte keine zwei Sekunden und es trudelte eine Nachricht des Nutzers Horax ein: "Fahre an mspro [Anmerkung von, ja, mir: das bin ich] vorbei." Ein paar Sekunden später dann die Nachricht von Nutzer Sebaso: "Fahre an mspro und horax vorbei." (Alle Zitate aus dem Kopf, ähh, reproduziert.)
Wir drei waren uns ganz nah. Ich stand da draußen am Kottbusser Tor, Horax fuhr mit der U-Bahn in die eine, Sebaso in die andere Richtung. Wir waren einander in Rufweite, ohne uns zu sehen. Trotzdem war es nicht abstrakt, nicht nur drei Punkte auf einer Karte, nicht einfach die in Kilometern abgetragenen Entfernungsinformation. Es war ein Moment der Nähe, ohne dass wir uns sinnlich wahrnahmen - doch, irgendwie ja schon auch sinnlich. Meine Twittertimeline wuchs mir in diesem Moment zu einem Sinn. Man nennt Augmented Reality ja auch nicht umsonst den "Sechsten Sinn".
Ich kann nur darüber spekulieren, was diesen Moment so greifbar machte, was diese Präsenz spürbar machte. Vielleicht weil ich nicht nur erfuhr, dass die beiden an mir vorbei fuhren, sondern ich auch expliziten kommunikativen Zugriff auf sie hatte, per Twitter. Und zwar in Echtzeit. (...)
Davon abgesehen, dass mir das Wort "Zugriff" in diesem Zusammenhang nicht einleuchtet (ich kenn das mehr so aus dem, ähem, Polizeifunk), bin ich versucht zu fragen: Ja, und? Was macht nun diese brunzbanale Begebenheit zu einem derartigen digitalen Damaskus-Erlebnis, dass die Welt danach nicht mehr ist wie sie vorher auch war? Und worin besteht jetzt noch mal genau der "Zugriff" auf irgendwelche zufällig vorbeifahrenden Mit-Twitteure oder Twitteusen?
Seemann bleibt bei dieser Episode freilich nicht stehen, sondern extrapoliert munter weiter, quirlt ein paar Buzzwords wie "hive mind", "Echtzeit" und "mentales Modell" dazwischen, und kommt zu dem Schluss:
Wir werden im Internet alle Teil des mentalen Exoskelettes des anderen sein. Es ist die individualisierte Entindividualsierung! (Über die schwierige Frage der Identität werde ich mich ein andermal tiefer auslassen.) Im Laufe dieser Verwandlung werden wir die Kontrolle über beinahe alles verloren haben, was wir selbst zu seien glaubten und von dem wir dachten, dass es unser natürlicher Besitz sei. Wir werden dafür eine völlig andere, ungekannte Kontrolle über beinahe alles andere gewinnen, eine durch und durch transparente Welt und ein damit einhergehendes Weltverständnis, das weit über alles ragt, was wir heute glauben, überhaupt wissen zu können. Das ist das, was ich heute, aus meinen Erfahrungen heraus, mich traue hier öffentlich zu prognostizieren.
Öha. Dann wünsche ich den Beteiligten schon jetzt viel Spaß im Borg-Kollektiv mit ihrer neugewonnenen Kontrolle über beinahe alles andere. Ich bin wirklich nicht sicher, ob ich das für einen guten Tausch halten soll und ob diese totale Transparenz im Datenraum in eine Welt führt, in der ich leben möchte. Wenn ich die Wahl habe zwischen einem FKK-Strand, wo alle nackig rumrennen und angestrengt so tun als mache das gar keinen Unterschied, und einem Strandabschnitt, an dem Bademode getragen wird, dann muss ich nicht lange überlegen, wo ich mich wohler fühle.
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Mittwoch, 17. Februar 2010
Zwischenruf aus der Krypta
mark793, 13:31h
Bedenke, Mensch, dass Du Staub saugst und zum Staub zurückkehrst.
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Sonntag, 14. Februar 2010
Jeck, we can
mark793, 20:11h

Heute gab sich Familie Mark dann doch die Karnevalskante beim Veedelszoch und dem anschließenden Tonnenrennen in Niederkassel. Um das Fazit gleich vorwegzunehmen: eine sehr nette und familienfreundliche Veranstaltung, ein überschaubarer Zug mit ausreichender Kamelle-Ausbeute, soweit also alles danke der Nachfrage. Ich hatte mich in eine Mönchskutte gezwängt und mimte einen Bußprediger, allein mein mahnendes Mantra silete, silete, silentium habete stieß bei den närrischen Jecken überwiegend auf taube Ohren oder Unverständnis. Aber nachdem selbst die vielen japanischen Teilnehmer bützten, schwoften, "Helau" riefen und rumjeckten ohne Ende, gab ich meinen Widerstand auf und lockerte die Spaßbremse.
Und wo bleibt das Negative? Ausnahmsweise waren wir tatsächlich einmal gewillt, das Auto stehen zu lassen und dem ÖPNV eine Chance zu geben. Wie heißt es im Karnevalslied der Straßenbahner doch so schön:
In Düsseldorf da hält uns die Rheinbahn stets mobil
die fährt uns durch de janze Stadt, ejal zu welchem Ziel
met Bus, met U-, met Stroßebahn un met Philosophie:
Bei uns do kriste Anschluss - un dat mit Garantie!
Von wegen. Die Buslinie, die uns ohne Umsteigen von der Haustür bis zum Umzug gebracht hätte, verkehrt sonntags erst deutlich nach 13 Uhr, damit hätten wir es nicht rechtzeitig geschafft. Die andere Buslinie Richtung Neuss hätte einen Riesenumweg und dann noch zweimaliges Umsteigen im Schienenverkehr bedeutet. Und dabei reden wir von einer Strecke von vier oder fünf Kilometer Luftlinie, die mit dem Auto in zehn Minuten zu bewältigen ist.
Aber gut, seien wir realistisch, wahrscheinlich hätte ich auch ein Busticket nicht als Freifahrtschein betrachtet, mir an den Prosecco-Ständen und Altbier-Ausschankstellen die Lichter auszuschießen. Ich kann schließlich auch ohne Alkohol fröhlich sein - ich zeig das halt nicht gleich jedem. In diesem Sinne: Helau!
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