Montag, 7. Mai 2007
Blick zurück (fast) ohne Zorn
Tja, was soll man über Berlin noch groß Worte machen? Die Stadt ist großartig - und sie ist ganz grauenhaft, je nachdem, wohin man guckt. Ansonsten muss ich ganz nüchtern feststellen: Mit Kind und Köter im Schlepptau unternimmt man im Endeffekt doch weit weniger als man ursprünglich vorhatte, kulturell und sozial gesehen. Da wäre ein Zeitfenster gewesen, einen netten Bloggerkollegen in der Mittagspause auf einen Kaffee zu treffen, das fiel dann kurzfristig flach, weil die Kleine ad hoc ihren Mittagsschlaf vorverlegte. Zu dieser oder jenen kulturellen Lokalität gibt es mit Hund keinen Zutritt, im Auto kann man das arme Vieh auch nicht versaften lassen (Öffis? Vergessen Sie's mit Kinderwagen und dem ganzen Gelörre), was bietet sich also an? Richtig, die vielen Parks, Grünflächen und Spielplätze. Ich könnte nach den paar Tagen fast einen Stadtführer schreiben, der nur die Vorzüge und Nachteile der außerhäusigen Kinderbespaßungseinrichtungen thematisiert. Nach dem Motto, vergessen Sie die Seilbahn im ansonsten sehr schönen Volkspark Friedrichshain, dessen Spielplatz allerdings nicht mal eine Standard-Schaukel zu bieten hat. Dafür wird Ihr Nachwuchs weich landen, wenn er vom Balancierbalken kippt: Der Boden ist nämlich mit weichem Rindenmulch gut abgefedert. Aber das alles wissen die Ortskundigen unter meinen Lesern sicher alles noch viel besser als ich. Und die Nicht-Berliner-Leser mit Kindern werden ihre Hauptstadt-Aufenthalte sicher besser planen als ich.

Eigentlich wollte ich hier auch gar nicht lange rumjammern über mein selbstgewähltes Schicksal als Papi und Hundehalter (jaaa, ich hab den Spruch von W.C. Fields, von wegen, wer Hunde und kleine Kinder nicht mag, früher auch immer sehr gern zitiert). Sondern noch ein paar Worte verlieren über ein Event im Berliner Umland, über das sich auch Kurt Tucholski schon mal ausgelassen hat: das Baumblütenfest in Werder. Ich muss dringend mal nachlesen, was der dicke Berliner mit der genialen Schreibe vor etlichen Jahrzehnten über dieses Fest berichtet hat. Unsere Eindrücke (da spreche ich auch im Namen meiner Frau) sind jedenfalls durchaus zwiespältig. Am frühen Nachmittag ließ sich das Ganze noch sehr schön an: all die vielen Obstwein-Stände, offenen Gärten und Fressbuden mit lokalen Spezialitäten, dazwischen spazierten gut gelaunte und überwiegend nette Menschen in der Frühlingssonne herum. Von der Anhöhe hat man einen wunderbaren Blick auf die Havel, und selbst die Uffta-Uffta-Hits von Antenne Brandenburg, die einen Teil des Festgeländes beschallen, konnten die Laune kaum trüben.

Wie das dann allmählich kippte, kann ich gar nicht so genau sagen. Vielleicht stieg mit sinkender Nachmittagssonne das durchschnittliche Promilleniveau der Besucher, oder es war einfach eine andere Klientel, die allmählich die Besuchermehrheit oder Lufthoheit übernahm: junge Typen mit ganz wenig oder kaum Haaren auf dem Kopf, nölend, grölend, Tätowierungen überwiegend in Frakturschrift, die breitbeinig und ellbogenbetont durch die Menge pflügten. Es lag zunehmend latente Gewaltbereitschaft in der Luft, vereinzelt ist auch "Sieg Heil"-Gebrüll zu vernehmen gewesen. Die Landes- und Bundespolizei war zwar sehr stark präsent. Anscheinend rekrutieren die dortigen Ordnungskräfte aber bevorzugt die gleiche Sorte Redneck-Hackfressen mit hoch anrasiertem Haaransatz, von daher hat das massive Polizeiaufgebot unser subjektives Sicherheitsgefühl nicht nachhaltig zu steigern vermocht.

Gute Freunde hatten uns vorher den Rat gegeben, der Veranstaltung spätestens um 18.00 Uhr den Rücken zu kehren und Land zu gewinnen. So machten wir bereits um kurz nach fünf kehrt, ohne die schöne Insel noch gesehen zu haben. Und je länger wir auf dem Rückweg zum Auto durch dieses Fascho-Hool-Pack mitsamt seinen brunzblöd glotzenden und unförmigen Walkürenweibern schieben mussten, desto mehr wuchs mein Stolz auf die 50 Prozent meiner nichtdeutschen Herkunft.

Und eins hat mir dieser kleine Abstecher in den Osten auch mal wieder vor Augen geführt: Ich bin ein Wessi und irgendwie noch nicht so recht in Gesamtdeutschland angekommen. Es ist nicht so, dass ich irgendwie stolz drauf wäre, ein Wessi zu sein. Es ist ja nicht mein persönlicher Verdienst gewesen, dass der Zufall mich seinerzeit auf der westlichen Seite des Eisernen Vorhangs plazierte. Aber ich bin verdammt froh darum. Froh auch darum, wieder am Rhein zu sein. Und sogar froh, dass es heute regnet - und den märkischen Sand vom Darkmobil herunterwäscht.
Einfach so.

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