Mittwoch, 2. Juli 2014
My -ism beats your -ism. Not.
Ein Fundstück aus der Obdachlosenzeitung "fiftyfifty":
Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.
Hatte ich zwar schon mal gehört, aber der Verfasser dieser Sentenz war mir bis dato unbekannt. Hätten wir diese Wissenslücke also nun auch gestopft: Es war der Ökonom John Maynard Keynes (der nebenbei bemerkt auch den vielzitierten Satz "Langfristig gesehen sind wir alle tot" prägte).

Ein entsprechendes Pendant seines kapitalismuskritischen Spruchs zum Kommunismus wäre noch zu texten. Ich gebe mal einen Versuch vor, weitere Vorschläge sind willkommen:
Der Kommunismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus vorgeschobenen altruistischen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.
Lässt sich vielleicht auch auf weitere -ismen übertragen.

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Dem möchte ich entgegenen, was schon Marx im Manifest über die Kommunisten sagte:

"Sie stellen keine besonderen Prinzipien auf, wonach sie die proletarische Bewegung modeln wollen ...

Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von diesem oder jenem Weltverbesserer erfunden oder entdeckt sind. Sie sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unseren Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung."

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Es gibt Obdachlosenzeitungen? Von Obdachlosen für Obdachlose oder wie?

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@barlex95:
Vielleicht ist dieser Gattungsbegriff missverständlich. Näheres dazu hier. Oben im Beitrag ist überdiesdas fifty-fifty-Heft verlinkt, da findet sich sicher auch Näheres zu Konzeption und Zielsetzung.

@cut: Oha - ein Kommentar, auf den ich nicht qua Schnellschuss antworten möchte. Ich erbitte etwas Geduld.

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@cut: Das Problem ist: Die "tatsächlichen Verhältnisse" sind das eine (und bei Licht besehen ja auch nur Scheinobktivitäten) und die theoretischen Ableitungen und Postulate daraus etwas anderes. Mit ihren Versuchen, das eine mit dem anderen zu verquicken, schenken sich Marxisten und die Marktanbeter meines Erachtens wenig bis gar nichts.

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Ich musste in der Schulzeit ja einmal ein Refarat über Adam Smith halten, der ja den "trickle-down-Effekt" beschrieben hat. Dazu hat der Papst kürzlich zurecht festgestellt, dass dies ein "undifferenziertes, naives Vertrauen auf die Güte derer aus[drücke], die die wirtschaftliche Macht in Händen halten, wie auch auf die vergötterten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems" darstellt. Gibt es also nicht.
An alle früheren FDP-Wähler: gibt es nicht!

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Es gibt überhaupt keinen Altruismus. Es gibt Belohnungsmechanismen, Biochemie. Der eine fühlt sich mit diesem gut, der anderen mit jenem. Alles eine Frage der Drüsenfunktion. Was der Mensch tut, tut er für sich, auch wenn er es vermeintlich für andere tut. Deshalb sind Motive auch ganz unwichtig, wichtig ist nur, was dabei heraus kommt.

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@kreuzbube: Ganz richtig. Deshalb wird es auch nie eine Gesellschaft geben, die komplett nur für das Allgemeingut sorgt.
Man braucht quasi die ganzen Arschlöcher, damit man sich abheben und "was Gutes tun" kann.

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Und überhaupt
http://www.youtube.com/watch?v=jwv5oQPlrbw&feature=youtu.be

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Ich hatte noch überlegt, da oben "dem Gemeinwohl dienlich" statt "altruistisch" zu schreiben, denn streng genommen ist der Kommunismus ja keine altruistische Veranstaltung.

@rocky raccoon: Es gab - ohne dass ich dem katholischen Kirchenoberhaupt in dem Punkt widersprechen wollte - durchaus fundiertere Analysen, die den trickle-down-Effekt als Mythos entlarvten. Das hat sich aber in Liberallala-Kreisen leider noch nicht flächendeckend herumgesprochen.

Ich will indes nicht ausschließen, dass es solche Effekte je gegeben hat, aber bei der massiven Umverteilung von unten noch oben, wie sie seit den 80er Jahren in Gange ist, trickelt da nicht mehr viel.

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Ich bin ja Fan von John Rawls "Eine Theorie der Gerechtigkeit." Er ist kein Kommunist, aber wenn ich seinen Grundgedanken richtig verstanden habe, muss man sich bei allem denken, man hätte auch als ein anderer, als der andere geboren sein können.
Zitat aus Wikipedia zu John Rawls: "Demnach sind gesellschaftliche Ungleichheiten nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit sie dem am schlechtesten gestellten Mitglied noch zum Vorteil gereichen."

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Den anderen
auf diese Weise mitzudenken, ist mit Sicherheit nicht verkehrt. Ganz au fond läuft es wahrscheinlich auch auf die goldene Regel hinaus: "Was Du nicht willst, das man Dir tu..."

Rawls Postulat geht aber, wenn ich es richtig verstehe, noch einen Schritt darüber hinaus. Wobei ich mich natürlich auch frage, wo die Grenzen dieses Ansatzes sind. Und damit meine ich jetzt nicht "hätte, hätte, Fahrradkette", sondern Situationen, in denen einem konkret Unrecht widerfährt, was soll mir das dann sagen, dass ich auch als der andere hätte geboren sein können? Muss ichs deshalb klaglos erdulden? Ohne echte Wiedergutmachung verzeihen?

Ich glaube, ich muss mich zu dieser Theorie mal ein bisschen aufschlauen.

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Im Persönlichen ist es wirklich sehr schwer ohne Wiedergutmachung zu verzeihen. Ich versuche trotzdem mich da an einen Satz zu halten, den ich vor dem Tilman Riemenschneider-Altar in Rothenburg ob der Tauber mitgenommen habe. "Vergebung lässt neu leben."
Im Mittelschrein des Altars ist die Szene des ersten Abendmahls dargestellt. Jesus sitzt mit seinen Jüngern am Tisch. ... Die tragische Gestalt des Verräters Judas hat der Künstler in die Mitte gestellt. ... Auch Petrus hat Jesus in jener Nacht verlassen und verleugnet.
Man nimmt übrigens an, dass Tilman Riemenschneiders Hände verstümmelt wurden, als er wegen Unterstützung der aufständischen Bauern 1525 gefoltert wurde.

Heilig-Blut-Altar

"Schnitzarbeit von Tilman Riemenschneider (1500-1504)
Brot für den Verräter
Beim letzten Mahl mit seinen Jüngern nimmt Jesus einen Bissen Brot und sagt: Wem ich den Bissen gebe, der wird mich verraten. Die Jünger erstarren vor Schreck. Sie fragen: Bin ich's? In der Mitte steht der Verräter Judas mit dem Beutel Geld in der linken Hand. Ihm reicht Jesus das Brot. Judas verdeckt Johannes, der im Hintergrund auf dem Schoß Jesu ruht. (Joh. 13, 21-26)
Der Meister aus Würzburg verwendet weiches Lindenholz und verzichtet auf bunte Bemalung. Er läßt an der Schrein-Rückseite Glasfenster einbauen."
Text: Gabriele Burmann. Ev.-Luth. Pfarramt Rothenburg o.d.T.

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Und dabei ...
... sind es doch gerade die "sozial schwachen Schichten", denen mangelhaftes soziales Verhalten unterstellt wird.

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