Donnerstag, 20. Juni 2013
...und vergib unseren Mitverschuldigern
An und Pfirsich für sich halte ich den Fahrradhelm für eine nützliche Sache. Und zwar nicht nur im Verkehr, sondern in besonderen Einzelfällen auch zuhause - etwa bei der Lektüre eines derart abstrusen Urteils, angesichts dessen ich enorme Mühe habe, nicht mit dem Kopf auf die Schreibtischplatte zu knallen.

Worum gehts? Da wurde eine Radfahrerin von einer unachtsamen Autofahrerin, die ohne zu gucken ihre Autotür aufreißt, zu Fall gebracht. Die Folge: schwere Schädel-Hirnverletzungen, zwei Monate Krankenhausaufenthalt mit anschließender ambulanter Weiterbehandlung. Die Sache landete vor Gericht, und das sprach der zu Fall gebrachten Radfahrerin jetzt ein Mitverschulden an ihren schweren Kopfverletzungen zu, weil sie keinen Helm getragen habe. Zwar gebe es keine allgemeine Helmpflicht für Radfahrer, diese Maßnahme zum Eigenschutz hätte die verunfallte Radfahrerin aber billigerweise ergreifen können, und aufgrund dieser Unterlassung wird ihr nun vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ein Mitverschuldensanteil von 20 Prozent angerechnet.

Nun gut, dies ist eine Einzelfallentscheidung, wir haben hier in Deutschland auch kein Präzedenzfallrecht, das künftige ähnlich gelagerte Rechtsstreitigkeiten zu ähnlichen Urteilen zwingen würde, aber wenn diese Rechtsauffassung Schule macht, stehen uns interessante Zeiten bevor. Angenommen, ein Fußgänger tritt bei grüner Fußgängerampel auf die Straße, woraufhin ihm ein bei Rot durchkesselender PKW mehrere Zehen zermatscht, dann muss der verletzte Fußgänger mit mindestens 10 Prozent Mitverschuldensanteil rechnen, weil er keine Stahlkappenschuhe getragen hat. Zwar gibt es keine allgemeine Pflicht zum Tragen von Stahlkappenschuhen, aber dass diese das Verletzungsrisiko der Füße signifikant senken, darf als unstrittig gelten. Wer also zumutbare Schutzmaßnahmen zur eigenen Sicherheit unterlässt, den trifft im Schadensfall dann das, war Juristen "Verschulden gegen sich selbst" nennen.

Was ich solchen Juristen, die solche Skandalurteile fällen, an ihre Schädel wünsche, möchte ich an dieser Stelle übrigens lieber verschweigen - aus juristischen Gründen...

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Angeblich gab es in einem Land (Spanien?) mal folgende Regelung: KFZ hat immer Vorfahrt vor Fahrrad. Das soll in regelrechte Jagdszenen ausgeartet sein.

Bei nur 20% Mitverschulden wird sich niemand bewusst den Spaß machen, mal ganz spontan eine Autotür aufzureißen, und doch ...

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Das Ding ist ja, wenn man es unbedingt versicherungs- und autofreundlich entscheiden wollte, hätte man ein Mitverschulden der Radfahrerin eventuell auch über den Mindestabstand zu den parkenden Autos konstruieren können. Wobei ja auch jeder Radfahrer weiß, was man sich für Überholmanöver und Verunglimpfungen einhandelt, wenn man versucht, dauerhaft außerhalb der Autotürreichweite parkender Fahrzeuge zu fahren.

Ich bin ja in anderen Lebenslagen selber Autofahrer und entsprechend auch wenig aufgelegt zu ideologischen Grabenkämpfen. Aber was wirklich aufgebrochen werden muss ist die vermeintliche Selbstverständlichkeit, mit der sich der motorisierte Individualverkehr das unveräußerliche Vorrecht in allen Verkehrslagen herausnimmt. Völlig frei von diesen Prägungen bin ich selber auch nicht, aber ich arbeite dran...

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Das geht doch schon damit los, wie wenige Autofahrer überhaupt wissen, dass sie beim Abbiegen Radfahrer durchlassen müssen. In meiner Heimatstadt gibt es sehr viele Radfahrer und dementsprechend sicher kann man sein, dass man an einer Kreuzung nicht umgenietet wird, wenn man geradeaus weiterfährt, aber hier in der weitaus radfahrerärmeren Großstadt muss man vor jeder Einbiegung paranoid über die Schulter kucken, um sicherzugehen, dass man nicht umgefahren wird. Wobei mir ohnehin schleierhaft ist, wie ein Autofahrer, der an einem Radfahrer vorbeifährt, ebendiesen Radfahrer 20 m weiter an der Kreuzung/Einmündung schon wieder vergessen haben kann. Solche Leute sollten generell mal über ihre Fahrtauglichkeit nachdenken. (Ich habe auch eine Kollegin, die regelmäßig erstaunt ist, was ihre Kinder in der Fahrschule alles lernen. Sehr viele Sachen hätte völlig falsch gemacht.) Die hiesigen Radfahrer sind an diese Zustände sogar so gewöhnt, dass es mir jetzt schon mehrfach passiert ist, dass ich Radfahrer, die auf dem Radweg rechts neben mir fuhren, über die Straße winken musste, weil einfach nicht losfahren wollten, bevor ich abgebogen war. (Es passiert hier auch immer wieder, dass man als Radfharer dafür angehupt wird, dass man auf der Straße fährt, obwohl doch ein Fußweg - aber weit und breit kein Radweg! - in der Nähe ist. Einmal habe ich es sogar erlebt, dass ein Radfahrer prophylaktisch angehupt wurde, als er aus einer kleinen Straße an die Kreuzung heranfuhr, auf der der Hupende fuhr).

In Schweden war das glaub ich, wo es so gehalten wird, dass Autofahrern bei Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern grundsätzlich eine Teilschuld zugesprochen wird, weshalb die dortigen Autofahrer im Regelfall einen weiten Bogen um Radfahrer und Fußgänger machen.

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Das geht doch schon damit los, wie wenige Autofahrer überhaupt wissen, dass sie beim Abbiegen Radfahrer durchlassen müssen.

Schwer zu sagen, in wie vielen Fällen da Nichtwissen der Grund fürs Fehlverhalten ist. Hier in der Stadt darf man dieses Wissen eigentlich halbwegs flächendeckend voraussetzen, aber trotzdem besteht hohes Risiko, umgenietet zu werden, weil man schlicht übersehen (oder sollte ich lieber sagen: ausgeblendet) wird. Wer selber halbwegs bewusst Auto fährt, wird nicht leugnen können, dass sich am Steuer die Wahrnehmung dahingehend verengt, dass sich das Augenmerk hauptsächlich auf andere motorisierte Fahrzeuge konzentriert, und Artfremdes/Langsameres es schwerer hat, überhaupt wahrgenommen zu werden. Und wenn, ist es halt eine Störung des Betriebsablaufs.

In den Niederlanden ist es wohl ziemlich tabu, Radfahrer anzuhupen, habe ich mir sagen lassen. Ob das mit der automatischen Teilschuld dort auch so ist, weiß ich nicht (de facto wahrscheinlich schon). Ob das der Weg ist, den ich auch für hier empfehlen würde, schwer zu sagen. Solche Automatismen haben bisweilen die Tendenz, den Blick auf das Spezifische des Einzelfalls zu verstellen.

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Obwohl hier viele Räder unterwegs sind, es eine radweg gibt und dieser radweg auf meine "Stammstrecken" Vorfahrt hat, bremse ich an den nicht beampelten Straßen ab. Den usus ist, daß die Autofahrer aus diesen Straßen herausschießen und erst auf dem FußRadweg anhalten und gucken, ob sie weitrfahren können.
"Sie hatte Vorfahrt" ist nämlich ein besenkelter Spruch für den Grabstein.

Und selbst wenn es nicht ganz so lethal endet, sondern nur schmerzhaft oder mit Radverlust: rehct haben ist die eine Sache, den Ärger danach die andere.

Gelegenheitshelmträgerin- längere Haare und Helme sind so ein Dauerthema, daß ich noch nicht völlig bearbeitet habe.

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Ich bin sehr enttäuscht, so einen inkompetenten Hetzbeitrag in übelster Springer Manier Aufregung schürend hier im Darkroom zu lesen, wo doch eigentlich das Niveau ein ganz anderes ist. Sehr Schade. Aber es ist halt einfacher, an die niedrigen Instinkte zu appellieren, wenn man selbst Null Ahnung von der Materie hat und sich auch nicht die Mühe machen will, seine seine laienhaften Rechtsansichten (gesundes Volksempfinden) mal vom Fachmann sachlich evaluieren zu lassen.
Man könnte auch das Urteil und seine Begründung vielleicht sachlich diskutieren und hinterfragen im Lichte des deutschenSchadenersatzrechtes, nach Kenntnis des genauen Sachverhaltes des Verkehrsunfalles.

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Ehrlich gesagt hatte ich einen ähnlichen Einwand schon antizipiert (wenn auch nicht von Ihnen und auch nicht so diplomatisch formuliert).

Nun, da mir keine Akteneinsicht gewährt wurde (und ich auch keinen Auftrag als Prozessbeobachter hatte), muste ich mit den Informationen über den Unfallhergang vorlieb nehmen, welche die Pressesprecherin des OLG Schleswig freundlicherweise der Allgemeinheit zur Verfügung stellte. Daraus geht der Unfallhergang einigermaßen deutlich hervor, wenngleich aufgrund der Kürze der Darstellung natürlich noch Fragen offen bleiben.

Fühlen Sie sich ausdrücklich ermutigt, sich zum unbezahlten Büttel der Assekuranzwirtschaft, der Automobillobby und staatlich bestallten Rechtsverdrehern zu machen Sachargumente vorzubringen und vielleicht noch, wenn Sie Zeit und Lust haben, paar metajuristische Grundlagen des Schadensersatzrechts beizusteuern.

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Nun, wahrscheinlich wird das Urteil demnächst vollständig mit Tatbestand und Gründen veröffentlicht und dann sicher auch besprochen werden.
Möglicherweise wird sich auch noch der BGH mit der Sache befassen.
Jedenfalls eine rechtsdogmatisch interessante Entscheidung; es gibt Entscheidungen mit umgekehrtem Tenor zum Mitverschulden bei fehlender Schutzkleidung des Motorradfahrers.
OLG Nürnberg 3 U 1987/12
Es gibt jedenfalls derzeit kein allgemeines Verkehrsbewusstsein, dass das Tragen von Motorradschuhen zum eigenen Schutz eines Motorradfahrers erforderlich ist. Daher ist ein Mitverschulden eines verletzten Motorradfahrers, der im Unfallzeitpunkt Sportschuhe trug, aus diesem Grunde zu verneinen.(Rn.17)

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Wenn die Ziffernfolge 1987 im Aktenzeichen gleichbedeutend ist mit der Jahreszahl, dann liegt das Beispiel schon ganz schön lange zurück. Inzwischen dürfte sich sowohl das allgemeine Verkehrsbewusstsein als auch die einschlägige Spruchpraxis eher in Richtung "mehr Selbstschutz" entwickelt haben, vermute ich.

Es hat mich dieses aktuelle Urteil aber noch aus einem weiteren Grund hochgradig irritiert, den ich oben in meinem Beitrag noch gar nicht angerissen habe: So ist die Frage nach den segensreichen Wirkungen des Helms insgesamt nämlich keineswegs so eindeutig positiv beantwortet wie es aus diesem Urteil anklingt. Wobei ich mal wohlwollenderweise davon ausgehe, dass in dem konkreten Rechtsstreit tatsächlich ein Gutachter glaubhaft darlegen konnte, dass die erlittenen Kopfverletzungen der Unfallgegnerin mit Helm weniger schwerwiegend ausgefallen wären.

So gesehen mag es unfair von mir sein, eine solche Einzelfallentscheidung vor allem im Hinblick auf ihre potenziell fatale gesamtgesellschaftliche Signalwirkung einzuordnen und jenen Faktoren, die in diesem konkreten Fall eine solche Entscheidung nahelegten, womöglich zu wenig Beachtung geschenkt zu haben. Aber dafür gibt es hier ja die Kommentarfunktion. Vor dieser Kammer, der Dunkelkammer, muss sich keiner eine Robe umhängen, um mit einem begründeten Einspruch Gehör zu finden.

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Die Jahreszahl ist immer die hinter dem Schrägstrich. Also hier genauso wie bei dem von Ihnen kritisierten das Jahr 2012.

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Büttel
Ändern wir doch den Sachverhalt ab, ohne dass es die Rechtsfrage ändert:
Die 14jährige Marquisette793 fährt auf ihrem JugendRaleigh volle Kanne über eine rote Ampel und kollidiert mit der der unbehelmten Radfahrerin F. Gleiche Verletzung wie im Ausgangsfall. Der Vater Mark ist grundsätzlicher Gegner von Versicherungen und hat keine Privathaftpflicht. Da schlägt der Anwalt vor, wegen des fehlenden Helmes der F. einen Mithaftungseinwand entgegenzuhalten, damit das 14 jährige Kind wenigstens vielleicht in 20 Jahren seine Schulden los sein wird. 20% weniger macht bei einigen 10tausend Euro Schadenersatz schon was aus.
Hier ist keine Automobillobby und keine Assekuranz im Spiel.

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Schwieriges Thema. Ich finde das Urteil so abstrus nicht. Es wird ja nicht gesagt, dass die Radfahrerin 20 % Mitschuld hat. Dann müsste Sie ja auch mit 20 % am Autoschaden beteiligt werden, was ja bizzar wäre. Nein, geurteilt wurde doch folgendes: Der eigene Personenschaden ist durch den Verzicht auf einen Helm höher als er mit Helm gewesen wäre (kann man anzweifeln, scheint mir aber nicht ganz abwegig). An den erhöhten Krankheitskosten wird die Radfahrerin mit 20 % beteiligt, was aber deren Krankenversicherung übernehmen dürfte (diese wendet keine grobe Fahrlässigkeit ein: ich bin auch versichert, wenn ich bei rot über die Ampel laufe und angefahren werde). Materiell wirkt sich das Urteil nur auf das Schmerzensgeld aus, welches hierzulande ja immer nur in bescheidenem Maße zugesprochen wird. Trotzdem: das Urteil wird in einer höheren Instanz wohl kassiert werden (und ich fahre weiterhin ohne Helm, wenn die Kinder nicht dabei sind). Denn ansonsten werden ja Türen geöffnet, die man nicht mehr zubekommt (Dein Stahlkappenbeispiel...)

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Künftige Maßnahmen zum Eigenschutz:

Fußgängern, die bei Eis- und Schneeglätte keinen Helm tragen, wird ein 20 %iges Eigenverschulden angerechnet. Das Verzichten auf einen Schutzhelm, dessen Tragen zwar nicht gesetzliche Pflicht ist, das die Schwere der Verletzungen jedoch gemindert hätte, muss bei den Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen berücksichtigt werden.

Radfahrer, die Wirbelsäulenverletzungen davontragen, weil sie ohne Rückenprotektoren fahren, obwohl diese sowohl im Motorradhandel als auch im MTB-Downhillbereich erhältlich sind, müssen sich ebenfalls eine Minderung ihrer Ansprüche gefallen lassen. Gleiches gilt für das Fahren ohne Hüft- und Schulterprotekoren, soweit Hüft- und Schulterprellungen oder -brüche eintreten.

To be continued...

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Ja, ja, das sind die Türen, die man vielleicht nicht mehr zu bekommt. Trotzdem erscheint mir der Helm beim Fahrradfahren naheliegender, angemessener zu sein, als die weiteren denkbaren Beispiele. Wie gesagt: schwieriges Thema.

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Ich reklamiere diesbezüglich keinen Expertenstatus, habe gerade erst angefangen, mich in die Helmthematik mit ihren Pros und Contras einzulesen. Aber selbst wenn ich es jetzt mal als gegeben erachte, dass der Plastikdeckel bei einer gewissen Sorte von Impacts die Schwere von Schädel-Hirn-Verletzungen abzumildern vermag, würde ich von der medizinisch-juristischen Einzelfallbetrachtung gerne etwas wegkommen und den Blick auf den gesamtgesellschaftlichen Kontext der Helmfrage lenken.

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Ich bin ja leidenschaftlicher Motorradfahrer und USA Reisender und kombiniere beides gerne.
Dort ist ja die Helmdiskussion seit Jahrzehnten im Gange und ist auch in den verschiedenen Bundesstaaten unterschiedlich geregelt.
Ich bin da uch für mehr Freiheit aber gleichzeitig auch für dann erhöhte Selbstverantwortlichkeit, was ggf. eben mit der negativen Konsequenz einer Mithaftung einhergehen soll. Denn warum sollte die Gesellschaft pekuniär dafür aufkommen, wenn der einzelne eine mögliche Schutzmaßnahme nicht ergreift.

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Denn warum sollte die Gesellschaft pekuniär dafür aufkommen, wenn der einzelne eine mögliche Schutzmaßnahme nicht ergreift.

Dann müßten wir generell auch über Extremsportarten reden. Oder andere Arten fahrlässiger Lebensführung. (Diese Diskussionen gibt es ja, aber wohin soll das führen?)

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kid37,
ich bezog meine Aussage immer noch auf den Ausgangsfall und den Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten, der durch die Mithaftung gemindert wird. Und das betrifft dann meist nicht den einzelnen Schädiger alleine, sondern die Versichertengemeinschaft.
Das andere Thema der gefährlichen Sportarten oder ungesunden Lebensführung ist sicherlich schwieriger zu fassen. Sachen wie Rauchertarife oder höhere Krankenkassenbeiträge für Fallschirmspringer sind wegen der Abstraktheit der Gefährdung dann doch nochmal etwas anderes.

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Was mir in letzter Zeit immer häufiger auffällt, sind die Radfahrer, die mit Warnwesten unterwegs sind. Das kann doch auch nicht die Lösung sein, dass die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer sich (tagsüber!) in Warnfarben anmalen müssen, um noch wahrgenommen zu werden. Das wäre nämlich auch so eine von den Türen, die man nicht mehr zubekommt - Autofahrer hat Radfahrer nicht wahrgenommen, Radfahrer hatte keine Warnweste an, also ist der Radfahrer doch irgendwie selbst Schuld, denn er hätte ja beim Wettrüsten um die grellste Warnfarbe mitmachen können.

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don ferrando, es gibt gegen alles eine mögliche Schutzmaßnahme, wo soll da die Grenze gezogen werden? "Wettrüsten" nennt muerps es ganz treffend. Das führt dazu, dass ich irgendwann überhaupt nicht mehr zivil gekleidet Rad fahren kann.

Die Sache ist ganz einfach: Solange der Gesetzgeber eine Schutzvorrichtung nicht vorschreibt, kann das Fehlen selbiger dem Einzelnen nicht zur Last gelegt werden.

Spinnen wir das doch weiter: Ich fahre einen Oldtimer, der keinen Airbag hat. Mit der gleichen Argumentation könnte mir vorgehalten werden, dass der zwar nicht Pflicht sei, er aber meine schwere unfallbedingte Verletzung gemindert hätte. Sprich: Wer ein Auto fährt, dass den möglichen Sicherheitstandards nicht entspricht, muss auf einem Teil des Schadens sitzen bleiben.

Ich habe da eine ganz klare Haltung: Solche finanziellen Belastungen muss die Gesellschaft aushalten, um nicht jeden individuellen Freiheitsraum zusammenschmelzen zu lassen.

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@muerps: Das ist es, worauf ich hinauswill. Wie sehr wir es schon verinnerlicht haben, die Reduzierung des hauptsächlich von Motorfahrzeugen ausgehenden Risikos immer mehr auf die nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer abzuwälzen.

Ein Kollege und ehemaliger Schulkamerad hat mal ein TV-Interview geführt mit einem Österreicher, die die These vertrat, das Auto sei ein Parasit, das sein Wirtstier, den Menschen schon so verändert habe, dass er es gar nicht mehr merkt. Leider ist das nicht ganz von der Hand zu weisen, und wie gesagt, ich selber nehme mich da auch gar nicht aus. Mal gucken, ob ich das Video noch finde.

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In der Zeit war das glaube ich, wo es kürzlich einen sehr guten Artikel gab über die Selbstverständlichkeit, mit der seit rund 100 Jahren angenommen wird, dass Straßen ausschließlich dem Auto gehören. Ein Punkt in diesem Artikel war, dass man Radwege (und selbst Fußwege, die der vorgeschriebenen(!) Breite von 1,50m entsprechen) im Regelfall nur dann durchkriegt, solange die Straße dadurch nicht schmaler wird.

Ich finde auch, dass diese ganzen Eigenschutzdiskussionen zu sehr auf Schönwetterradfahrer abzielen. Es gibt auch Leute, für die ist das Rad das Hauptverkehrsmittel (ÖPNV nicht existent, weite Wege, Auto oder Führerschein zu teuer...) - diese Leute müssen sich viel mehr mit den Gegebenheiten arrangieren als jemand, der nur sommers über mit dem Rad auf Arbeit fährt. (Fahren Sie mal bei -15°C im Winter - da haben sie die Wahl zwischen abgefrorenen Ohren mit Helm oder dicker Wollmütze ohne Helm.)

Wenn man diesen Eigenschutz weiter treibt, müsste man irgendwann dem ADAC konsequenterweise verbieten, im Winter in Staus warmen Tee auszugeben - die Autofahrer wussten schließlich, dass sie im Winter fahren, also hätten sie sich selber ein Thermoskännchen einpacken können. Bei langen Fahrten machen das die Leute durchaus (sinnvollerweise, weil man durch die längere Strecke ein größeres Risiko hat, mal im Stau zu landen), aber wenn jemand 50km zur Arbeit fährt ist das durchaus verständlich, dass sich diese Person nicht jeden Tag eine Thermoskanne voll Tee kocht, um sie für den Fall der Fälle im Auto mitzunehmen.

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"Die Sache ist ganz einfach: Solange der Gesetzgeber eine Schutzvorrichtung nicht vorschreibt, kann das Fehlen selbiger dem Einzelnen nicht zur Last gelegt werden."

Hm. Da bin ich nicht so sicher: keiner verbietet es mir vor, die Haustür offen zu lassen, wenn ich einkaufen gehe. Trotzdem erleide ich Nachteile, wenn es zum Diebstahl in der Wohnung kommt.

Keiner verbietet es mir, mein Auto mit heruntergekurbeltem Fenster irgendwo nachts stehen zu lassen. Letztens habe ich aber gelesen, dass die Polizei ein solches -ansonsten korrekt geparktes- Auto hat abschleppen lassen wegen Diebstahlschutz. Und natürlich musste der Halter das bezahlen, obwohl er nichts Verbotenes getan hat.

Man wird immer die Verhältnismäßigkeit betrachten müssen. Niemand wird eine Helmpflicht für Fußgänger fordern, aber bei Radfahrern mag das schon anders aussehen.

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Mitverschulden § 254 BGB
" §254 beschränkt die Ersatzpflicht des Schädigers, wenn bei der Entstehung oder der Entwicklung des Schadens ein "Verschulden" des Geschädigten mitgewirkt hat. Dieser Begriff wird in §254 in einem weiteren uneigentlichen Sinn gebraucht. Da die Rechtsordnung die Selbstgefährdung und Selbstschädigung nicht verbietet, bedeutet Verschulden iSd §254 nicht -wie sonst- eine vorwerfbare, rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht; Verschulden iSd §254 ist vielmehr der vorwerfbare Verstoß gegen Gebote des eigenen Interesses, die Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit; es handelt sich um ein "Verschulden gegen sich selbst".
§254 beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadenersatzanspruchs hinnehmen muss."

Palandt, 11. Aufl., §254 Rdnr.1

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Das Auto als Parasit: das gilt ja nicht nur für das Fahren an sich. Nur als ganz kleines Beispiel: was empfiehlt man Leuten, deren Straße von Jahr zu Jahr mehr befahren wird? Schallschutzfenster.

Wenn ich mir diese kleinteilige Diskussion hier anschaue und mir dann vorstelle, das Prinzip Auto würde heute erfunden. Hätte es die Chance auf Genehmigung?

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Der fehlende Airbag, der fehlende Protektor: gebotene Sorgfalt außer acht gelassen? Eine gegenüber sich selbst bestehende Obliegenheit verletzt?

Wenn nein, warum nicht? Die Logik hinter der Argumentation ist die gleiche.

Mir geht es nicht darum darzustellen, wie Juristen Paragraphen auslegen, da reiht sich dann Worthülse an Worthülse. Das ist ja nur die kleine Ebene, die der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung dazu. Bekanntlich kann man ja aber mit einem Federstriche ganze Regale voller juristischer Literatur zur Makulatur machen. Von einem Tag auf den anderen wertlos. Die Diskussion muss sich daher immer auf einer anderen Ebene bewegen: Was ist sinnvoll? Diese Frage lässt sich nicht mit dem Hinweis auf einen Paragrapen beantworten.

Der Gesetzgeber verzichtet darauf, eine Schutzvorkehrung zur Pflicht zu machen. Der verunfallte Bürger soll dann im Prozess herausfinden müssen, was von ihm zu verlangen gewesen wäre?

Oh, gleich Wochenende! Jetzt aber schnell den Helm aufsetzen und ab ins Café.

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Wieso Café?
Heim in die Backstube.
Vielleicht steht Don Ferrando um vier vor der Tür !

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Ich gehe da ganz mit dem Kreuzbuben konform: Wie sehr soll man sich eigentlich schützen? Bedeutet das, dass man sich ohne jegliche Form von Protektoren zukünftig nicht mehr vor das Haus zu wagen hat, weil einem das im Fall eines Unfalls als Fahrlässigkeit bzw. Verschulden gegen sich selbst ausgelegt werden kann?

Aus gutem Grund ist auf Autobahnen das Fußgehen und Radfahren verboten. Das ist nachvollziehbar, weil dies Straßen sind, die darauf ausgelegt sind, dass auf ihnen schnell gefahren wird, und wo schnell gefahren wird, sind die Möglichkeiten, auf plötzliche Probleme adäquat zu reagieren, geringer.

Städte dagegen betrachte ich als einen Verkehrsraum, den sich Autofahrer nun einmal mit Fußgängern und Radfahrern zu teilen haben, und da ist Rücksichtnahme angebracht. Es ist in der Tat ein Gebot des gesunden Menschenverstandes, dass man schaut, wo man hingeht, in wessen Bahn hinein man eine Autotür öffnet, wessen Wege man kreuzt. Ein Schulterblick kann doch nicht so schwer sein.

Wenn die Autos den Straßenverkehr zunehmend dominieren und damit eben auch andere Verkehrsteilnehmer gefährden, dann kann der Schluss daraus nicht sein, dass man den Leuten sagt, sie sollen sich in Watte packen oder bitte gleich ganz zu hause bleiben. Dann wäre es angebracht, über andere Verkehrskonzepte nachzudenken, die den schwächeren Verkehrsteilnehmern mehr Raum bieten. Das ist zum Teil geschehen, als die Fußgängerzonen aufkamen und die Innenstädte für Autos zum Teil ganz geschlossen wurden. An ein entsprechendes Konzept für Radfahrer hat man leider nicht gedacht. Und das, wo sich allenthalben über CO2-Ausstoß und Bewegungsmangel der Menschen beklagt wird. Es gibt Situationen und Orte, da würde auch ich es vermeiden, auf ein Fahrrad zu steigen, weil die Umgebung einfach radfahrerfeindlich ist.

Dazu fällt mir in meinem ganz persönlichen Erleben auf, dass es hauptsächlich ziemlich große, voluminöse Autos sind, mit denen ich häufig auf Kollisionskurs komme. Lange Motorhaube, hoher Sitz, viel Blech um sich herum - da verliert man schon mal so ein bisschen das Gefühl für seine Umwelt. Ist das jetzt polemisch? Mag sein.

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Zur Diskussion steht ja - soweit ich das hier überblicke - nicht der betreffende Paragraph oder dessen zugrundeliegendes Rechtsprinzip, sondern in erster Linie die Einzelfall-Entscheidung, welche Maßnahmen zum Selbstschutz als so selbstverständlich gelten können, dass ihre Unterlassung ein "Verschulden gegen sich selbst" darstellt. Da sind wir beim Stichwort "Verhältnimäßigkeit", das Rocky Raccoon hier ganz zu Recht ins Spiel gebracht hat. Das fiktive Beispiel der Stahlkappenschuhe mag uns heute überzogen scheinen, aber das ist die Richtung, in die es unweigerlich gehen wird, wenn diese Spruchpraxis weiter Schule macht.

@ilnonno: Ist es nicht sehr erhellend, wenn man die Verkehrspolitik der letzten 100 Jahre samt ihrer Auswirkungen mal unter dieser Prämisse betrachtet?

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@sturmfrau: Ebend. Interessante Beobachtung übrigens, Ihre beobachtete Häufung von Konflikten mit Piloten bestimmter Fahrzeugklassen. Könnte ich aus eigenem Erleben so stark nicht korrelieren, allerdings stelle ich bei mir eine erhöhte Konfliktwahrscheinlichkeit fest, wenn der Fahrer einem bestimmten Typus von "alter Sack" zuzuordnen ist. ;-)

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Glücklicherweise sind die gesetzlichen Regelungen noch überwiegend abstrakt generell und erfahren in ihrer Anwendung auch neue Auslegungen. Das gilt hier für den 254 BGB genauso, wie für andere Regelungen.
Wenn dann die Gesetzeslage gar nicht mehr mit den gesellschaftlichen Entwicklungen zusammenpasst, kommt es auch zu von der Mehrheut befürworteten Gesetzesänderungen.
Wenn man daran denkt, seit wann erst z.B. Homosexualität nicht mehr strafbar ist und inwieweit sich in den letzten Jahren die Rechtslage hier geändert hat.
Nichts anderes ist es doch auch mit dem Fahrradhelm; wer hätte denn 1969 gedacht, dass heute der Helm als allgemein geeigntes Schutzmittel angesehen wird und die Nichtbenutzung so kritisch gesehen wird, daß es zu einem Urteil wie dem des OLG SH kommt.
Natürlich kann und soll man es hinterfragen und die Entwicklung dieser Rechtsprechung kritisch begleiten oder eben sogar völlig ablehnen. Glücklicherweise ist das auch öffentlich ohne Sanktionsangst möglich.
Mir ging es aber vorallem und das "wie"!
Und das erinnerte mich eben an den politischen Aschermittwoch in Passau!

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Wäre es nicht viel naheliegender, den Autofahrern alle zwei Jahre eine Prüfung abzuverlangen? Um einen großen Teil des Unfallproblems beim Verursacher anzupacken, statt die Leidtragenden mit Vorschriften zu traktieren. Dann hat man entweder sehr viel weniger Autofahrer (=reduziertes Unfallrisiko) oder besser geschulte (=reduziertes Unfallrisiko).

Dieser Gedanke dürfte allerdings ziemlich weit oben auf der schwarzen Liste der Tabuthemen stehen. Die Fahrlehrer scheinen von Hobbylobbyisten vertreten zu werden.

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Es wäre schon viel wert, wenn Autofahrer wenigstens alle 5 (oder sogar 2) Jahre einen Sehtest ablegen müssten. Ich kenne leider zu viele Autofahrer, die selber sagen, dass sie kaum noch was sehen, aber trotzdem Auto fahren ("Ich fahr ja nur dort lang, wo ich mich auskenne"). Falls ihnen mal jemand entgegenkommt, der fast auf dem Mittelstreifen fährt, ist das höchstwahrscheinlich so ein Blindfisch, da sich viele schlecht sehende Autofahrer am Mittelstreifen ausrichten, den man durch den Hell-Dunkel-Wechsel recht gut sehen kann.

Der nächste Schritt mit der Nachprüfung wäre natürlich noch schlechter durchzusetzen. Auch da kenne ich aber zu viele Beispiele (die weiter oben erwähnte Kollegin z.B., die keine Vorfahrtsfrage aus dem Fahrschulbuch ihres Kindes richtig beantwortet hätte, oder eine Bekannte meiner Eltern, die von vielen Straßengattungen nicht die richtige Höchstgeschwindigkeit kennt, sondern nur die Werte, die damals bei ihrer Führerscheinprüfung galten). Es gibt leider eine Gruppe Autofahrer, die sich nach einer einmal bestandenen Fahrprüfung nie wieder nach irgendwelchen Änderungen in der StVO erkundigen.

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@muerps: Hm, ich bin da ehrlich gesagt etwas zwiegespalten. Die wirklich wichtigen Basics der StVO gehen in dem Wust der vielen Fragen der theoretischen Fahrprüfung völlig unter. Von daher sehe ich nicht so recht den Sinn darin, die Leute immer wieder diesen ganzen Plumperquatsch bimsen zu lassen, vor welcher Bake eines unbeschrankten Bahnübergangs ein Gespann mit doppelachsigem Wohnwagen zu warten hat, wenn gleichzeitig ein Fußgänger mit Handkarren links abbiegen möchte. Da müsste man bei Nachprüfungen m.E. anders priorisieren, und zudem spräche dann auch nicht viel dagegen, das wichtigere Zeugs im Rahmen einer allgemeinen Verkehrsteilnehmer-Nachprüfung abzufragen, zu der meinetwegen auch Fußgänger und Radfahrer herangezogen werden.

Ehrlich gesagt behagt mir auch der Gedanke einer ständigen Sehtestpflicht nicht so recht, wenngleich ich konzdiere, dass der Gedanke nicht ganz reizlos ist, auf diesem Weg eine Reihe von Blindfischen aus dem Verkehr zu ziehen. Grundsätzlich stört mich aber die gesamtgesellschaftliche Tendenz, dem Einzelnen in allen möglichen Lebenbereichen immer mehr Beweislast aufzudrücken, wo es bislang die Behörden sind, die Zweifel - etwa an der Eignung einer Person mit Führerschein, ein Fahrzeug zu führen - gut begründen müssen.

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Ja klar, die Nachprüfungen sollten dann viel mehr auf aktuelle Änderungen fokussiert sein, eben weil die viel mehr unter den Tisch fallen (auch wenn sie jedes Mal in der Tagesschau gezeigt werden und man sie auch online leicht findet).

Priorität hat für mich wie gesagt der Sehtest. Oberhalb eines gewissen Alters hat man es da nämlich auch mit Leuten zu tun, die selber den Führerschein nicht abgeben möchten ("Ich bin 70 Jahre unfallfrei in mein Schrebergärtchen gefahren!"), obwohl es ihnen die Verwandtschaft schon deutlich nahe legt. Da würde die verwandtschaft das Näherrücken des Sehtests womöglich ersehnen.

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Sehtest und Fahrtauglichkeitsprüfung alle paar Jahre sind eine gute Idee.

Sehstärken verändern sich, Brille tragen beim Autofahren muß aber nur bei wem sie im Führerschein eingetragen ist.
Die geistige Flexibilität, die Autofahren erfordert, ist keine Altersfrage.
Auch den Erste-Hilfe-Kurs sollte man regelmäßig auffrischen.

Alles in allem gute Idee!

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Ich bin ja auch etwas überrascht über diesen Beitrag. Man mag den Helm ja noch nicht unbedingt als Standard akzeptieren, aber dass er das schlimmste Verletzungsrisiko verringert, ist doch nun jedem klar. Daher ist das Urteil mehr als naheliegend, wenn auch nicht zwingend.

Und dass man zumindest zu einem gewissen Maße für seine eigene Unversehrtheit auch bei Fremdverschulden verantwortlich ist, sollte auch einleuchten und mit vielen "Motorrad-Beispiel" deutlich werden.
Und wenn jemand partout barfuss über den proppenvollen Wochenmarkt schlendern will, muss sich nicht wundern, dass es weh tut, wenn ihm mal jemand auf den Zeh tritt.

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@kristof:
Sooo klar ist das ehrlich gesagt gar nicht mehr, wenn man anfängt, mal ergebnisoffen der Fragestellung nachzugehen, gegen welche Arten von Verletzungen der Fahrradhelm wirksam schützt und wo er nur Verletzungsrisiken in andere Körperregionen (Kieferbereich, Wirbelsäule) verlagert. Habe wie gesagt selber grade erst angefangen damit, mal Befunde und Expertisen zu dem Thema zu sichten. Das ergibt durchaus ein vielschichtiges Bild. Vielleicht komme ich dazu, in den nächsten Tagen bisschen was zusammenzutragen, vielleicht sogar im Rahmen eines FAZ-Blogbeitrags, mal gucken.

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Naja, das ist dann eher eine Gratwanderung, bzw. Grenzenziehung.

Aber ich bin gespannt auf die Argumente. Mein Wissensstand ist bisher, daß gegen Helm hauptsächlich spricht, daß die Leute dann einfach noch weniger Radfahren. Die Schutzfunktion würde ich intuitiv nie in Frage stellen.

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Ich auch nicht, selbst wenn sich der tatsächliche Nutzen in Grenzen halten sollte (eine einigermaßen differenzierte Einlassung dazu findet sich hier). Ich habe mich mühsam an den Deckel gewöhnt, nicht zuletzt, um der Vorbildfunktion für Töchterlein gerecht zu werden, ich habe der marquise793 einen geschenkt, farblich passend zum Damenrad und einem Ton-in-Ton-Trikot, da werd ich doch jetzt nicht ins Lager der Helmgegner überlaufen. Aber von einer Helmpflicht - und sei es durch die Hintertür des § 254 BGB - halte ich wenig bis gar nichts.

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Hm, der verlinkte Artikel mag mich nicht ganz umstimmen. Ich lerne vor allem:
- Fahrradhelme kann man noch verbessern, so dass sie mehr Energie absorbieren bei schweren Unfällen.
- Downhill-Deppen und Rennradfahrern ist ohnehin nicht zu helfen ;)
- Es gibt noch gefährlichere Sportarten als Brötchenholen mit dem Rad: Pferdereiten z.B.

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Umstimmen war auch überhaupt nicht mein Ziel. Wenn mit dem Deckel auf dem Deez das subjektive Sicherheitsempfinden steigt (und bei mir tut es das trotz alledem), ist doch schon was gewonnen.

Dass Helmtragen zur Raserei auf dem Rad verleite, wie der Onkel Doktor in dem Interview insinuiert, halte ich im Übrigen für ziemlichen Quark hochspekulativ. Ich denke nicht, dass sich irgendjemand sagt, haha, jetzt habe ich einen Deckel auf, da kann ich ja jetzt reintreten wie blöd. Im Zweifelsfall läuft das doch eher andersrum, dass man feststellt, hoppla, inzwischen bin ich doch ganz schön schnell geworden, vielleicht sollte ich meiner Rübe jetzt auch so eine Hartschale gönnen.

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Als ich einen meiner wenigen Fahrradunfälle hatte (Mercedes nahm Vorfahrt, ich stieg über seine Motorhaube ab), sagte der Arzt was von "gut, daß sie keinen Helm getragen haben" weil der Helm das Abrollen erschwert hätten und dann kann die Wirbelsäule was abkriegen. Auch unschön.

Nun ist das ein paar Jahre her und seitdem hat sich wahrscheinlich viel auf dem Helmsektor getan, aber das Argument leuchtet mir immer noch ein.

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Es ist mir unverständlich, dass das Thema "Autofahrer räumt beim Türöffnen Radfahrer ab" so lange ohne Hinweis auf Major Kottans Assistenten Schrammel besprochen werden kann.

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Haha! Ja.

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@ilnonno: Danke fürs Erinnern, das war mir gar nicht mehr so präsent (wie überhaupt meine Erinnerung an diese Sendereihe doch recht lückenhaft ist).

Hier ein paar Szenen mit der Autotür.

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In Hot Fuzz wird diese Technik dagegen zur Verbrecherbekämpfung genutzt: http://www.youtube.com/watch?v=06ZnMnc7WKc&t=5m24s.

(Ich sage Ihnen, Wells, der Ort in dem Hot Fuzz gedreht wurde, ist wahnsinnig hübsch - extremst idyllische Landschaft, viel und große Gotik, nicht weit bis nach Bath...)

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Wenn man in den verlinkten Ausführungen der Ärzte liest,

"Woran könnte es liegen, dass der Verletzungsgrad mit und ohne Helm bei unseren Patienten gleich verteilt erscheint? Analysiert man die Unfallhergänge mit Helm und die Verletzungsmuster in der Computertomografie, so lässt sich feststellen, dass zwar Frakturen und offene Schädelverletzungen mit Helm seltener sind, dass aber schwerste Gehirnerschütterungen und Einblutungen ins Gehirn mit und ohne Helm gleich verteilt sind"

und dann darauf verwiesen wird, das Motorradhelme besser schützen, dann liegt es doch nahe, mit Motorradhelm Rad zu fahren, wenn man sich kein Mitverschulden anrechnen lassen will. Lediglich einen Fahrradhelm zu tragen, scheint recht fahrlässig zu sein und Fahrlässigkeit sollte dem Juristen Anlass bieten, mal gleich ein paar Prozente abzuziehen.

Ich glaube in Australien hatte man mal Ergebnisse der Helmpflicht ausgewertet: Es sind anschließend sehr viel weniger Leute Fahrrad gefahren. Wundert mich nicht. Die alten Damen, die hier ihr Rad vorm Friseursalon abstellen, würden nach ihrem dortigen Besuch und frisch frisiert niemals was aufs Haar setzen. Aber diese kleinen Niederungen der Menschlichkeit sieht man von hoch droben, von der Richterbank aus, vielleicht gar nicht mehr.

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Kreuzbube,
Es muss schon ein kausaler Zusammenhang zwischen der Verletzung und dem fehlenden Helm bestehen.

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Ach was... ;-)

So wie bei der Schadensschätzung, bei der man sich damit begnügt, dass in der Gesamtschau die Umstände mehr für als gegen eine Tatsache sprechen?

Interessieren würde mich ja der Inhalt des Sachverständigengutachtens, denn der Richter sollte sich ja auf diesem Feld nicht eigene Sachkunde angemaßt haben. An diesem Punkt wird es nämlich spannend, weil Denkgewohnheiten durchgerüttelt werden.

Mir ist nun schon verschiedentlich begegnet, dass man sich über den tatsächlichen Schutz durch den Helm nicht zweifelsfrei im Klaren ist. Es würde mich interessieren, auf welche Erkenntnisse der gerichtlich bestellte Sachverständige sich bezogen hat und vor allem, welchen Helm er fiktiv herangezogen hat, um festzustellen, welche Verletzungen bei dessen Tragen ausgeblieben wären. Es wird meist völlig übersehen, was ein Fahrradhelm überhaupt nur bieten soll:

"Fahrradhelme sollen Radfahrer bei Unfällen um 20 km/h schützen, das ist ungefähr die Geschwindigkeit, mit der ein durchschnittlicher Radfahrer unterwegs ist. Bei einem Zusammenstoß mit einem Auto, das eine Geschwindkeit von 40 km/h hat, entstehen Kollisionskräfte, die zehnmal höher sind als die Norm. Deshalb bieten Fahrradhelme mit durchschnittlichen Dicken keinen Schutz bei Unfällen mit motorisiertem Verkehr."

http://www.rad-spannerei.de/blog/2012/03/02/warum-fahrradhelme-nicht-die-verletzungsgefahr-von-radfahrern-reduzieren/

Hier gibt es das ganze viel viel ausführlicher. Das Fazit scheint auf den ersten Blick für den Laien verwirrend: Der Fahrradhelm bringt nicht viel, sobald es um höherer Geschwindigkeiten geht, vor allem, wenn motorisierter Verkehr beteiligt ist.

Zugleich wird die Sache weitergesponnen, denn eine Schweizer Arbeitsgruppe spricht auch den Ärzten die Kompetenz ab, die Frage der Verhütung von Unfallfolgen durch das Tragen eines Helms bewerten zu können:

"Die Schweizer "Arbeitsgruppe für Unfallmechanik" veranstaltete 2008 ein Seminar "Biomechanische Gutachten in Strassenverkehr und Sport" Darin heißt es: "Diese Statements zeigen, dass nun auch aus medizinischer Sicht anerkannt wird, dass die Beurteilung des Unfallereignisses nicht in die Hand des Arztes gehört." In diesem Seminar wird dargelegt, dass Ärzte nicht über die nötigen Kenntnisse der Biomechanik verfügen, um überhaupt eine Feststellung über die Wirkung eines Helms bei einem Unfallopfer zu machen."

Hier eröffnet sich ein weites Feld der Diskussionen. Ob der Richter sich damit tatsächlich befasst hat, wenn auch der Anwalt des Geschädigten es vielleicht versäumt hat, diesbezüglich ausreichend vorzutragen? Möglicherweise hat der Richter ja auch nur das gemacht, was er gerne macht: Eine Sachverständigen bestellt und dann dessen Ergebnis zu seinem Urteil gemacht. Das spart enorm Arbeit: "...wie der Sachverständige xyz in seinem überzeugenden Gutachten festgtellt hat."

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Kaffeesatzleserei.
Wissen wir eben alles nicht. Mal abwarten, wenn das Urteil vollständig in Juris abrufbar ist.
Bin gespannt, ob es rechtskräftig wird.

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Man sollte vielleicht tatsächlich eher veröffentlichungen von Unfallforschern abgrasen, da diese Leute reale Unfälle analysieren, und zwar nicht irgendwann nachträglich-theoretisch, sondern in situ (ich habe eine Zeit lang in der Nähe der Unfallforschung der TU Dresden gewohnt - war immer ein ganz schönes Tatütata). Diese Präsentation (tatsächlich sind Helmträger hier 3 km/h schneller, auch wenn das als nicht signifikant eingestuft wird) fasst schon einiges zusammen, aber es gibt sicherlich noch Veröffentlichungen in Peer-Review-Journalen.

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§§§ Nachtrag §§§
So exotisch ist das skandinavische Modell einer grundsätzlichen Mitschuld des Fahrzeugführers übrigens nicht. Ich hatte den Verdacht, dass das im Prinzip hier auch so gehandhabt werden könnte, wusste aber nicht so recht den juristischen Begriff. Jetzt gab es hierein Urteil gegen die Rheinbahn, das genau in diese Richtung geht: Ein 14Jähriger war ohne zu schauen auf das Gleis gelaufen und zu Tode gekommen, und obwohl der Zugführerin kein konkretes Verschulden attestiert wurde, sprach das Gericht ihr mit Verweis auf die "allgemeine Betriebsgefahr", die abstrakt von jedem Kraftfahrzeug ausgeht, ein Mitverschulden zu.

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Verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung
haben wir natürlich auch im Straßenverkehrsrecht

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Ein Mitverschulden wird ja gerade nicht festgestellt, sondern "lediglich" eine Mithaftung (ohne Verschulden also), weil die Rheinbahn generell auch Vorteile aus der grundsätzlich gefahrgeneigten Beförderungstätigkeit zieht. Die Bestimmung ist so verwunderlich nicht: man würde dem Betreiber eines Atomkraftwerkes auch nicht gerne ein Verschulden nachweisen müssen, wenn es in die Luft fliegt (was wohl noch andere, größere Probleme mit sich bringen würde). Oder, wenn das Pferd austritt. Oder die Gasleitung undicht wird. Oder halt, wenn man Auto fährt und in einen Personenschaden verwickelt wird.

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Ah, ja. Und hier noch was zum allgemeinen und besonderen Betriebsrisiko, wie es sich hier an bestimmten Hot-Spots der Verbundgemeinde darstellt:
Was [Name eines städtischen Mitarbeiters] viel mehr Sorgen macht, sind Mütter, die ihre Kinder morgens in die Grundschule bringen und seiner Ansicht nach viel zu schnell über den Dr.-Vorname-Nachname-Platz fahren. Da es sich meist um größere Geländewagen handele, sei das wirklich gefährlich, so [Nachname].

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Sind die Initialen des städtischen Mitarbeiters etwa R.M.?
:-)

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Typische Probleme, wenn man im Speckgürtel einer ´eh schon reichen Landeshauptstadt wohnt ;-) Aber ernsthaft: früher, als wir noch im Nachbarörtchen wohnten, stach das wirklich in´s Auge: die Porsche-Cayenne und Audi Q7-Dichte morgens auf dem Kindergarten-Parkplatz. Genauso auffällig wie ein älterer roter Kadett...

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@don ferrando: Hab jetzt extra nochmal nachgeguckt und einen Fehler in meinem Kommentar entdeckt: Die Beobachtung stammte nicht von einem städtischen Mitarbeiter, sondern von einem Taxiunternehmer, der auf dem besagten Platz seinen Standplatz hat. Namensgleichheiten und andere frappante Ähnlichkeiten mit bekannten Bloggern kann man da wohl ausschließen. ;-)

Aber wie der Kommentar unseres ehemaligen Fast-Nachbarn Rocky Raccoon zeigt: Die Luxusprobleme in den Westvierteln des alten Westens gleichen sich, da schenken sich Rhein und Donau nicht viel. Hier war es im Kindergarten sogar so, dass selbst die beiden Bälger einer, öhm, Leistungsbezieherin jeden Morgen mit einer ziemlich neuen E-Klasse abgeliefert wurden...

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§§§Nachtrag§§§
Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen!

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@don ferrando:
Haben Sie dazu vielleicht einen Link parat?

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Sorry, muß ich recherchieren.
Hatte das Urteil in der NJW (print) gelesen.

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Habe Ihnen pm gesandt

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Ah, vielen lieben Dank!

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In dem Thema ist noch Luft drin
Was mir in letzter Zeit immer häufiger auffällt, sind die Radfahrer, die mit Warnwesten unterwegs sind. Das kann doch auch nicht die Lösung sein, dass die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer sich (tagsüber!) in Warnfarben anmalen müssen, um noch wahrgenommen zu werden.

Auch orangefarbene Autos werden im November besser gesehen als Darkmobile!

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Das stimmt,
aber ich knausere im Auto auch nicht mit Akkuleistung für die Beleuchtung. ;-)

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http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bundesgerichtshof-auch-ohne-radhelm-voller-schadenersatz-12995198.html

Als notorischer Helmverweigerer freut mich das natürlich.
Allerdings werde ich nach 2 Unfällen in diesem Jahr mit Rippenbrüchen (niemand ausser mir beteiligt) und Muskelfaserriss (von Pedelec-Rentner abgeräumt) doch langsam weich.

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Auch wenn ich normalerweise mit Helm pedaliere, registriere ich dieses Urteil mit Genugtuung. Tatsächlich hatte ich inständig gehofft, dass der BGH dieses Schandurteil vom OLG in Schleswig-Holstein kassiert.

Dass der Helm nur gegen einen kleinen Teil der drohenden Gefahren wappnet, ist mir durchaus bewusst. Sagen wirs mal so, ich trage ihn nicht zuletzt für die Gemütsruhe der marquise793. ;-)

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