Dienstag, 4. Juni 2013
RTF Rund ums Neandertal - der Tourbericht


"Wie wollt Ihr Euch denn erkennen in dem Gewusel am Start?", hatte meine Frau noch am Vorabend der Radfundfahrt gefragt. Das würde sich schon finden, gab ich zurück, im Wilden Westen trugen die Leute ja auch keine Visitenkarten mit sich herum. Ah, ein langhaariger Ureinwohner im Fransenanzug mit einem silberbeschlagenen Schießprügel? Dann muss das Winnetou sein.

So lief das dann auf dem Startgelände auch: Ich sah das auffällige Mirage-Mehrzweck-Kampfflugzeug angehobbelt und folgerte messerscharf, da kann Herr Cut nicht weit weg sein. Und Bingo, so war es, und bei der Gelegenheit lernte ich auch gleich Aphro Child kennen, der bei Herrn Cut als Gastautor seine unnachahmlichen rad-iologischen Fahrberichte verfasst. Meine strategisch gut geparkte Rakete erregte derweil das Interesse eines Herrn in einem grün-schwarz-gelben Trikot, das ich schon mal irgendwo gesehen hatte. Sein Radlerkollege mit den strammen Waden musste dann ja wohl der Wanderersmann Herr Prieditis sein, und damit war unser Team auch schon vollzählig. Letzte Formalitäten wie Startkarte holen und Rückennummer am Trikot festtackern, und dann ging es auch schon auf die Strecke.

Recht schnell hatten wir uns auf eine moderat-angenehme Geschwindigkeit eingegroovt. Mal zog sich das Grüppchen weiter auseinander, dann pedalierten wir wieder mehr auf Tuchfühlung. Auf den schmalen Wirtschaftswegen östlich von Knittkuhl gab es dann die ersten nennenswerten Steigungen zu bewältigen. Der Schrauber meines Vertrauens hatte mich ja im Vorfeld schon instruiert, dass Gruppenfahren eine ganz eigene Dynamik hat. Da man als Ungeübter ständig darauf achtet, dass der Abstand zum nächsten Hinterrad stimmt und dass niemand zurückbleibt, bleibt zum einen weniger Zeit zum In-die-Landschaft-Gucken, zum anderen fokussiert man auch nicht so sehr auf das eigene Gekurbel wie beim Alleinfahren. Es fährt sich also in der Gruppe kurz gesagt mit einem ganz anderen Raum- und Zeitgefühl.

Aber auf Höhenmeter und Steigungsprozente gibt es im Pulk keinen Gruppenrabatt, und zwischen Alt-Erkrath und Hochdahl war dann erstmals ziemlich ausdauernder Druck auf die Pedale gefordert. An beeindruckendsten gelang dies Herrn Cut, der sich und sein MBK-Stahlross mit einer geschätzten 52/20-Übersetzung (die einem Miguel Indurain würdig gewesen wäre) den Anstieg hinaufwuchtete. Zum Vergleich: Ich weicheierte dort mit 42/26 hoch (und war schon froh, dafür nicht das kleine 30er-Kettenblatt zu brauchen).

Vom ersten Verpflegungs- und Kontrollpunkt in Hochdahl ging es dann ohne besondere Vorkommnisse auf einer langen Geraden an Haan-Gruiten vorbei Richtung Wuppertal-Vohwinkel. Irgendwo auf den kleinen Sträßlein in der Nähe von Schöller musste ich aufgrund eines Plattens den Betrieb aufhalten (Abbildung ähnlich):



Ich will mich jetzt nicht übermäßig loben, aber ich glaube, schneller als da habe ich noch nie eine Reifenpanne am Hinterrad behoben. Wobei mich der Kollege Kreuzbube beim Aufpumpen noch tatkräftig unterstützte. Als ihm nicht viel später die Kette vom Ritzel sprang, konnte ich mich nicht revanchieren, er hatte das ganz fix selber wieder eingerenkt. Weitere Defekte oder Ausfälle waren nicht zu beklagen.

Landschaftlich ging es jedenfalls sehr schön weiter, die ganze Ecke Hahnenfurter Weg-Schöller-Dornap-Düssel-Aprath bot eine sehr abwechslungsreiche Strecke - inklusive etlicher Höhenmeter. Ich machte Zwischenstopp an einer Tanke, um dort den Reifendruck des Hinterrads wieder auf 9 bar zu bringen und kämpfte mich dann wieder an die Gruppe heran. Und kurz darauf standen wir bildlich gesprochen im Wald. Genauer gesagt an einem Kreisverkehr kurz vor Wülfrath, der keinerlei Wegweiser aufwies, in welche Richtung es weitergehen sollte. Ich hatte die Strecke von 2011 als Kartenausdruck zur Groborientierung dabei, aber eine Garantie, dass es auch heuer wieder rechts abging und nicht hinein nach Wülfrath, hatten wir nicht. Es war Aphro Child, der uns schließlich überzeugte, es zu versuchen, und tatsächlich wurden wir in der eingeschlagenen Richtung fündig mit den nächsten RTF-Richtungspfeilen, die uns dann zum letzten Kontrollpunkt leiteten.

Gut verpflegt und mit aufgefüllten Trinkflaschen nahmen wir das letzte Viertel der Rundfahrt unter die Räder. Die immer wieder lose rumflatternde Rückennummer, die ich in bestimmten Abständen mit akrobatischen Verrenkungen während der Fahrt fixieren musste, hielt mich davon ab, allzulange am Stück den Gedanken nachzuhängen, ob wir nicht vielleicht doch die 115-Kilometer-Runde hätten fahren sollen. Die letzten Anstiege zwischen Homberg, Metzkausen und Mettmann führten mir vor Augen, dass ich in Sachen Höhenmetern bereits gut bedient war und mit der Zusatzschleife rund um Neviges, Langenberg und Tönisheide in den Beinen wohl nicht mehr so wohlgemut gewesen wäre gegen Ende der Tour.

So stieg ich denn mit meinen Mitstreitern in Mettmann angekommen sehr zufrieden vom Rad - wenngleich die innere Lenorfrau ganz tief drin leise Zweifel wisperte, ob ich mich denn auch ausreichend verausgabt hätte. Um es rundheraus zu sagen: Nein, habe ich nicht, aber das war auch nicht der Punkt, um den es ging. Diese Gruppenfahrt mit ein paar Zeitgenossen, die ich bis dato nur lesenderweise kannte (und wertschätze), hat mir so viel mehr gegeben als den wohligen Erschöpfungszustand, in den ich mich auch sehr gut alleine reinstrampeln kann. Ich sage an dieser Stelle dem Kreuzbuben herzlichen Dank, dass er zu dieser Teamfahrt aufgerufen hat, an Aphro Child, der sich als Wertungskartenfahrer und Marathonist nicht zu fein war, mit uns normalsterblichen Trimmradlern zu pedalieren, und ganz besonders auch an die RTF-Debütanten Cut und Prieditis, die eine wirklich beeindruckende Leistung gezeigt haben. Um es im Ebayer-Jargon zu sagen: Gerne wieder!

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