Mittwoch, 20. März 2013
Der große TV-Landserroman
Wenn ich die aus dem Netzrauschen gefilteren Signalfragmente richtig dechiffriere, wird im Fernsehen gerade mal wieder der zweite Weltkrieg verloren. Also jetzt nicht nur in Guido-Knopp-Machart, sondern dargereicht als aufwendiger mehrteiliger Kostümschinken. Interessant, wie einig sich das konservative Mediendeutschland anscheinend ist, dass dieses Machwerk von TV-Produzent Nico Hoffmann total wichtig und richtungsweisend sei. Aber ich frage mich schon, unter welchem Stein man die vergangenen Jahrzehnte verbracht haben muss, um zu behaupten, dergleichen habe man ja noch gar nicht gesehen, und erst jetzt mit diesem im Programmheft angestrichenen Historien-Event-Bombast (zweistellige Millionenbeträge! Hollywood-Niveau!!) ergebe sich ein Aufhänger, um mit der Eltern- oder Großelterngeneration über die Schrecken jener Zeit zu sprechen.

Ich weiß nicht, wie das bei anderen Familien war und ist, aber einen Mangel an Kriegserzählungen hatte ich in meiner Verwandtschaft nicht zu beklagen. Wenngleich davon auszugehen ist, dass da auch vieles ausgespart wurde und ungesagt blieb. Mein Vater, der von den Deutschen als Fremdarbeiter ins Reich geholt wurde (und somit offiziell eigentlich Opferstatus hatte), wäre gern zur Waffen-SS gegangen wie nicht wenige seiner ukrainischen Landsleute - allein, er war sehr jung, und ihm fehlten auch zwei, drei Zentimeter Körpergröße. Meine Mutter wäre gern dem BDM beigetreten, aber meine erzkatholische Großmutter wusste das zu verhindern. Wer aus meiner buckligen Verwandtschaft in all den Wahljahren nach dem Krieg die einzige NPD-Stimme im Dorf abgab, war auch nie ein großes Geheimnis. Für meine Geschichtsbewältigung braucht es diesen Schmonzettenrotz, mit Schtzngrmm und Krankenschwester nicht. Aber schön, dass wir drüber gesprochen haben.

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Ich hab's sowieso längst aufgegeben. Jeden Tag überall Nazis. Die können den Krieg gar nicht verloren haben, so oft wie sie im Fernsehen und in allen anderen Medien sind.

Ginge es um Wissenvermittlung, dann müssten Filmschaffende und Autoren sich eher dem ersten Weltkrieg (als der gerade stattfand wussten die Beteiligten natürlich nicht, dass es der erste Weltkrieg ist, weil ja keiner wusste, dass der nächste bald hinterher kommen würde) widmen, über den wissen die Leute viel weniger.

Aber dem steht halt entgegen: Nazis sell.

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Oder in die andere Richtung gedacht: warum nicht Balkankrieg oder noch besser Afghanistan filmisch aufarbeiten? Die ewig marschierenden Knobelbecher aus der Requisitenkammer lenken ja schön davon ab, dass deutsche Springerstiefel aktuell wieder in diversen Weltgegenden auf dem Kriegspfad sind.

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@mark793 man stelle sich das nur mal vor .... was ein Tabu bruch ... dein Film über traumatisierte afganistan soldaten Tot und Verderben der Neuzeit , ein Skandal sondergleichen ..... eigendlich wie geschaffen für die Medien...

Der vermutlich einzige haken an der Geschichte wird sein das es alles noch "zu frisch" ist und man ja nicht die "wahren tatsachen , zu gunsten einer Holiwood reifen inszinierung zeige und der Film nur auf Lügen und Mutmasungen basiert " .... in 20 jahren sagen wir dagegen .... ja logisch hat damals eh jeder gewust..... ich bin sicher das es irgentwann einmal einen Film geben wird .... aber solange wir noch die " guten" sind die die bösen "Terroristen" bekämpft haben , ist das vermutlich noch nicht thematisierungsreif... wir sind ja im " recht"....

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Das Argument "zu frisch" ist beim Thema Afghanistan natürlich nicht von der Hand zu weisen. Eine gewisse zeitliche Distanz zum Geschehen dürfte schon hilfreich sein - auch um keine "Dolchstoßlegenden" aufkommen zu lassen.

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Das ist so nicht richtig. Es gibt eine Reihe kritischer deutscher Filme, die Erlebnisse deutscher Soldaten in Afghanistan zum Thema haben. Hervorzuheben wären da etwa "Nacht vor Augen" (2008) mit Hanno Knoffler und Petra Schmidt-Schaller. Auch bei Bloch gab es eine Folge ("Tod eines Freundes", 2009). "Willkommen zu Hause" (2009) sorgte immerhin bis zum Bundestag für ziemliches Medienecho.

"Unsere Mütter, unsere Väter" ist - vor allem im Vergleich zum unsäglichen Bio-Schmonz "Rommel" aus derselben Filmschmiede - ein beachtliches Stück. "Band of Brothers" ist es vielleicht nicht (die Reihe war aber auch nicht nur gelungen), aber aus der Perspektive, mit dieser Drastik hat man das Thema aus Deutschland eben noch nicht gesehen. Kein Vergleich mit "Die Flucht" oder "Dresden" oder anderen "Event-Movies" der letzten Jahre.

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Herr Kid, natürlich erkenne ich Ihren Wissensvorsprung auf diesem Fachgebiet an, und selbstredend stelle ich #umuv hier nicht vor ein Standgericht, wenn ich davon nur Ausschnitte gesehen habei. Mehr Drastik, hmja, das ist sicher richtig beobachtet, aber ist der Mehrteiler damit über jeglichen Verdacht der Geschichtsklitterung erhaben? Aber vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass man einfach schon froh sein muss, wenn dem Zuschauer diesmal nicht exakt die gleiche Pampe serviert worden ist wie bei "Dresden" oder anderen Vorläufer-Events.

Dass Afghanistan da und dort schon Thema war, stimmt natürlich auch. Ich wollte damit sagen, dass wir, solange dieser Einsatz noch läuft, eher nicht erwarten dürfen, eine wirklich bedeutsame filmische Generalabrechnung mit diesem Thema zu sehen, wie sie "Die durch die Hölle gehen", "Apocalypse now" und "Platoon" zum Thema Vietnamkrieg geliefert haben.

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Die entstanden aber auch erst Jahre nach Ende des Krieges, da müssten wir uns noch gedulden. The Deer Hunter und Apoclaypse Now würde ich auch nicht unbedingt als wirklich Kriegs-kritische Filme sehen. Die haben schon einen gehörigen Schuß Patriotimsus und Zelebrieren von Gewalt. Coming Home mit Jane Fonda und Jon Voight ist da eher ein Beispiel zum Thema Grauen und Sinnlosigkeit, kam aber auch erst '77 oder '78. Dieser zeitliche Abstand (siehe auch The Hurt Locker) ist jedenfalls kein dezidiert "deutsches Problem".

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Ja, genau so hatte ich die US-Beispiele (hatte die Jahreszahlen eigens noch nachgeguckt) verstanden haben wollen, dass wir uns da womöglich gedulden müssen, bis der Hindukusch-Einsatz wirklich als Thema eines epischen Streifens aufgegriffen wird. Diese Verzögerung sehe ich auch weniger als ein echtes (oder gar deutsches) Problem, sondern mehr so als den normalen Lauf der Dinge.

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@kid37: Was heißt "erst '77 oder '78"? Die Amerikaner haben doch bis 1973 gebraucht , um aus Vietnam abzuziehen. Saigon wurde erst 75 eingenommen. Wenn man nun bedenkt, dass die Produktion eines Films bis zu dessen Fertigstellung ein Jahr dauern kann, dann ging das doch erstaunlich schnell.

Apocalypse Now sehe ich nicht als patriotisch an. Er Film funktioniert auf einer anderen Ebene, nämlich über die Zersetzung der Psyche und damit der Zersetzung der Gemeinschaft, letztlich der Sturz in die Barbarei.

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Der Hinweis auf den zeitlichen Abstand bezog sich auf Afghanistan bzw. Filme darüber. So lange solche Konflikte andauern, sind kritische Filme selten. Mir fällt da gerade "Johnny zieht in den Krieg" ein, der zwar während des Vietnamkriegs erschien (und sicher darauf anspielte), aber den Ersten Weltkrieg zum Thema hatte.

Und ich schätze, über Apocalypse Now können wir uns auch einigen ;-) Jedenfalls ist der eher weniger ein Antikriegsfilm, der hat nur den Schauplatz dorthin verlagert.

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Lief eigentlich Komm und sieh von Elem Klimov jemals auch im deutschen Fernsehen?

Ich sah den damals im Kino. Die Szene mit dem kleinen Mädchen, das von deutschen Soldaten auf einen Laster gezerrt und später wieder ausgesetzt wird, eine Trillerpfeife haben sie ihr in den Mund gesteckt, das Blut läuft ihr die Beine hinunter, sie kann kaum noch laufen, der leere Blick und das höhnische Gelächter der Soldaten werde ich wohl meinen Lebtag nicht mehr vergessen.

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Kann mich nicht erinnern, den je im Programm gesehen zu haben, aber da seit zehn Jahren so gut wie nichts mehr geguckt habe, kann ich eigentlich nur für die Zeit zwischen 1995 und 2002 sprechen, das waren die Jahre, in denen ich etwas intensiver durch die Kanäle schipperte.

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Wahrscheinlich trauten sich die Programmverantwortlichen nicht, weil sie glaubten, dem deutschen Fernsehpublikum die ungeschönte Wahrheit über den Krieg in der Sowjetunion nicht zumuten zu können. Der englische Wikipedia-Eintrag zum Film ist übrigens ausführlicher und besser, stellte ich eben fest. Darin stehen auch solche Infos:

According to Klimov, the film was so shocking for audiences that ambulances were sometimes called in to take away particularly impressionable viewers, both in the Soviet Union and abroad. During one of the after-the-film discussions, an elderly German stood up and said: "I was a soldier of the Wehrmacht; moreover, an officer of the Wehrmacht. I traveled through all of Poland and Belarus, finally reaching Ukraine. I will testify: everything that is told in this film is the truth. And the most frightening and shameful thing for me is that this film will be seen by my children and grandchildren."

Nun, da hat er sich wohl leider getäuscht. Dabei gehört er zu den wichtigsten Werken der Filmgeschichte.

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Überhaupt muss ich gestehen, dass meine einstmals legendären Nehmerqualitäten in Sachen filmisch transportierter Unbill in den letzten beiden Jahrzehnten stark abgenommen haben. Viele verstörende Streifen, denen ich mich in meinen sittlich desorientierten Jugendjahren ohne mit der Wimper zu zucken ausgesetzt habe, könnte ich heute nur noch unter enormen Krämpfen ansehen. Als ausgesprochener Selektivseher finde ich es auch erschreckend, wie sehr sich die ästhetischen Maßstäbe für mainstreamfähige Gewaltdarstellungen jenseits von Splatter-Nischenproduktionen in den letzten 20, 25 Jahren verschoben haben.

NACHTRAG: Kann man sich ausrechnen, was dieser Film für einen Eklat ausgelöst hätte. Ich sage nur Wehrmachtsaustellung...

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Horror- und Splattermovies sind nicht mein Fall. Ich gehöre zu den Leuten, die in der Regel wegschauen, wenn jemand auf der Leinwand auch nur eine Spritze bekommt (bei mir selbst macht mir das nichts aus, aber ich kann es nicht bei anderen sehen, somit war ich auch für ein Medizinstudium denkbar ungeeignet).

Klimov hatte so etwas aber gar nicht nötig, er fand andere Bilder, die ganze Geschichte wird ja aus der Sicht des Jungen erzählt. Der Film ist aus dem Jahre 1985, aber zuvor dauerte es acht Jahre, bis das Skript endlich frei gegeben wurde. Ich kann jedem nur empfehlen, sich diesen Film einmal anzuschauen.

Wehrmachtausstellung, da sagen Sie etwas. Ich sah die damals mit meinem Vater und meiner jüngeren Schwester in Frankfurt.

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Vielleicht wird die Stunde von "Komm und sieh" im deutschen Fernsehen auch noch kommen. Ob ich mich dann dazu aufraffe, mich dem auszusetzen, wird man sehen. Ehrlich gesagt bin ich der ganzen WK-II-Thematik mittlerweile ziemlich überdrüssig, ich sehe nicht, was da noch für Einsichten zu gewinnen wären, die ich nicht eh schon hatte. Der Illusion, dass die Wehrmacht immer nur ehrenvoll gekämpft hätte und sämtliche Bestialitäten nur von ein paar überfanatisierten SS-lern begangen worden wären, habe ich mich auch früher schon nicht hingegeben.

Was mich momentan mehr umtreibt, ist die Frage, wie es zugehen konnte, dass aus "nie wieder" ein "hmja, irgendwie doch, wenns sein muss ..." werden konnte und warum eine wirklich breite gesellschaftliche Debatte darüber, was zum Henker deutsche Truppen am Hindukusch verloren haben, nicht stattfindet.

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Schauen Sie nur Filme, bei denen Sie "neue Einsichten" gewinnen? Dass es einen Friedhof der verbrannten Dörfer gibt und dieser Krieg grauenhaft war, wusste ich auch schon, bevor ich damals den Film oder die Wehrmachtsausstellung ansah.

Im Übrigen kann man sich Filme auch aus filmästhetischen oder filmhistorischen Gründen anschauen. Oder weil sie einfach gut gemacht sind.

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"Komm und sieh" lief zuletzt 2008 auf 3sat. Wegen FSK nicht vor 22.00 Uhr, in dem Fall sogar tief in der Nacht.

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@Kid37: Da sieht mans wieder: Was Lackierer von Hartbrandwichteln können, können nur Lackierer von Hartbrandwichteln. ;-))

@arboretum: Ja klar, kann man (muss man aber nicht). Wenn ich nur wüßte, wie ich Ihnen das erklären soll, natürlich sind "neue Einsichten" nicht das alleinseligmachende Kriterium, es kann mich alle Schaltjahre auch mal ein Tritt von der besten Ehefrau von allen die Aussicht auf ganz banale Unterhaltung ins Kino führen. Aber: Ein echtes Bedürfnis ist mir fiktionales Bewegtbild schon lange nicht mehr, ich bin schon froh, wenn es nicht auf eine Zumutung hinausläuft, 60, 90 oder noch mehr Minuten meinen Hintern stillzuhalten und mich berieseln zu lassen. Wenn das ein Defekt ist, weiß ich nicht wie ich mir den eingehandelt habe und wann genau das so eingerissen ist, aber ich leide nicht darunter, mir fehlt schlechterdings nichts, wenn im Endeffekt so viele tolle und richtungsweisende Filme und Serien von mir ungesehen bleiben.

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Ich habe ja (aus möglicherweise bekanntem Grund) den Film nicht gesehen. Aber vielleicht wird das Thema immer wieder aufgekocht, damit wir/die Nachgeboren sagen können: Ihr, nicht wir!

Und wenn einer diesen Abstand via DVBT/Kabel/Satellit in's Haus geliefert bekommt, dann kann er sich zurücklehnen und befreit seufzen, was haben die da bloß gemacht? Das sieht doch jeder, das kann nur schief gehen. Und dann kann er auf Facebook „likes“ gegen Rechts setzen. Das tut gut, das schafft einen ruhigen Schlaf.

Allerdings wird er dabei übersehen, was um ihn herum passiert. Das Facebook-Likes (überraschenderweise) nichts bewegen, das „dagegen“ sein schon so viele Jahrzehnte nicht geholfen hat die Nazis loszuwerden, und das überhaupt niemand auch nur eine blassen Schimmer hat, was genau man gegen die Braunen wirklich tun kann.

Keiner weiß das. Nicht einer. Ich auch nicht.

Und weil keiner eine Ahnung hat was man gegen die Braunen tun kann, macht man einfach das gleiche was sie tun: Lächerlich machen. Ausgrenzen. Wenn man könnte: Abschieben. Wenn man könnte: Arbeitslager. Wenn man könnte …

Hat euch dieser Film (oder die vielen anderen vorher) auch nur einen Zentimeter näher an eine Welt ohne Nazis gebracht? Kann ich nicht erkennen …

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(...) Das tut gut, das schafft einen ruhigen Schlaf.

Womöglich hat es tatsächlich etwas von der Teilnahme an einer kollektiven Bußandacht, wenn das Fernsehvolk zuhause in den politisch erwünschten Momenten auf die Taste "2" der Fernbedienung drückt. Das Konsumieren dieses Mehrteilers aber nur als Gewissensberuhigung (oder gar hohldrehenden Pseudoaktionismus) zu betrachten, greift wahrscheinlich auch zu kurz.

Aber Deinen Kritikpunkt, dass vor lauter Blick zurück das hier und heute zu sehr aus dem Blickfeld zu rücken droht, würde ich auch unterschreiben. Es wäre - gerade auch mit Blick auf die hier lebenden Minderheiten - ein besseres Signal gewesen, diesen Mega-Aufwand nicht in einen historischen Nazikostümschinken zu stecken, sondern beispielsweise in eine filmische Aufarbeitung des systemischen Behördenversagens im Umgang mit der NSU. Aber dafür hätte es wahrscheinlich keine Fördermittel von der Filmstiftung gegeben. ;-(

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Der Film über das „umfangreiche Behördenversagen“ kann nur falsch sein, weil er Menschen betrifft die heute noch leben: Täter, Opferfamilie, falsch Verdächtigte und so weiter. Selbst wenn das ganze Thema haarklein aufgeklärt wird, was es aus unterschiedlichen Gründen nicht wird, dann ist es immer noch die Geschichte „aus der Sicht der Macht“ die da erzählt wird. Weicht der Film von der offiziellen Darstellung ab gibt es Zoff, tut er es nicht, dann erst recht. Keiner will den Film machen. Jedenfalls keiner der an Wahrheit interessiert ist. Sollte die Wahrheit jemals raus kommen*.

Was mich aber zutiefst irritiert ist unser kollektives Unvermögen einen Weg zu finden, den braunen Sumpf so weit trocken zu legen, dass er neu kultivierbar wird. Gegenüber den Nazis gibt es anscheinend nur ein Mittel: Auffe Fresse.

Mich würde mal interessieren, ob es tatsächlich keine andere Strategie gegen Rechts gibt, oder ob sie einfach nicht Mehrheitsfähig ist. Wenn Ersteres zutrifft, dann helfen alle Filme, Demos und Projektwochen nix. Irgendwann wird die braune Soße wieder überkochen. Wenn letzteres Zutrifft, dann könnte die Situation nicht irrwitziger sein: Unser Umgang mit Rechts macht sie erst möglich.

Ich befürchte, beides trifft zu. Wir haben keine Lösung, und das was wir tun heizt das Feuer unter dem Topf nur noch mehr an.


____________

* Ich will hier nicht in Verschwörungstheorien abtauchen, sondern einfach der „Natur der selektiven Wahrnehmung“ ihren angestammten Platz überlassen. Das Opfer ist nie genug gesühnt. Es bleiben immer Fragen offen (mindestens für die Journalisten, die ja mit offenen Fragen ihre Katzen füttern), jeder kann nur aus seiner Sicht berichten, „die da oben lügen ja sowieso“ und so weiter und so fort …

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Wir haben keine Lösung, und das was wir tun heizt das Feuer unter dem Topf nur noch mehr an

Wobei ja auch nicht garantiert ist, dass Nichtstun die Temperatur konstant hält oder gar absinken lässt. Wenn man sich dessen so sicher sein könnte, wäre es natürlich einfach zu sagen, ach komm, die paar Spinner. Aber nachdem die Behörden auf dem rechten Auge jahrelang nahezu blind und passiv waren wie nur was, hat sich das Problem ja auch nicht in Luft aufgelöst, stattdessen fühlten sich ein paar Extremisten gar zu Mordtaten ermuntert. Auf der anderen Seite habe ich mich auch schon bei Anflügen von Mitleid ertappt, wenn irgendwo ein sehr überschaubares Aufmärschlein von ein paar Dutzend Strammnationalen sich Gegendemos von fünfzigfacher Übermacht gegenübersieht. Da ist es natürlich ein einigermaßen wohlfeiles Freizeitvergnügen, auf der richtigen Seite Flagge zu zeigen. Schwierig, das alles.

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Los geht das, was ein Kommentator bei Knörer so schön als embedded Fernsehfilmmachen bezeichnet, wenn die Gesichtszüge der heute-Moderatorin auf Halbmast sacken. Und so geht das vermutlich dann den ganzen Abend weiter. Ganz furchtbar.
Ansonsten leiste ich mir einen guten Schuss Borniertheit und sage mir,dass das Zeug, das Nico Hoffmann so produziert, im Großen und Ganzen völlig unerträglicht ist und ich mir das ganz sicher nicht anschauen muss.

(Für sowas wie 'Schtzngrmm' bin ich dagegen immer zu haben)

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Herr monnemer, Ihnen als Mit-Absolvent der wahrscheinlich antifaschistischsten Gesamtschule im Regierungsbezirk Karlsruhe kann ich gerne einen Persilschein ausstellen. Angesichts der unablässigen und hochritualisierten NS-Aufarbeitung hatte man eh nur zwei Möglichkeiten: Entweder man rebelliert dagagen aus jugendlichem Trotz und radikalisiert sich Richtung rechts (wie eine gewisse Clique von Mitschülern, an die Sie sich sicher erinnern werden) - oder man hat das "nie wieder" doch so verinnerlicht, dass es der Auffrischung durch solche verfilmten Landserromane nicht zwingend bedarf.

Auf die Wortschöpfung Schtzngrmm könnte ich glatt neidisch werden.

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Ich hab's nicht gesehen und habe es auch nicht vor. Ich sah nur einen Trailer und einen Hinweis auf die thematisch anknüpfende Illner-Sendung. Sowieso bin ich schon kein Quatschrundenfan, und nach den Verweisen auf die illustre Gästerunde (bestehend aus Dieter Thomas Heck, Gunther Emmerlich, Daniel Cohn-Bendit, Franziska Augstein und Katharina Schüttler) verging mir die Lust aufs Zusehen, sowohl was den Film als auch was den Talk betraf. Im Übrigen kann ich wenig anfangen mit der Ausgestaltung der Hauptfiguren, schon rein optisch. Diese wassergewellten, rotlippigen, schmalen Frauengestalten, die auf hohen Hacken durch die Trümmer stolpern, waren noch niemals Teil meiner eigenen Geschichte. Vielleicht, weil meine Großmutter, anstatt im Berlin der 40er-Jahre mit verhauchter Stimme für Soldaten zu singen, zuhause auf dem Land schwarz Schweine schlachtete und nachts ihr Kind in den Apfelgarten schleppte, wenn Fliegeralarm war.

Wir Nachgeborenen (schon gerade die Enkelkinder) werden es niemals fühlen und begreifen und immer nur eine Ahnung haben, sei das Wissen auch noch so umfangreich. Dagegen nützen auch alle Fernsehspiele nichts. Was ich dagegen merke, ist die Kälte meiner Mutter, die niemals zu fühlen gelernt hat, weil auch ihre Mutter innerlich hart blieb. Das Erbe, das wir mit uns herumschleppen, wirkt längst nicht so dramatisch wie erlebte Diktatur und erlebter Krieg, aber es fußt darauf. Um seine Beschaffenheit zu verstehen, bringt es überhaupt nichts, nur noch mehr Kunstblut in die Kamera spritzen zu sehen. Das hatten wir alles schon, es hat nichts mit uns zu tun.

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Zu diesem Thema hatte Frau Arboretum neulich ein paar interessante Links parat.

Ich denke auch, dass dieses Erbe der Bereich ist, den wir auch im eigenen Interesse noch viel besser verstehen müssen. Das andere, das eigentliche, das unsere Altvorderen mitgemacht haben, wird uns hingegen immer fremd bleiben. Da ist es aus der Fernsehsessel-Perspektive letztlich auch ein Stück weit austauschbar, ob die Handlung an der Ostfront oder in Südostasien spielt. Wenn der ansonsten geschätzte Frank Schirrmacher in der FAZ die Auffassung vertritt, über die Ostfront müsse jetzt noch ganz viel geredet werden, solange die letzten Zeitzeugen noch leben, will ich da nicht grundsätzlich widersprechen. Kann aber vermelden, danke hatten wir schon, das Thema.

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Ihr Beitrag und auch die Kommentare beruhigen mich einigermaßen - ich hatte schon begonnen, an mir selbst zu zweifeln.
Erst hatte ich nämlich beschlossen, mir das gar nicht anzugucken (obwohl mich das Thema interessiert), weil ich vor ein paar Jahren schon den Grenzerfilm von Stefan Kolditz so kitschig und Schuld relativierend fand. Und dann hörte ich in den Mainstream-Medien, von den Kollegen beim Frühstück und am Ende sogar aus dem Freundeskreis lauter Lobeshymnen, so dass ich reumütig zum dritten Teil auch den Fernseher einschaltete. Aber es war schon nach zehn Minuten nicht mehr auszuhalten. Sie bestätigen mir, dass das doch nicht nur an meiner Arroganz lag.
Übrigens: Wünschen Sie sich lieber nicht, dass dieses Fernsehen anfängt, Filme über die NSU-Affäre zu drehen. Das wird dann sicher ähnlich sinnentleert, zumal noch gar nicht alle Fakten klar sind. (Insofern traue ich Sebastian Edathy wesentlich mehr als Nico Hofmann, auch als Spannungsliefernaten.)

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Das ist natürlich immer das Dilemma: Freut man sich darüber, wenn ein bestimmtes Thema (das man für relevant hält) überhaupt mal angepackt wird - oder ärgert man sich im Zweifelsfall doch mehr darüber, wie es dann umgesetzt wurde? Ist wohl eine individuell zu treffende Einzelfall-Abwägung.

Bei mir ist es so, dass solcherlei Event-Fernsehen schon lange keine Einschaltimpulse mehr auslöst, egal wie hochgelobt und gebendeit das jeweilige Machwerk auch sein mag. Ich bin kein Kritiker und werde auch nicht dafür bezahlt, mir das anzugucken und ein Urteil zu bilden. Aber die gesellschaftliche Debatte darüber interessiert mich von Fall zu Fall schon. Und gerade hier bei #umuv (wie die Twitteure und Twitteusen das Stichwort hashtaggen) fand ich es sehr bemerkenswert, wie breit die Phalanx der Gutfinder ist. Und insgeheim habe ich (bei allem sonstigen Respekt für Frank Schirrmacher, in dessen Hoheitsgebiet ich bisweilen ein bisschen blogge) mir zusammengereimt, na, wenn FAZ und Welt den Schinken unisono über den grünen Klee loben, dann kann diese Schwarte in all ihrer nie dagewesenen Drastik doch nicht so recht dahin gegangen sein, wo es wirklich weh tut.

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Klüger als fernzusehen fände ich, wenn Menschen mal Recherchen in eigener Sache betrieben, sprich, sich damit auseinandersetzten, wie es denn nun wirklich in der eigenen Familie war. Mancher Leute Mütter und Väter leben ja noch, man kann sie fragen, und wenn man Glück hat, antworten sie. Wenn nicht, sollte das erst recht aufmerksam machen.

So finden sich nämlich vielleicht auch Anhaltspunkte dafür, wie sich braune Soße über die Generationen rettet und sich in Köpfe und Haltungen zurückschleicht. Die zwischen Eltern und Kindern vermittelten "Werte" und Minderwertigkeitskomplexe lassen sich eben nicht durch pathosbeladene Filme relativieren, die sitzen viel tiefer.

Drehte jemand in Deutschland einen Film über die NSU, dann käme dabei vermutlich so etwas wie ein langgezogener Tatort heraus, mit Hauptfiguren, die einen Blick in die finstere Seele des Menschen erlauben sollen, oder das Problem wird auf das alleseits beliebte "falsche Umfeld" reduziert, das nette Jugendliche von Nebenan zu Nazis macht. Ach je, ich mag mir das gar nicht vorstellen. Besser nicht.

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Die Chance, dass das TV-Event mit all seinen Echos auch innerfamiliäre Gespräche anstößt, besteht ja durchaus. Ich kann mich erinnern, dass damals, als "Holocaust" im Fernsehen lief, nicht nur bei uns zuhause die Frage erörtert wurde, wer wusste was wann über die Massenvernichtung. Und auch wenn die Antworten nicht immer das waren, was wir Jüngeren gerne gehört hätten, so ist doch davon auszugehen, dass dieser TV-Mehrteiler vielen den Anstoß gab, das Thema überhaupt mal anzuschneiden.

Ansonsten läuft es mit der braunen Sauce bisweilen auch so, dass diese aus Abgrenzungsbedürfnis gegenüber den Altvorderen oder dem Mainstream Geschmack findet und nicht unbedingt im Elternhaus vorgekocht und weitergereicht wurde. Ich kann da immer wieder nur auf die Erfahrung an meiner Schule verweisen, die sich in hohem Maße der erzieherischen Aufgabe verschrieben hatte, das richtige Bewusstsein zu dieser Thematik zu vermitteln, und man kann mit Blick auf das eher durchwachsene Zwischenergebnis schon die Frage stellen, ob weniger da vielleicht nicht mehr gewesen wäre. Und längst nicht jeder, der sich da Richtung rechts radikalisierte, dürfte damit in seinem Elternhaus für Begeisterung gesorgt haben.

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Als Grundlage für ein wirklich fruchtbares Gespräch schienen mir die im Plot geschilderten Charaktere ein bisschen zu abziehbildchenhaft. Klar, eine der Protagonistinnen hatte einen jüdischen Freund, die andere war natürlich Krankenschwester und hat auf diese Weise das Elend unmittelbar miterlebt, und die Gebrüder sitzen natürlich ganz klischeehaft in Russland und nirgendwo anders im Schnee. Ein Teil der Zuschauer kann da vielleicht eine Verbindung zu sich selbst entdecken, aber ich bezweifle, dass dieser Teil besonders groß ist. Dazu ist das dann alles doch zu sehr Klischee. Aber wie gesagt, ich hab's ja auch nicht gesehen. Vielleicht irre ich mich.

Aus Erfahrungen mit meiner Großmutter weiß ich, wie schwierig es ist, überhaupt ein Gespräch in Gang zu bringen. Ich erlebte, dass sie reflextartig "zumachte", wenn die Sprache auf besonders schreckliche Dinge kam. Dazu brauchte man mit Spekulationen über Schuld überhaupt gar nicht anzufangen. Das Stichwort "Krieg" reichte schon, und es war schwer, mehr zu erfahren. Und man ist in diesem Zusammenhang natürlich immer lediglich Familienmitglied, kein psychologisch geschulter Interviewer, der weiß, wie er es anstellen muss. Das selbe Verhalten des "Zumachens" erlebe ich auch bei meiner Schwiegermutter (Jahrgang 1948), die sehr sensibel auf alles Grausame reagiert und meistens sagt: "Hach, davon will ich gar nichts wissen/hören!" Solche Menschen schalten bei entsprechend explizit gestalteten Fernseh-Mehrteilern dann wohl eher ab, anstatt darüber zu sprechen.

Ich glaube, was die Entstehung brauner Soße betrifft, geht es erst einmal grundsätzlich überhaupt nicht um antisemitische oder fremdenfeindliche Inhalte, sondern um viel grundsätzlichere Dinge. Wieviel Platz ist für die Meinung der Anderen? Wie ist das eigene Selbstwertgefühl ausgestaltet, und ist man anfällig für pauschalisierte Feindbilder? Betrachtet sich jemand selbst als überlegen oder höherwertig als jemand anderen? Wie steht es mit Autoritäten, Hierarchien, Gehorsam und Verpflichtung? Etcetera, etcetera. Klar kommen Eltern nicht unbedingt leicht mit einer rechtsradikalen Haltung ihrer Kinder klar, aber das muss noch nicht heißen, dass in ihren Köpfen eine eher liberale Gesinnung vorherrscht.

Die "richtigen" Werte zu vermitteln, muss meines Erachtens immer scheitern, wenn es um Dogmen geht anstatt um ein grundsätzliches menschliches Miteinander. Daher ist das wiederholte und überstrapazierte Predigen "demokratischer Grundwerte" wenig hilfreich. Was nützt, was jemand in der Schule jeden Tag erzählt bekommt, wenn seine grundsätzliche Persönlichkeit so geprägt ist, dass er es für recht und billig und nützlich hält, anderen Menschen Gewalt anzutun?

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Klar, dieses "Zumachen" ist in vielen Familien der Normalfall, und ob ein Fernsehfilm das nach all den Jahrzehnten aufzubrechen vermag, darüber kann man nur spekulieren. Der Versuch ist aller Ehren wert, aber bei meinen Schwiegereltern beispielsweise zucken schon bei vermeintlich unverfänglicheren Themen tiefsitzende Reflexe des Zumachens und nicht-Hinsehen-wollens, da reicht meine Phantasie nicht hin, mir auszumalen, was genau da passieren müsste, um das aufzubrechen.

Mein Vater hingegen hat nie verheimlicht, dass es ihm und seinem Cousin damals grade recht kam, als die Deutschen in seinem Dorf Fremdarbeiter für die Landwirtschaft suchten. Schweigsam war er eher über die Zeit davor. Meine Großmutter mütterlicherseits hat immer viel erzählt, wobei ich (ohne ungerecht sein zu wollen) auch sagen muss, dass das Dorf jetzt nicht sooo stark vom Schrecken heimgesucht wurde, weder gab es da Flächenbombardements noch große Kampfhandlungen gegen Kriegsende, und die größere Bürde war wohl eher die Verletzung meines Großvaters aus dem ersten Weltkrieg, die ihn zum Invaliden machte. Man kanns aber auch so sehen, dass ihm das die Teilnahme am zweiten Weltkrieg ersparte, und für meine Großmutter war das die Möglichkeit, eine Sondererlaubnis zu erwirken, dass meine Mutter und ihre Geschwister nicht BDM und HJ mussten. Obwohl sie da sicher mehr Spaß gehabt hätten als beim Ackern auf dem eigenen Hof.

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Kriegsschinken langweilen mich. UMUV ist schon vom Titel her eine Unverschämtheit. Wer kann denn solche aus Kriegszeiten vorweisen? Ich gerade noch. Für meine Mutter bedeutete der Krieg im wesentlichen Flucht, mein Vater sprang direkt in die Gefangenschaft. Das reicht nicht für einen Film. Auch meine Großeltern hatten mit Politik wenig am Hut. Väterlicherseits lebten sie auf dem Lande weit weg von der Front, mütterlicher­seits waren sie gespalten: Mein Opa war plaktiert, weil er beim Juden kaufte, meine Oma nahm Hitler erst von der Wand als die Russen vor der Tür standen. Beide hatten gute Gründe: Beim Juden war der Schnaps billiger, und Hitler war ein schöner Mann.

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Ihre unnachahmlich trockenen Kommentare sind eine Kunstform für sich, Herr Wuerg, aber bei allem Verständnis für sujetbedingte Langeweile scheint mir Ihre Kritik am Titel der Sendung doch ein wenig überzogen. Das ZDF ist ja geradezu berüchtigt für den hohen Altersdurchschnitt seines Stammpublikums, von daher dürfte die Zielgruppe sich kaum an dem besitzanzeigenden Fürwort "Unser" stoßen, das wird schon passen.

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Herr Mark,
Sie haben sicher nicht mitbekommen, wie es zum Filmtitel kam?
Anyway.
Ich habe mir alle drei Teile angeschaut und für mich war der persönliche Gewinn dabei, daß ich mir noch manchen Irrsinn, den ich mit meinen Eltern erleben musste, besser erklären konnte.

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Richtig vermutet, werter Don Ferrando, zur Genese des Titels habe ich nichts abgespeichert, in der FAZ-Gesprächsrunde in Schirrmachers Büro wurde es glaube ich nicht erwähnt.

Aber ansonsten macht mich Ihre Aussage natürlich sehr neugierig.

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NACHTRAG @don ferrando:
Ah, eben nochmal nachgelesen, es war da doch erwähnt, dass Hofmann dabei zuvörderst an seine eigenen Eltern dachte. Warum auch nicht, schließlich gehört er zu den geburtenstarken Jahrgängen, da kann man den Grundkonstellationen der eigenen Biographie womöglich schon eine gewisse Repräsentativität unterstellen.

Frank Schirrmacher ist mehr oder weniger Altersgenosse von Hofmann, das erklärt vielleicht zum Teil, warum die Sendung bei ihm so einen Nerv trifft. Dass auf ZDF-Seite die Ehefrau des FAZ-Feuilletonchefs Nils Minkmar mit dem Werk befasst war, mag da zusätzlich zupass gekommen sein, aber hey, so läuft halt's Business, ein Riesenskandalon vermag ich darin nicht zu erkennen.

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Auch ich habe mir den Film angesehen. Alle drei Teile. (Und sicher hätte ich mich in nur einem einzigen Teil nicht zurecht gefunden, denn der Film zeigt ja eine Entwicklung von Menschen, analog zur Entwicklung des 3. Reiches. Die kann man nicht zerstückeln.)
Ganz gewiss lässt sich in gut vier Stunden kein Bild zeichnen, welches jedem einzelnen der Millionen Schicksale von Opfern und Tätern in der Nazizeit gerecht wird. Es muss immer ein Holzschnitt bleiben.
Aber dennoch kann auch ein Holzschnitt durchaus ein realistisches Bild zeigen,bewegen und Erkenntnisse vermitteln. Vieles, was ich aus Erzählungen meiner Eltern und Verwandten der Generation vor mir (ich bin Jahrgang 45) kenne, habe ich im Film illustriert gefunden - auch die Tatsache, dass man eigentlich nur falsch handeln konnte. Opfer konnten zu Tätern werden, aber auch Täter zu Opfern.
Niemand muss sich einen solchen Film ansehen. Aber gerade die junge Generation (die in Freiheit heute ohne Folgen alles sagen kann) hat vielleicht über diese Schiene eine Vorstellung von dem unfreien, menschenverachtenden, mörderischen Naziregime weit weg von jedem Heldentum bekommen und von dem fast unlösbaren Konflikt, darin menschlich zu bleiben.

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@siria:
"Gerade die junge Generation" ist natürlich ein Argument, dem ich mich nicht verschließe. Nachdem wie gesagt in meiner Schulzeit (Abi 83) die ganze NS-Thematik fast schon exzessiv rauf und runter dekliniert wurde, scheint das Pendel vielerorts in die andere Richtung auszuschlagen, so dass die Kenntisse junger Leute auf diesem Gebiet doch sehr lückenhaft sind. Und wenn so ein TV-Mehrteiler dazu beiträgt, das Unfassbare irgendwie fassbarer zu machen, ja, warum denn nicht? Aber ich habe ausgehend von den Ausschnitten, die ich gesehen habe und den Debatten drumherum auch nicht das Gefühl, viel verpasst zu haben, weil ich diese vier Stunden anders verbrachte als vor dem Fernseher.

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Das Unfaßbare faßbarer wird bei einem Besuch in z.B. Dachau.

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Ja - insofern es eine bestimmte Facette des mörderischen Wahnsinns konkret verortet. Und auch wieder nicht, wenn es darum geht, exemplarisch nachzuvollziehen, wie einzelne Rädchen in dem System getickt haben. Von daher würde ich den Gedenkstätten-Besuch nicht unbedingt gegen den Fernsehfilm ausspielen wollen.

Ein Bekannter von uns ist übrigens hauptamtlich in diesem Gedenkstätten-Business tätig, und es ist durchaus ernüchternd, von einem engagierten Praktiker zu hören, dass diese Form des organisierten Gedenkens in einer veritablen Krise stecke. Und zwar gar nicht mal so sehr das erwartbare Gebarme "hach, für diesen hochwichtigen Bereich werden die Mittel zusammengespart", sondern die Einsicht, dass das bestehende Angebot die Leute einfach nicht mehr in dem Ausmaß erreicht wie früher.

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Ist schon interessant, wie sehr sich die deutschen Meinungsmacher immer wieder daran festbeißen. Ob nun zum kollektiven "mea culpa, auch wenns höchstens mein Großvater gewesen sein kann" oder zum "das war damals, das kommt nicht wieder"...
Ich seh das mittlerweile von außen. In einem Land, das nur so strotzt von Publikationen, die dem Landser-Monatsblättchen aber gar nichts nachstehen. Und das sich fünfzig Jahre lang in den Filmen über die Wehrmacht lustig gemacht hat, bis irgend jemand wohl doch mal nachgefragt hat, wieso die Grande Armée eigentlich gegen solche Dummköpfe verloren hat. Auf einmal kommen die Franzosen drauf, Wehrmachtssoldaten waren auch Menschen, mit guten und weniger guten Seiten, mit Gewissensbissen und Konflikten. Und auch wenn alle heutigen Franzosen von Widerstandskämpfern abstammen und die Collabos also sämtlich steril waren, irgendwie stimmen die Schwarzweißmuster nicht.
Dazu kommt, daß Algerien 50 Jahre her ist, die Zeitzeugen beerdige ich andauernd - aber sie haben keine aktuelle politische Rolle mehr. Da wird nun endlich auch was aufgearbeitet. Obwohl immer noch Algerienkämpfer dekoriert werden, weil sie Algerier mit dem Baïonette aufgespießt haben... die Franzosen backen grad mal kleinere Brötchen.

Ein verlorener Krieg ist aber immer noch leichter zu verarbeiten als ein gewonnener. Und je weiter er von zuhause weg war, um so leichter. (Weshalb die Franzosen den 1. Weltkrieg immer noch nicht begriffen haben, aber das mal nur nebenbei.) Und die filmische "Aufarbeitung" des Vietnam-Krieges (der übrigens 1947 schon begann...) könnte, das behaupte ich jetzt mal als ungeprüfte Hypothese, durchaus durchgeführt worden sein von Leuten, die schon vor 1968 gesagt haben, sie wären dagegen. Und umgekehrt hat sich an der Mehrheitseinstellung zu Krieg und Waffengewalt in USA durch diese Filme auch nicht wirklich was geändert, oder?

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So wie der Widerstand hierzulande erst nach dem Mai '45 so richtig Zulauf bekam, lief das halt auch bei der résistance - nur in noch viel größerem Stil. Über die Aufarbeitung - oder genauer gesagt deren rudimentäre Anfänge - in Sachen Vichy und Algerienkrieg war in einer der letzten Ausgaben von "lettre international" was zu lesen. Ich denke, es wird auch weiterhin eine ziemlich einsame Minderheitenposition bleiben, dass es da noch viel zu tun gäbe. Aber trotzdem sollten wir uns hüten, da mit dem Finger rüber zu zeigen und uns damit zu brüsten, dass _wir_ da ja wohl die Standards gesetzt hätten, was vorbildliche Aufarbeitung angeht.

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Der Fall Papon hat da schon was bewegt.

Und was das Fingerzeigen betrifft, sollte es jeder in jeder Beziehung unterlassen.
Insbesondere im Zusammenhang mit den Verbrechen der Nazizeit.
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Nochmal zum ursprünglichen blogpost:
Den Titel finde ich bei aller Diskussion als unpassend.
Gucken Sie sich alle drei Teile + die dazugehörige Dokumentation an. und wenn Sie dann immer noch so titeln, ist es ok!

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Lieber Don Ferrando, wahrscheinlich habe ich es schon mal erwähnt, seit Sie hier zu meinen wohlgelittenen Gästen gehören, aber wissen Sie, wer mein Lieblingsheld in der Bibel ist? Auf die Gefahr hin, mich da zu wiederholen: Es ist Pontius Pilatus. Als er seine Soldaten INRI auf das Schild pinseln ließ, dürfte ihm wohl bewusst gewesen sein, dass die meistes Leser dieses Schilds den Gekreuzigten nicht wirklich für den König der Juden halten. Als dann die Pharisäer zu ihm kamen und die Beschriftung dieses Schildes monierten, sprach er: "Quod scripsi, scripsi", was die deutschen Bibelübersetzungen für gewöhnlich wiedergeben mit "Was ich geschrieben habe, bleibt geschrieben."

So werde ich, obschon ich mich nicht als Statthalter Roms sehe, das ebenfalls halten. Mir ist bewusst, dass das Frontgeschehen nicht unbedingt den größten Teil der Handlung dieses Mehrteilers ausmacht. Und ebenso ist mir auch nicht entgangen, dass die filmische Darstellung die deutschen Soldaten nicht in dem Ausmaß idealisiert wie es in den Landserromanen üblich gewesen ist. Trotzdem halte ich meine Überschrift in dieser Zuspitzung noch für zulässig, zumal das auch eine Anspielung ist auf "der große TV-Roman" - ein Eigenwerbungs-Label, mit dem ein großer Privatsender in den frühen 90ern seine Schmachtfetzen vermarktete.

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Werter Herr Mark,
Ich wollte keineswegs ein post-edit bei den Überschriften anregen.
Noch Ihre Überzeugung zu Fernsehfilmen dieses Genre umkrempeln.
Aber eine kleine Anregung einer Neubewertung wollte ich doch posten.
Bedauerlicherweise vermag ich nicht, so intellektuell brillant zu argumentieren, wie viele der Besucher. Allein ich versuche doch, meine Gedanken zu formulieren.

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Gut, in Sachen post-edit war ich mir vorhin nicht ganz sicher, deswegen habe ich vorsorglich bisschen weiter ausgeholt. Aber alles in allem hatte ich bislang eigentlich nie den Eindruck, dass Sie Mühe damit hätten, Ihren Gedanken angemessenen Ausdruck zu verleihen. Muss aber gestehen, dass es Blogs gibt, in deren Kommentarthreads ich auch immer wieder das Gefühl habe, mit zu wenig oder zu leichtem Gepäck unterwegs zu sein, derweil sich die Teilnehmer ihre Exegesen von Adorno bis Žižek um die Ohren hauen. Der Spaß liegt dann für mich darin, mich diesem Bildungsgehuber völlig zu verweigern und zu versuchen, die Diskussion mit ein paar sehr bodenständigen Zwischenfragen wieder in die Nähe einer Erdumlaufbahn zu bringen.

Und im großen und ganzen geht es hier doch auch recht bodenständig zu, finde ich.

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Die jüngere Generation hier in Frankreich findet schon, daß da einiges zu tun ist, während eben die letzte Regierung noch Algerienkämpfer dekorierte - was für mich der Anlaß war, nicht mehr an den offiziellen Feiern zum 11. November und 8. Mai teilzunehmen, womit ich mir wiederum etwas Ärger mit meinen Kirchenräten eingehandelt habe...
Natürlich bin ich vorsichtig, was ich öffentlich sage, und stehe außerdem (nicht nur qua Amt) auf dem Standpunkt, nach 50 Jahren muß man nicht mehr verurteilen, da sollte man Frieden schließen und danach mal sehen, was die Leute eigentlich dazu gebracht hat, so zu handeln. Und da, bei den Anfängen, da muß dann gehandelt werden. (Wobei ich allerdings auch meine, daß die, die immer "wehret den Anfängen" rufen, nicht bei den Wurzeln, sondern bei den Knospen angreifen...)
Dat war kryptisch. Oder?
(Ach so, zum Verständnis: ich lebe im neunten Jahr in Frankreich und stehe im Dienst der evangelischen Kirche in Frankreich. Und - wir haben ja strikteste Trennung von Kirche und Staat - es gehört zum guten Ton, daß die Kirchenvertreter bei allen offiziellen Anlässen im Dekor stehen.)

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@loco-just-loco:
Trés interessant - vor dem Hintergrund kann ich Ihre Einlassungen besser einordnen. Frieden schließen finde ich als friedliebender Mensch natürlich immer gut, aber dass jeder Frieden seinen Preis hat, darf man im Zusammenhang auch nicht völlig außer acht lassen. Wenn Frieden in diesem Zusammenhang nur ein anderes Wort für Verdrängen ist, kann das auf Dauer nicht funktionieren.

Aber mir steht es nicht zu, unserem Nachbarland Vorschriften zu machen, wie das Thema Algerien am besten zu behandeln sei, wir haben hier unser eigenes Päckchen zu tragen. In einem anderen Blog las ich vor einer Weile entrüstete Abhandlungen darüber, wie wenig die koloniale Vergangenheit des Deutschen Kaiserreichs aufgearbeitet sei, und so richtig das auch sein mag, war ich dann doch ein wenig in Versuchung, zu antworten, dass auch die Greuel unserer kimbrischen und teutonischen Vorfahren in Norditalien oder überhaupt das Thema Völkerwanderung... Wobei es sicherlich rassistische Kontinuitäten zwischen Kaiserreich und Drittem Reich gibt, aber aus naheliegenden Gründen konzentrierten sich die reeducation-Bemühungen und das "wehret den Anfängen" eben doch mehr auf die Lehren aus der Epoche 33-45. Und auch da ist klar, dass man die öffentliche Handhabung dieses Themenkomplexes nie völlig getrennt betrachten kann von den Aspekten Selbstvergewisserung und Positionierungs-PR...

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In Anbetracht der Tatsache, daß rund 10% der in Frankreich lebenden Menschen Ausländer sind, und zwar überwiegend aus den ehemaligen Kolonien und dabei wiederum überwiegend aus den heutigen Ländern Algerien, Tunesien und (in geringerem Maße) Marokko, ist das mit dem Frieden schon wichtig. Es setzt einfach kein gutes Zeichen für die Bevölkerung, wenn Opa X dafür ausgezeichnet wird, daß er den Bruder von Opa Y vor fünfzig Jahren mit dem aufgesteckten Bajonett abgestochen hat. In einem Krieg, den schon damals viele abgelehnt haben (das war ähnlich wie Vietnam für die USA), den Frankreich letztendlich verloren und auch wenige Monate nach den dekorierten Ereignissen verloren gegeben hat.
Man stelle sich zum Vergleich vor, wie wohl die transatlantische Gemeinschaft reagiert hätte, wenn die Bundesrepublik so um 1990 herum U-Boot-Kapitäne oder Bomberpiloten mit dem Eisernen Kreuz belegt hätte - oder erinnere sich an den Aufschrei, als Bomber-Harris, der Brandstifter von Dresden, in Großbritannien die höchsten Ehren verliehen bekam.
Aber die französische Regierung (die vorige) wunderte sich ja noch lautstark drüber, daß die Algerier lieber den Arabern nachlaufen als den doch so zivilisierten französischen "Freunden"... die derzeitige Regierung wundert sich eher noch darüber, daß sie regieren darf, und fragt sich, wie lange noch. :P

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