Sonntag, 15. April 2012
Hier der ausführlichere Bericht:
Vor den Start hatten die Götter die Parkplatzsuche gestellt, denn die idiotische glorreiche Idee, das Rad im Auto an den Startplatz zu bringen, hatten auch andere. Das Zeitfenster für den Start war 10-12 Uhr, und ich war davon ausgegangen, dass die ambitionierteren Teilnehmer schon längst über alle Berge sind, wenn ich gegen Viertel vor 11 starte. Tatsächlich ging es am Start- und Zielpunkt in D-Flehe zu wie beim Bienenstock (oder mit Blick auf die dominierenden Radklamottenfarben träfe Wespennest es wahrscheinlich besser). Wie auch immer: Ich meldete mich für die 77-Kilometerrunde an, bekam ein Kontrollkärtchen und die Startnummer 439, und dann konnte es auch schon losgehen.

Auf den ersten Kilometern nach der Fleher Brücke fand sich allmählich eine Gruppe von fünf oder sechs Fahrern zusammen, deren Tempo mir zusagte. Zunächst viele mir nicht bekannte Ortsdurchfahrten im Neusser Süden, die viel Konzentration erforderten, Linksabbiegen bei viel Gegenverkehr, die kleinen Wegweiserschildchen mit den roten Pfeilen nicht übersehen und überhaupt. Als es dann auf die freie Strecke ging mit der Vollrather Höhe im Blickfeld, zog ich nach einer Weile auch mal nach vorne, bisschen Flagge zeigen. Lief auch ganz gut trotz Wind von schräg vorn, aber just als ich dachte, jetzt könnte ja mal jemand anders Führungsarbeit übernehmen, kam ein Schild, "1. Streckenteilung". Als ich mich kurz darauf umdrehte, war ich allein: Meine Hintermänner waren auf die 44-Kilometer-Strecke abgebogen und ich allein auf dem Weg der 77er und 119er-Runde.

Und da kam der Regen. Die Regenklamotten im Rucksack, der Rucksack im Kofferraum, das Darkmobil in Flehe. Tja. Was will man machen, Anhalten und Weinen bringt ja auch nichts. In Allrath, kurz vor dem Anstieg auf die Vollrather Höhe ließ es wieder nach, und ich würde wetten, was da runterregnete war der abgekühlte und kondensierte Dampf aus den nahen Kohlekraftwerken, denn außer deren Dampfsäulen waren eigentlich kaum nennenswerte Wolken am Himmel. Aber der vertraute Anstieg auf die Halde erinnerte mich daran, dass ich nicht als Hobby-Meteorologe da war. Hier herrschte wieder der übliche Betrieb wie am Skilift, Fahrer mit und ohne Rückennummern - und überraschenderweise war ich nicht mal der langsamste. Beim runterfahren übrigens auch nicht. Aber egal, beim Kontroll- und Verpflegungspunkt kurz vor der nächsten Streckenteilung gönnte sich die wilde Jagd ohnehin eine Verschnaufpause: Müsliriegel fassen, halbe Bananen mümmeln und belgische Waffeln, Trinkflasche auffüllen und fachsimpeln.

Ich hielt mich dabei nicht lange auf, wollte gar nicht erst auskühlen und dann mühsam wieder in die Gänge kommen. Nach der Streckenteilung strampelte ich lange fast völlig alleine vor mich hin mit dem Gefühl, dass eigentlich ganz gut läuft, ich wuchtete mich die unspektakuläre Neurather Höhe hinauf, fuhr eine Weile mit einer Dreiergruppe, die ich eingeholt hatte, und dann fing es unnötigerweise wieder an zu regnen, worauf ich das Tempo erhöhte - nichts wie raus aus diesem Regengebiet! Lästig war gar nicht mal so sehr die Nässe, die von oben kam, aber die Straße war klitschnass, und ich hatte vom Spritzwasser bald richtig nasskalte Füße. Jenseits vom Dunstkreis der Kraftwerks-Wolkensäulen endete der Regen dann so abrupt wie er angefangen hatte, und ich fuhr und fuhr, ohne Plan, wo ich grade war und wie weit noch bis zum Ziel.

Das erfuhr ich dann beim Stempelholen am letzten Kontrollpunkt, den ich wegen unklarer Beschilderung um ein Haar verpasst hätte: noch 18 Kilometer, also etwa ein Viertel der Strecke vor mir. Der Wind blies nun wieder sehr unangenehm von schräg vorne, und ich hatte ein wenig Sorge, ob ich dem Tempo der ersten drei Viertel nicht schon vor dem Ziel Tribut zahlen muss. Konnte das Tempo aber einigermaßen halten, zumal die Radlerdichte auf den letzten Kilometern vor dem Ziel wieder stark zunahm.

Bei Anfahren an einer Ampel irgendwo im Neusser Süden rauschte von hinten eine Gruppe von sieben oder acht Radlern mit hohem Tempo an mir vorbei, und ich hängte mich richtig rein, um aufzuschließen und dranzubleiben. Das klappte auch eine Weile lang ganz gut, aber um ein Haar wäre ich der Gruppe in die falsche Abzweigung eines Kreisverkehrs gefolgt, denn die Jungs waren wohl doch nicht auf der gleichen Veranstaltung unterwegs wie ich (ich hatte im Eifer des Gefechts auch nicht drauf geachtet, ob die Fahrer Rückennumern tragen oder nicht). Und dennoch: Der Schwung hielt auch auf den letzten Kilometern noch an, durch das dichte Gedränge auf der Fleher Brücke und auf den letzen Metern ins Ziel. Geschafft! Und wie heißt es immer so schön "Erschöpft, aber glücklich" stieg ich vom Rad, holte mir ein Frikadellenbrötchen, warf einen letzten Blick auf die bunte Runde und rollte die letzten Meter zum Darkmobil. Das stand nahe der Fleher Brücke, und es war mir ein Fest, den Fahrern, die jetzt aufs Ziel zusprinteten (und von denen ich auch ein paar unterwegs überholt hatte) entspannt brötchenkauend zuzuwinken.

Kurzum: Schön wars, und insgesamt überhaupt nicht so verbissen, wie ich im Vorfeld befürchtet hatte. Ich selber war aufs Ganze gesehen nicht sooo viel schneller unterwegs als beim üblichen Alleinefahren. Den Unterschied macht aus meiner Sicht eher, dass ich mich auf dieser Fahrt nicht zwischenzeitlich zu entspanneren Gondelphasen hinreißen ließ, sondern mich bemühte, einigermaßen konstant zu fahren. Dass es für einen 28er-Schnitt auf fast 80 Kilometer reichte, lief weit besser als ich erhofft hatte, die Saison ist schließlich noch jung.

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"Meine Hintermänner waren auf die 44-Kilometer-Strecke abgebogen und ich allein auf dem Weg der 77er und 119er-Runde."

Haha. Das kommt vor. Bei den Streckenteilungen weiß man dann bisweilen, warum welche so schnell waren. Habe ich aber auch andersherum schon erlebt: Bin selbst die 80 km Runde gefahren, so dass die hinten über das zu hohe Tempo schimpften und um Mäßigung baten, weil sie über 130 km gingen.

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Ich weiß nicht, ob das hier immer so ist, aber zumindest von dem ausgehend, was ich in meinem Sichtfeld beobachtete, scheint man sich hier schwer zu tun mit Gruppenbildung. Wobei es immer sein kann, dass das bei den früh gestarteten Cracks anders läuft. Aber um mich herum hat es gefühlt ewig gedauert, bis ähnlich schnell fahrende Fahrer, die nicht gleich als Pulk (und eventuell in gleichen Trikots) gestartet sind, mal bisschen zusammenrückten. Wobei sich das freilich bei den aufeinanderfolgenden Ortsdurchfahrten zu Beginn auch nicht nachhaltig aufdrängte. Ich hatte den Eindruck, als würden einige lieber Abstand halten, um über jeden Verdacht von Hinterradlutscherei erhaben zu sein oder um ihr eigenes Tempo nicht nach anderen richten zu müssen.

Was das angeht, unterschied sich das Fahren auf der Veranstaltung nicht wesentlich von dem, wie ich es sonst erlebe. Da gibt es ja auch keine Erwartungshaltung an andere Fahrer, dass die irgendwie auf mir genehme Weise zu fahren hätten. Wem das Tempo zu hoch ist, der soll halt das ihm gemäße fahren. Ich kann da keinerlei moralische Verpflichtung erkennen. Und ich frage mich, ob sich da gewisse Ost-West-Unterschiede manifestieren.

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So ganz ohne ist Gruppenfahren ja auch nicht. Gerade bei RTFs weiß man ja nie, wieviel Fähigkeiten die Mitfahrer haben. Und stürzen will man ja auch nicht unbedingt.... Kann ich schon verstehen.

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Ja, klar.
Mir ist es so rum auch lieber als dass da ein unterschwelliger Gruppenzwang herrscht. Aber nach den ganzen Ortsdurchfahrten in NE-Süd ging es einige Kilometer ziemlich gradeaus, und da hatte ich schon bisschen drauf gehofft, dass man sich zusammenfindet und auch Führungsarbeit verteilt. Die Zugmaschine für die Kurzstreckenfahrer zu spielen, war eigentlich nicht mein Begehr. Von daher war es keine so schöne Überraschung, dass die Leutchen hinter mir im Kreisverkehr Richtung Heimat rechts abgebogen waren. Aber gut, ich beklage mich nicht, es hat mich keiner nach vorne gezwungen. Ich wollte ja auch mal bisschen mehr machen als meinen üblichen Stiefel, den ich bei den Soloritten fahre.

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