Freitag, 7. Oktober 2011
Haus ohne Hüter
Gestern eröffnete mir meine Mutter am Telefon, dass es ihr mit dem Haus und der Verantwortung dafür nun doch zu viel wird. Zuletzt hatte sie noch auf Empfehlung meines Bruders einen Allround-Dienstleister für Hausmeister-Pflichten unter Vertrag genommen, nur um dann festzustellen, dass sie es nicht mitansehen kann, wenn die anfallenden Arbeiten nur halbzerig und hopplahopp erledigt werden. Tja. Nun hat zwar jeder von uns vier Brüdern zu Zeiten seinen Beitrag geleistet, sei es in Verwaltungsdingen oder mit technisch-handwerklicher Unterstützung. Aber um es wirklich zu schultern, sind wir alle zu weit weg, geographisch, beruflich und familiär. Den Gedanken, das große Dreifamilienhaus zugunsten einer passenderen Immobilie (evtl. im betreuten Wohnumfeld) aufzugeben, hat meine Mutter schon eine Weile ventiliert. Und somit kommt das jetzt auch nicht als Riesenschock. Wenn ich ehrlich in mich hineinhöre, welche Gefühle es auslöst, dass das Haus, in dem ich aufgewachsen bin und für das sich meine Eltern seinerzeit ziemlich krummgelegt haben, in fremde Hände kommt, muss ich ehrlichweise sagen: Da ist nichts, keinerlei Wehmut oder Bedauern. Oder kommt das womöglich erst noch, wenn alles über die Bühne gegangen ist? Da lasse ich mich mal überraschen. Zudem besteht ja auch mehr als nur ein theoretisches Restrisiko, dass meine Mutter in letzter Minute einen Rückzieher macht.

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Im Grunde ist es gut, wenn Ihre Mutter diese Lösung nun wählt. Denn letztlich wäre es doch eh nicht zu halten gewesen - oder hätte einer von Ihnen Vieren später das Haus haben wollen und außerdem die anderen auszahlen können?

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Wohl nicht,
von daher denke ich auch, dass es der richtige Schritt ist. Hinzu kommt, dass die meisten Erledigungen von dort aus Fahrrad oder Auto erfordern, und das passt zunehmend weniger in die Lebenssituation meiner Mutter. Die Häufung von kleinen Blechschäden in den vergangenen Monaten hat ihr wohl auch vor Augen geführt, dass sie dem Alter halt auch ihren Tribut zahlen muss (für ihre 84 Lenze ist sie noch verdammt gut unterwegs) und daher ein anderes Mobilitätskonzept oder ein anderer Lebensmittelpunkt her muss.

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Bewundernswert, dass Ihre Mutter da einsichtig ist und die Dinge selbst in die Hand nehmen will anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und das alles zu verdrängen. Das Gute an ihrer eigenen Entscheidung ist ja auch, dass sie jetzt noch selbst bestimmen kann, wo und wie sie dann künftig lebt. Und welche Dinge sie dorthin mitnimmt. Hilfe bei der Organisation und Haushaltsverkleinerung kann sie aber wahrscheinlich trotzdem gut gebrauchen.

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Rational mag das ja durchaus das richtige sein. Das bezweifle ich nicht im mindesten. Aber: Ich fand es schon seltsam, als meine Eltern mal das Haus verkaufen und in eine Wohnung ziehen wollten. Ich muss ehrlich sagen: So ein bißchen Emotionalität ist da schon bei. Mein Zimmer etwa. Erinnerungen. Sie haben es dann doch nicht gemacht und sind nur einen Stock tiefer gezogen. Aber die Frage ist nur verschoben. Das weiß ich.
Schöne aber ist, dass Sie wie ich (und viele andere auch) mit Altvorderen zu tun haben, die sich Gedanken machen und sich überlegen, was sie wie hinterlassen und wie sie alt werden möchten. Das war vor 15, 20 Jahren bei weitem nicht so. Da gab es viel Verdrängung.

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@gorillaschnitzel:
Vielleicht regt sich da ja emotional noch was, wenns soweit ist. Mit meinem Zimmer verbinde ich nicht mehr viel, das hat in der Zwischenzeit mal als Rumpelkammer, Mal- und Bastelraum und als Gästezimmer gedient. Einen massiveren Flashback habe ich mir im Sommer letzten Jahres geholt, als ich seit Jahrzehnten mal wieder ins Freibad gegangen bin, dessen Liegewiese ans elterliche Grundstück grenzt. Die spezielle Geruchsmischung aus Chlorgeruch, Pommesfett und Sonnenöl hat mich emotional echt in die verlorene Jugend zurückgebeamt, zumal sich die ganze Anlage nicht wesentlich geändert hat.

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@ schnitzel: Viel Verdrängung gibt's auch heute noch. Was glauben Sie, wie oft ich schon versucht habe, darüber mit meinem Vater zu sprechen. Der wohnt in einem Kaff, wo es nicht mal einen Bäcker gibt, steckt den Kopf aber in den Sand. Und er besitzt keine eigene Immobilie, sondern wohnt zur Miete.

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„Da ist nichts, keinerlei Wehmut oder Bedauern.“

Du hast nun ein eigenes Zuhause. Eine eigene Familie. Wen wunderts?

Trotzdem wirst Du Dich dabei ertappen wie Du, weil Du gerade in der Gegend bist, doch mal hinfährst, nur um mal zu gucken …

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Kann schon sein,
schließlich habe ich ähnliche Impulse auch schon verspürt bezüglich meiner Studibutze in HD oder meiner langjährigen Wohnung im Mannheimer Multikultiviertel.

Der Stadtteil und Straßenzug meiner Kindheit ist mir aber schon ziemlich fremd geworden, ich finde es jedesmal mühsamer, dort die Spuren des Vertrauten wieder aufzunehmen.

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Ich habe mir nach Jahrzehnten mal die Orte angesehen, an denen ich groß geworden bin. Das hat nicht viel bei mir ausgelöst. Eine etwaige Verklärung findet nur im kopf statt, die reale Begehung der Spuren verlief viel nüchterner, als ich es ohnehin schon erwartet hatte. Da war ein wenig Neugier, das ja, aber Wehmut nicht.

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mark793, "Die spezielle Geruchsmischung aus Chlorgeruch, Pommesfett und Sonnenöl"

Das ist bei mir auch ein absoluter Treffer. Kommt noch hinzu, dass ich einige Jahre in Freibädern gearbeitet habe (nenn` mich The Hoff), mit allen Begleiterscheidungen. Das sitzt tief drin.

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Ist vllt eine Sache des Erwachsenwerden (meine damit, vom Kind der Eltern zu jemand, der selbst Familie hat). Immerhin wohnen Sie auch schon lang genug nicht mehr zu Hause und haben Ihr eigenes Nest gebaut. Bisserl Wehmut ist/ wäre schon zu verstehen.

Als der Mamazwerg umgezogen ist, war das für mich kein Schnitt. Ehrlich gesagt war ich froh, denn nach dem erzwungen Auszug von zu Hause, hat sich dort einiges verändert (in der Wohnung, aber auch in der Gegend) und ich war erleichtert, dort nicht mehr hin zu müssen. In die neue Wohnung fahr ich (meistens) gern.

Ich finde es vernünftig, wenn Leute bei Zeiten erkennen, wenn es ihnen zu viel wird und sie einen anderen Wohnort suchen. Schlimm ist es, wenn diese Einsicht nicht kommt, und dann die ganze Familie rund um die Uhr Schichtpflegedienst aufgedrückt bekommt, und immer mit der Ansgt beim Aufsperren, die geliebte Person irgendwo seit Stunden am Boden liegend zu finden. Hab das nur am Rand einer Freundschaft erlebt, aber das war mir schon zu heftig.

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das sind so problematiken und gedanken, die mir in bezug auf meine eltern auch immer wieder durch den kopf schießen. inzwischen hab ich alle vollmachten, bin also auch mitverantwortlich. das ist schön, weil es freiheiten bedeutet, und bedrückend, weil ich meinen eltern inzwischen das schönste altwerden auf der welt wünsche. und weiß, dass ich mal selber mit meinem mikroeinkommen nichts dazu beitragen werde.

vier brüder - wow!

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@c17h19no3:
Im Orient hätte man für eine Frau, die vier Söhne zur Welt bringt, viele Kamele geboten. ;-)

Meine Mutter ist ja felsenfest davon überzeugt, dass sie "in den Stiefeln" stirbt und hat sich den Papierkram wie Patientenverfügung etc. nur sehr widerwillig rausleiern lassen. Meine beiden älteren Brüder haben gemeinsame Federführung in diesen Fragen, und ich bin eigentlich zuversichtlich, dass wir beiden Jüngeren auch konsultiert werden, wenns drauf ankommt.

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ein guter schritt, den ihre frau mutter da geht.
die meinige hat dies vor zehn jahren auch getan und nicht einmal bereut. sie wird nun 84 und überlegt gerade welches auto sie sich denn nun kauft...

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Neues Auto (A-Klasse)
war vor zwei Jahren dran, in der Zwischenzeit gabs wie gesagt paar kleinere Blechschäden, aber der Begeisterung für das Modell tut das keinen Abbruch.

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Sorry, dass ich da widerspreche. Nicht wegen Ihrer Mutter, die scheint schon in die richtige Richtung zu gehen. Sondern was das Haus betrifft.

Wenn das Haus verkauft wird bekommt man dafür Geld. Wenn Ihre Tochter nicht sehr auf Konfetti steht, würde ich Haus gegen Geld gerade in diesen Tagen für einen schlechten Tausch halten.

Das Geld für eine Wohnung in "betreutem" Umfeld einzusetzen kann wohl auch keine Lösung sein. Mit 84 Immobilien kaufen.

Und das eigentliche Thema: betreutes Wohnen ist das gleiche wie weißer waschendes Waschmittel. Klingt gut, vor allem für die Angehörigen, weil es ein gutes Gefühl macht. Beim Delegieren der Verantwortung. Das ist wie die Zertifikate bei Banken und dient genauso dazu, die Leute von ihrem Geld zu trennen. Die Pflegeversicherung interessiert sich auch sehr für Geld.

Solange der Wille zur Selbständigkeit und ein Minimum an Fertigkeiten noch vorhanden sind, ist das ganze mit Pflegediensten sehr gut und sehr lange zu machen. Wenn man sich selbst darum kümmert und klare Anweisungen erteilt.

Bitte trennen Sie sich von der Idee, dass sich jemals irgendeine Einrichtung oder Institution der Betreuungsindustrie sinnvoll um Ihre Mutter kümmern wird. Man organisiert und steuert das selbst oder vergisst es.

Lassen sie die Bude auf sich und ihre Brüder übertragen und vermieten sie sie. Danach regeln sie alles andere.

Sorry, wahrscheinlich ein bißchen länglich geworden. Bei mir sind schon zwei Pflegefälle aus der Familie gelandet, um die sich vorher jemand hatte kümmern wollen...

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@ilnonno:
Danke für Ihren abweichenden Standpunkt. Die Frage, ob von dem Haus irgendwann dereinst noch ein geldwerter Vorteil auf meine Tochter (oder vorher auf mich) übergehen könnte, habe ich jetzt ehrlich gesagt nicht so prominent auf der Liste gehabt. Der Einwand, dass das Timing grad etwas schlecht sein könnte für eine solche Transaktion, ist schon gravierender, und ich verrate kein Familiengeheimnis, wenn ich sage, dass das (und das ganze Pflegethema auch) durchaus Gegenstand der Diskussion ist. Aber wenn meine Mutter sich das jetzt so richtig in den Kof gesetzt hat, dann zieht sie das auch durch, und dann müsste man schon zum Äußersten gehen, um da noch was dran zu drehen. Aber wie gesagt, wie final oder verhandelbar das noch ist, kann ich im Moment noch nicht genau sagen. Man muss auch mal sehen, ob sich überhaupt ein Preis erzielen ließe, zu dem meine Mutter bereit wäre zu verkaufen.

Dass man mit Pflegediensten unter bestimmten Vorausetzungen sehr komfortabel fahren kann, ist sicher richtig. Meine Tante, die bei meiner Mutter im Haus wohnt (und deutlich weniger fit ist), weiß sich da durchaus helfen zu lassen.

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Je nach Gegend ist es auch nicht gesagt, dass es später mal mehr Geld für das Haus gibt. Die beste Freundin wird mal zwei Häuser erben - dummerweise stehen die in einer eher strukturschwachen Gegend im Westen dieser Republik. Sie sagt, das eine kann sie dann direkt den Mietern schenken und hoffen, dass die das auch nehmen. Denn das Haus werde sie eh nur mehr kosten als es Miete einbringen wird.

Wichtig ist, dass Ihre Mutter auch den ganzen Papierkram (Vollmachten und Patientenverfügung etc.) klar regelt. Nicht, dass es keine Versorgungsvollmacht gibt und das Amtsgericht einen Berufsbetreuer einsetzt, der bezahlt werden muss, während Sie und ihre Brüder keine Entscheidung mehr für Ihre Mutter treffen dürfen. Dagegen kann man sich dann zwar auch wehren, das kostet aber Zeit und Energie.

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@arboretum:
Ja, ich hoffe auch inständig, dass das Zeug jetzt endlich unterschrieben ist. Und das Stichwort Preisfrage/Wertentwicklung ist in den Tat ein spannendes Thema. Ich bin kein Gutachter, sehe aber nicht, dass dort noch große Wertsteigerungen zu erwarten sind. Die Bausubstanz ist (wie die ganze Nachbarschaft auch) aus den späten 60ern, das ganze Viertel ist ziemlich überaltert, zudem ist die Infrastruktur nicht der Hit, innerhalb von MA gab es in den letzten Jahren eher Bewegung Richtung Süden. Im jetzigen Zustand sind auch keine Premium-Mieten drinne, das gibt weder die Lage noch die Ausstattung her, es ist also alles nicht so einfach.

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Immobilienverkauf sollte an bei Zeiten regeln und nicht erst wenn es brennt. Ich meine, irgendwann wird der Zeitpunkt kommen an dem man sich entscheiden muss wer das Haus erbt oder ob man es dann verkaufen soll. Bei vier Geschwistern läuft es auf einen Verkauf hinaus und das wäre dann die Situation in der es brennen würde. Zumindest hätte man im Erbfall schon mal eine Sorge/Diskussionspunkt weniger wenn das Haus rechtzeitig veräußert wurde.

Meine Tante war in einer vergleichbaren Situation. Altes Zechenhaus mit steilen Treppen und künstliche Hüfte. Klar gab es für das Haus deutlich weniger als erwartet, jedoch ist Geld nicht alles. Mit dem Geld wollte meine Tante sich ja keinen Lebensabend im Luxus gönnen, sondern gewisse Kosten auf absehbare Zeit decken. Und alleine schon der Gedanke das da einige Sachen geregelt sind, war es wert sich von dem Haus zu trennen.

Jetzt ist halt genug Zeit um den Verkauf in Ruhe und überlegt über die Bühne zu bekommen. Muss ja nicht in den nächsten 3 Tage verkloppt werden, sondern kann sich ja auch über ein oder zwei Jahre hinziehen. Das sollte genug Zeit sein einen passenden Käufer zu finden der einen akzeptablen Preis zahlt.

Wehmut? Ich denke als Kind mit Geschwistern trennt man sich emotional, zumindest unterbewusst, schon früh von so manchen Dingen.
Ich selber lebe in einer Familie die zwar reichlich Angehörige in jeden Zweig hat, jedoch weder Schlösser noch Ländereien ihr Eigen nennt. Vielleicht würde ich anders denken wenn es da Grundbesitz gäbe der schon seit mehren Generationen in Familienbesitz ist. Dann würde die Trennung wahrscheinlich deutlich schwerer fallen.

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@ralf:
Ja, so ähnlich ist die Abwägung hier auch. Ich bin guter Dinge, dass meine Mutter mit bisschen Zeit und ohne akuten Druck einen deutlich besseren Preis rausverhandelt als eine Erbengemeinschaft.

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Pflegedienste
Betreutes Wohnen muss nicht heissen, dass man eine Immobilie kauft, sondern in ein Haus mit entsprechend happigen Mieten zieht oder eine "Einkaufsumme" zahlt. Dafür sind die Wohnungen dann gehwagenfreundlich, ein Pflegedienst ist im Haus, bei Bedarf kümmern die sich um weitere Unterstützung wie Essen auf Rädern etc.

Wir habe so was in der Nachbarschaft, der neueste Renner sind Kindergarten/Senioren-Kooperationen, also backt Kleiner Tiger da regelmässig Kekse oder singt.

Hier sind das kleine Wohnungen, die sich dorfartig um Innenhöfe reihen und bei denen man nicht "im Heim" lebt, wovor einige ältere Verwandte von mir einen Wahnsinnshorror haben.

Es scheint, nach dem was man mitbekommt, eine durchaus gangbare Alternative zum völlig alleine Wohnen zu sein.

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