Dienstag, 6. Februar 2018
Blogtour: ein Buch zum Verlieben (update)


Eine frühere Kollegin, die mir immer noch sehr nahesteht, hat ihren Debüt-Roman veröffentlicht. Aus diesem Anlass habe ich mich breitschlagen lassen, an einer sogenannten Blogtour teilzunehmen. Dabei greifen mehrere Blogs in aufeinanderfolgenden Beiträgen dasselbe Thema auf – wie in diesem Fall ein Buch -, setzen dabei aber eigene Schwerpunkte. "Dein Weg, meine Liebe" spielt vor allem in Heidelberg (Studentenmilieu) und Umgebung. Und somit bietet es sich geradezu an für mich, der ich im Rhein-Neckar-Delta aufgewachsen bin und in Heidelberg studiert habe, mir das Thema Heidelberg herauszupicken.

Das führt in so manche interessante selbstreferenzielle Feedback-Schleife. Im Roman gibt es eine Rückblende, in der die weibliche Protagonistin Vika mit ihrem früheren Freund Daniel beim Bierhelder Hof (einem abgelegenen Landgasthof im Odenwald) spazieren geht. Ebendort war ich anno 1999 mit der Verfasserin des Romans auch herumgestapft, und schon damals sprach sie davon, irgendwann einen Roman zu schreiben; der Vorname der männlichen Hauptfigur stand auch schon fest: Etienne.



Etienne wohnt in Handschuhsheim in Hanglage und hat Schwierigkeiten, sich von seiner essgestörten Ex-Freundin zu lösen. Ich weiß nicht gesichert, ob Etienne diesbezüglich nach meinem Vorbild modelliert wurde, aber meine Studibutze war auch in schöner Handschuhsheimer Hanglage, und der Loslösungprozess von meiner depressiven Ex hat sich ebenfalls ziemlich lange hingezogen.

Die Erstbegegnung der beiden Hauptfiguren Vika und Etienne findet im Schwimmbad Musikclub statt. Diese legendäre Location ist seit ein paar Jahren geschlossen, aber auf der kleinen Bühne hat so ziemlich alles und jeder gespielt, der im Independent-Sektor einen Namen hat oder auch nicht. Ich erinnere mich vor allem an ein Konzert unseres Mannheimer Lokalhelden Norbert Schwefel, der leider nicht mehr unter den Lebenden weilt. Im Roman ist es die Folksängerin Signe Tollefsen, die den Laden rockt, nachdem Vika unter erschwerten technischen Bedingungen die amerikanisch-niederländische Künstlerin ansagen durfte.



Ihr erstes eigentliches Rendez-vous führt Vika und Etienne in die Max-Bar am Marktplatz. Das Interieur mit seinen antiken französichen Emaille-Werbeschildern wirkt uralt, dabei gibt es den Laden erst seit 1991. Zu meinen Studizeiten in den 80ern war eher das Cafe 7 ein Haus weiter die erste Adresse am Marktplatz, und später war mir die Max Bar meistens zu voll. Lieber ging ich in die großzügige Villa Lounge, in die es unsere beiden Protagonisten dann auch noch verschlägt. Mit dem kühlen Marmorboden an Wänden und auf dem Boden und dem modern-weitläufigen Interieur liefert das Villa ein angenehm-metropolitanes Kontrastprogramm zu der beengten Butzenscheibenromantik der typischen Altstadtkneipen.



Aber grundsätzlich nichts gegen Romantik. Wer hier studierte und nicht mit seiner oder seinem Liebsten oben auf dem Philosophenweg rumknutschte (wie auch Vika und Daniel), der hat einen ganz wichtigen Schein nicht gemacht. Nicht ganz so romantisch geht es in der Turmbar in HD-Bergheim zur Sache. Hier ist Vika mit dem dubiosen Hartmut zugange, der behauptet, der beste Freund ihres verstorbenen Freundes Daniel gewesen zu sein. Die per Aufzug erreichbare Lounge mit Blick auf das Schloss ist inzwischen nicht mehr geöffnet, und zu meiner Zeit in Heidelberg gab es das Lokal noch nicht. Ich war drauf und dran, die Heidelberger Turmbar mit dem Turmcafé "Stars" im postmodernen Mannheimer Stadthaus zu verwechseln. Wohl auch deswegen, weil die Autorin zwischenzeitlich erwogen hatte, diese Szene dort spielen zu lassen. Aber nachdem dieser Glaskasten mit Blick auf die Quadratestadt auch schon bessere Zeiten gesehen hatte, blieb es bei dem Heidelberger Pendant.



Ein ganz wichtiges Zusammentreffen, das mehrere Handlungsstränge des Romans zusammenführt, findet im Vater Rhein in der Brunnengasse statt. Das urige Lokal hat für Heidelberger Verhältnisse recht lange geöffnet, und der Teller Spaghetti Bolognese kostet dort gerade mal 1,90 €, so günstig isst man nicht mal in der Mensa. Für die finale Aussprache zwischen Vika und Etienne nach vielen Verwicklungen und Missverständnissen wird Vika von Etiennes Schwester Marie-Lou in das eher unromantische Bistro des Famila-Einkaufscenters in Heidelberg Rohrbach-Süd expediert. (Langjährige Mitleser werden sich vielleicht erinnern, das Gewerbegebiet ist auch die Endstation der Straßenbahnlinie 4). Hier habe ich mit der Romanautorin, als wir noch Kollegen waren, so manche Mittagspause zugebracht.

Schade ist eigentlich nur, dass meine Heimatstadt Mannheim in dem Roman eher stiefmütterlich abgehandelt wird. Aber das hat meinen Lesegenuss nicht merklich beeinträchtigt. Ebensowenig wie die Tatsache, dass das eigentlich nicht so recht mein Genre ist. Ja sicher, das Buch ist im weitesten Sinn ein Liebesroman, aber es ist noch weitaus mehr als das, es schreckt auch vor Themen wie Tod, Trauer, Schicksalsschlägen und Schuldgefühlen nicht zurück. Es als erster lesen zu dürfen, war mir ein besonderes Privileg und Vergnügen. Und zwar nicht nur, weil ich die meisten Locations kenne, sondern auch so manche Begebenheit im echten Leben, welche die Autorin hier verarbeitet hat.

NACHTRAG: Den ersten Beitrag zur Blogtour hat MissCaptainbook beigesteuert. Inzwischen hat auch der geschätzte notquitelikebeethoven seinen Beitrag veröffentlicht.

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Donnerstag, 25. Januar 2018
Ich glotz (manchmal doch) TV
Auch als Normalerweise-Nicht-Fernsehgucker lebe ich in Sachen Glotze nicht total hinter dem Mond. Viele Blogger und Facebook-Freunde sind ja Serienjunkies, und so kriegt man - ob man will oder nicht - einigermaßen mit, was grade angesagt ist und wer so alles "Game of Cards" oder "House of Thrones" suchtet. Selbst die eher mäßig spannende Zombie-Saga "The Walking Dead" hat ihre Fans in meiner Timeline, und umso mehr erstaunt es mich, dass eine Knallerserie wie "Person of Interest" die ganze Zeit völlig an mir vorübergegangen ist. Ich bin da nur drauf gestoßen, weil ich mal geguckt habe, wo der Komponist des genialen "Game of Thrones"-Soundtracks sonst noch gewirkt hat.

Und was soll ich sagen? Der Serienplot über eine künstliche Intelligenz, die jede Kamera und jedes Mikrophon anzapfen kann, klingt wie gemacht für einen Berufsparanoiker wie mich. Während die Serie ab 2011 auf dem US-Network CBS lief, arbeitete ich mich drüben im FAZ-Blog "Deus ex Machina" an Themen wie permanente Überwachung und predictive policing und all sowas ab, im Finale der fünften Staffel haben die Macher der Serie sogar eine kleine Hommage an Edward Snowden versteckt. Für Leute, die auf die Geschichten von Philip K. Dick und so Zeugs stehen, dürfte "PoI" also eine gute Wahl sein.

Vielleicht hat die Serie in meinen Kreisen nicht so recht gezündet, weil sie zunächst nicht gestreamt wurde wie etwa "Westworld", das von den gleichen Leuten produziert wurde und auf Netflix lief. CBS hat das von den Warner Studios fremdproduzierte Programm auch nicht grade offensiv vermarktet, und hierzulande lief "PoI" auf RTL, das in meinem Bekanntenkreis allenfalls dann geguckt wird, wenn irgendwelche Pseudopromis im australischen Busch sich mit allerlei Ekligkeiten rumschlagen müssen.

Herr Kid37 mag mir da widersprechen, aber ich sehe "PoI" ganz klar in der Traditionslinie von "Akte X". Die "PoI"-Macher berufen sich auch ganz explizit auf dieses Vorbild mit der Abwechslung zwischen abgeschlossenen Fall-der-Woche-Episoden und Folgen, die übergreifende Handlungsbögen weiter verfolgen. Zugestanden, Aliens gibt es keine, dafür aber jede Menge Regierungsverschwörung und überraschende Plot-Twists, etwa, wenn sich die Datenschutz-Terroristengruppe "Vigilance" als False-Flag-Operation entpuppt.

Bin jetzt nur unschlüssig, ob ich mir die DVDs kaufen soll oder eines der Streaming-Angebote nutze. Töchterlein versucht schon die ganze Zeit, uns ein Netflix-Abo aufzuschwatzen, vielleicht sollten wir da jetzt wirklich mit der Zeit gehen.

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Mittwoch, 10. Januar 2018
Die Kirche im Geisterdorf lassen?


Als ich das letzte Mal im projektierten Tagebaugebiet westlich der A 61 unterwegs war, stand der Immerather Dom noch. Die letzte Messe war aber längst gelesen, und in dem weithin sichtbaren Doppelturm schlugen keine Glocken mehr die Stunde. Jetzt wird der neuromanische Kirchenbau dem Erdboden gleichgemacht, damit demnächst die gigantischen Schaufelradbagger vom Tagebau anrücken können und das große Loch von Garzweiler II Richtung Erkelenz erweitern.

Ich bin weder gläubiger Christ noch radikaler Gegner des Braunkohletagebaus, aber wenn der Abriss eines so schönen Kirchenbaus zugunsten der Kohlebagger von RWE schon mich als Ortsfremden sehr bewegt, möchte ich nicht wissen, was das mit den Menschen macht, die regelmäßig zum Gottesdienst herkamen, hier getauft wurden und heirateten. Zugestanden, im Zuge des Tagebaus sind seit dem 2. Weltkrieg zehntausende Menschen im rheinischen Revier umgesiedelt worden, man kann sich schlimmere Katastrophen vorstellen als in eine der neu angelegten Siedlungen umziehen zu müssen. Und dennoch: Der Gedanke, dass die ganze Kulturlandschaft mit allem Drum und Dran, mit all ihren Baudenkmälern unwiederbringlich im großen Loch verschwindet, ist schwer erträglich.

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