Mittwoch, 20. März 2013
Der große TV-Landserroman
Wenn ich die aus dem Netzrauschen gefilteren Signalfragmente richtig dechiffriere, wird im Fernsehen gerade mal wieder der zweite Weltkrieg verloren. Also jetzt nicht nur in Guido-Knopp-Machart, sondern dargereicht als aufwendiger mehrteiliger Kostümschinken. Interessant, wie einig sich das konservative Mediendeutschland anscheinend ist, dass dieses Machwerk von TV-Produzent Nico Hoffmann total wichtig und richtungsweisend sei. Aber ich frage mich schon, unter welchem Stein man die vergangenen Jahrzehnte verbracht haben muss, um zu behaupten, dergleichen habe man ja noch gar nicht gesehen, und erst jetzt mit diesem im Programmheft angestrichenen Historien-Event-Bombast (zweistellige Millionenbeträge! Hollywood-Niveau!!) ergebe sich ein Aufhänger, um mit der Eltern- oder Großelterngeneration über die Schrecken jener Zeit zu sprechen.

Ich weiß nicht, wie das bei anderen Familien war und ist, aber einen Mangel an Kriegserzählungen hatte ich in meiner Verwandtschaft nicht zu beklagen. Wenngleich davon auszugehen ist, dass da auch vieles ausgespart wurde und ungesagt blieb. Mein Vater, der von den Deutschen als Fremdarbeiter ins Reich geholt wurde (und somit offiziell eigentlich Opferstatus hatte), wäre gern zur Waffen-SS gegangen wie nicht wenige seiner ukrainischen Landsleute - allein, er war sehr jung, und ihm fehlten auch zwei, drei Zentimeter Körpergröße. Meine Mutter wäre gern dem BDM beigetreten, aber meine erzkatholische Großmutter wusste das zu verhindern. Wer aus meiner buckligen Verwandtschaft in all den Wahljahren nach dem Krieg die einzige NPD-Stimme im Dorf abgab, war auch nie ein großes Geheimnis. Für meine Geschichtsbewältigung braucht es diesen Schmonzettenrotz, mit Schtzngrmm und Krankenschwester nicht. Aber schön, dass wir drüber gesprochen haben.

... link (51 Kommentare)   ... comment