Mittwoch, 18. November 2009
Desperate Houseman (22)
Töchterchen hatte heute morgen extreme Unlust auf den Kindergarten. Ihr dreimaliges demonstratives Nasehochziehen zur Begründung, warum das heute gaaar nicht ginge, überzeugte mich zwar nicht von der medizinischen Notwendigkeit ihres Zuhausebleibens. Aber nachdem sie normalerweise sehr gerne in den Kindergarten geht, nehme ich das nicht auf die leichte Schulter und lasse sie heute eben zuhause, wenn ihr nicht danach ist. Mir selber ist ja auch nicht immer nach Stuhlkreis, Hopsassa und Trallala.

Meinen Plan, das trockene und vergleichsweise milde Wetter dazu zu nutzen, heute wieder ein paar Kilometer gegen den Südwestwind zu strampeln, kann ich jetzt freilich knicken. Die Kleine möchte nicht, dass ich sie für ein Stündchen allein lasse, und einen Kindersitter treibe ich auf die Schnelle jetzt auch nicht auf. Sei es drum, dann prokrastiniere ich eben anderweitig, indem ich per Mausklick ein bisschen durch die virtuellen Fahrradwelten gondle.

Da ist zum Beispiel ein Thema, das mich latent schon länger umtreibt: der Lenker. Bevor ich den jetzigen klassischen Rennlenker montierte, hatte ich sowas in der Art dran. Der gab mir nicht nur das gute Gefühl, das Rad insgesamt besser und sicherer im Griff zu haben. Vor allem auch im Stadtverkehr hat man damit die Finger einfach schneller und kräftiger an der Bremse, wenns mal eng wird. Nicht zuletzt aus diesem praktischen Grund erfreuen sich diese Lenker bei Kurierfahrern großer Beliebtheit.

Aber leider litt mein Exemplar irgendwann an Materialermüdung. Und inzwischen sind diese speziellen Bügel rare Ware. Was aktuell unter dem Label Zeitfahrlenker oder bullhorn style verkauft wird, ist größtenteils nichts, was man dem betagten Sir Walter mit gutem Gewissen dranschrauben könnte. Preis, Material, Style, Vorbauten und Rohrdurchmesser, da passt schlechterdings überhaupt nichts mehr zusammen. Jetzt habe ich gestern in der E-Bucht allerdings ein gebrauchtes Exemplar entdeckt, das meinen Vorstellungen ziemlich genau entspricht. In vier Tagen endet die Auktion, und da hoffe ich, das Teil günstig angeln zu können.

Und falls ich den Zuschlag nicht bekomme, werde ich auch nicht verzweifeln. Denn die AxtSäge im Haus ersetzt bekanntlich den Zimmermann Eisenbieger. Das Umfrisieren eines Rennlenkers zum Bullhorn qua Laubsägearbeit scheint kein Hexenwerk zu sein und böte sich als Projekt für die langen Winterabende geradezu an. Nach dem Motto: Mach doch mal was mit Hörnern.

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*schmunzel* Nicht verletzen beim laubsägen...

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Bin zwar ein bisschen aus der Übung,
aber die Sägerei an sich ist weniger das Problem. Man muss nur aufpassen mit den Aluspänen. Da empfieht es sich, eine gute Pinzette in Reichweite zu haben.

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Und eine Schutzbrille!

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Das ist Banausie!

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Aber kein eklatanter Stilbruch,
der nicht mit weißem Lenkerband kuriert wäre. Ich sehe Sir Walter (wie auch seinen Vorgänger) ohnehin eher in der Traditionslinie des urban messenger bikes als des klassischen Überland-Renners. Ich bin zwar nicht mehr so viel innerstädtisch unterwegs wie zu Mannheimer Zeiten, vermisse den direkteren Griff zu den Bremsen aber trotzdem. Und den Untergriff des Rennradlenkers brauche ich wirklich so gut wie gar nicht.

Mein jüngerer Bruder hat sein Zweitrennrad (ein ca. 15 Jahre altes Peugeot mit 105-er Ausstattung) mit einem geraden Lenkerbügel samt Brems-Schaltkombi umbauen lassen und ist davon so begeistert, dass sein neueres Hightech-Teil von Koga Miyata nur noch im Keller rumstaubt. Diese Kombination erscheint mir zwar auch gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig, aber wenn er sich wohlfühlt damit, who cares?

Schließlich werden wir auch nicht dafür bezahlt, konform zu den UCI-Richtlinien durch die Gegend zu gondeln, Wettkampf-Ausschluß droht auch nicht (mangels Wettkampf). Und solange ich nicht ins Lager der Single-Speeder, Fixed-Gear-Akrobaten oder gar zum RetroDirekt-Antrieb wechsle, ist bei Sir Walter auch mit Zeitfahr-oder Kurierfahrer-Lenker alles noch im grünen Bereich.

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Du „lenkst“ ab!
Es ist ein Stilbruch. Sogar ein eklatanter. Und um es grob zu formulieren: Du nutzt Deine Stellung als Eigentümer/Besitzer dieses besonderen Gegenstandes aus, um mit ihm zu verfahren wie es Dir beliebt. Wo bleibt denn da Dein Gefühl für Ästhetik? Und guck Dir doch mal die Website des Herstellers an! Die haben ihre Wurzeln vollkommen vergessen, wenn nicht verdrängt! Es ist also gradnahezu ein industriekultureller Auftrag den „Sir“, der auf so wunderliche Wege in Deine verantwortungsvolle Hände gelangt ist, nicht mit solch einem neumodischen Popanz zu beleidigen.

PS: Coole Lenkerform. Sehe ich zum ersten mal. Fährt sich bestimmt richtig geil damit, oder ;-)

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Aber hallo!
Man muss natürlich mit Sattelhöhe und Lenkerneigung bisschen rumprobieren, bis es passt. Aber dann macht es wirklich einen enormen Unterschied im Handling, dass man nicht mit abgeknickten Handgelenken bolzen (und vor allem auch bremsen) muss. Wobei ich auch nicht verschweige, dass man damit bergab nicht ganz so windschnittig und schnell unterwegs ist wie mit dem Untergriff des Rennlenkers.

Und was die aktuellen Irrwege dieser traditionsreichen Fahrradmarke angeht, mag ich mir das Elend gar nicht genauer anschauen. Da klicke ich mich lieber durch eine schöne Bilderstrecke von Klassikern. Das sehr schön erhaltene schwarze dürfte etwa der Vorgänger von meinem sein.

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