Samstag, 16. November 2013
Cycling on HI-NRG Road


Der Allrath-Antrieb lässt mich auch im neuen Lebensjahrzehnt nicht im Stich: Bergheim-Paffendorf war das Ziel der heutigen Radelrunde, genauer gesagt Schloss Paffendorf. Dort informiert der Tagebau- und Kraftwerksbetreiber RWE-Power mit einer Dauerausstellung über die rheinische Braunkohle, den Abbau und die Energiegewinnung. Zudem nimmt die 37 Kilometer lange Themenroute "Straße der Energie" hier ihren Anfang. Die Ausstellung habe ich mir indes für ein andermal aufgespart, zum einen, weil ich keine Kamera dabei hatte und zum anderen wäre es aufgrund meines späten Starts zeitlich etwas knapp geworden, noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zuhause zu sein, wenn ich dort zu lange verweilt hätte. Werde aber ausführlicher berichten, sobald ich mir die Propagandaschau des Energieriesen zu Gemüte geführt habe.

Ach ja, und all jenen, die ihre aufrichtige Anteilnahme an meinem Alterungsprozess bekundet haben, sage ich auch von dieser Stelle aus nochmals allerherzlichsten Dank!

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Freitag, 8. November 2013
Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
Also nur mal angenommen, das Bundespräsidialamt hätte bei mir angefragt, wo unser Staatsoberhaupt denn mal die "wirkliche Wirklichkeit" kennenlernen könne, dann wäre die Neckarstadt-West in Mannheim exakt mein Vorschlag Nummer eins gewesen. In dem Carré der gestern von Gauck besuchten Neckarschule habe ich lange gewohnt, meine frühere Lebensgefährtin hat an dieser Schule im Rahmen ihres Pädagogikstudiums ihre allerersten Lehrerfahrungen gesammelt. Schon damals bildeten Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft eine Minderheit, und der Trend hat sich - nicht zuletzt durch den Zuzug aus Südosteuropa - in den letzten Jahren noch weiter verstärkt. Ich bin seit meinem Wegzug vor fast zehn Jahren nicht mehr so direkt am Puls des Viertels, aber ich kriege noch genug mit, um zu wissen, welche Probleme das Zusammenleben von Bewohnern aus so vielen unterschiedlichen Nationen und Weltgegenden mit sich bringt. Auf der anderen Seite muss man es schon auch als Riesenerfolg anerkennen, dass der Totalabsturz der Neckarstadt-West bislang verhindert werden konnte und dort keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschen. Jenseits des gemauerten Torbogens in dem kleinen Park zwischen der Draisstraße und der Bürgermeister-Fuchs-Straße war es durch die unmittelbare Nähe des Rotlichtbezirks schon immer sehr, nunja, speziell. Und dass der vordere Teil zwischen Messplatz und Neumarkt, wo ich einst wohnte, dann doch nicht so hip geworden ist, wie es sich die Makler und Vermieter zu Beginn der Neunziger erhofft hatten, ist in meinen Augen nicht unbedingt eine Vollkatastrophe.

Aber dauerhaft abgewendet ist die Gefahr des völligen Verfalls des Viertels mit seinen vielen denkmalgeschützten Altbauten nicht. Zumindest scheint die Stadt erkannt zu haben, dass sie es sich (trotz ihrer leeren Kassen) nicht leisten kann, den Stadtteil mehr oder weniger aufzugeben. Ich glaube tatsächlich, wenn Multikulti trotz aller Probleme hier einigermaßen funktioniert, dann sollte es auch anderswo möglich sein. Und in diesem Kontext halte ich die Stippvisite des Staatsoberhaupts (auch wenn das letztlich nicht mehr als eine symbolische Geste gewesen sein mag) dann doch für ein richtiges und wichtiges Signal.

In den Kommentaren zum FAZ-Artikel melden sich jetzt freilich viele Besserwisser zu Wort, die sagen, der BuPrä hätte sich in Mannheim ja wohl das totale Wohlfühl-Programm gegönnt. Wäre es ihm um die eigentliche Wirklichkeit gegangen, hätte er nach Duisburg fahren müssen. Liebe Duisburger, nehmt es mir nicht übel, aber Wanheimerort, Hochfeld und Marxloh sind selbst für einen langjährigen Bewohner von MA-Neckarstadt-West noch ziemlich schwer verdauliche Brocken. In manche Ecken traut sich ja nicht mal mehr Schimanski-Darsteller Götz George hin: Neben dem aufgehübschten Duisburg gibt es in der Stadt inzwischen Orte, die sind so heruntergekommen, da willst du wirklich nicht mit dem Filmteam anrücken. Traurig verwahrloste Gegenden, wo kein Mensch zu sehen ist und alle Häuser vernagelt sind. Es wäre blanker Voyeurismus, sich daran zu weiden. Dann kann man da auch nicht unseren Staatschef hinschicken, das ist doch klar. So einen Rest Hoffnung sollte der besuchte Ort ja wohl noch ausstrahlen.

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Montag, 4. November 2013
Besuch der alten Dame in Schwarz
Wie sich das mal wieder zusammenfügt: Gestern habe ich meine Mutter noch in der psychiatrischen Klinik besucht, heute stolpere ich zufällig über dieses Interview mit Heinz Strunk, in dem er darlegt, wie sehr ihn die Depression seiner Mutter geprägt und letztlich zu einem Humoristen gemacht habe. Es heißt, Humor ist eine Antwort auf Melancholie, um eben diese zu überwinden, sagt Strunk, und wer würde ihm da widersprechen wollen. Im Umkehrschluss müsste ich für mich dann aber auch bilanzieren: Um mich zu einem wirklich großen Humoristen zu machen, war meine Mutter früher dann wohl einfach nicht depressiv genug. Na, danke, Mama. ;-)

Nun ja, schwamm drüber. Nachdem in der gleichen Einrichtung übrigens auch schon meine frühere Lebensgefährtin, mein ehemaliger Seniorpartner und diverse andere Freunde und Bekannte wegen Depressionen stationär behandelt wurden, war es für mich eh nur eine Frage der Zeit, bis ich dort mal wieder als Besucher durch die Pforte gehe. Und auch wenn es schon über zehn Jahre her ist, dass ich das letzte Mal da war, ist doch alles noch erschreckend vertraut. So vertraut, dass ich mich fast frage, ob ich nicht selber auch schon mal als Patient da war und es nur erfolgreich verdrängt habe.

Der Analytiker C.G. Jung gab einst den Rat, den Besuch der alten Dame in Schwarz willkommen zu heißen und zu hören, was sie einem zu sagen habe. Ich bin recht guter Dinge, dass meine Mutter ein Ohr für die nicht unbedingt einfachen Botschaften der dunklen Dame Depression hat und es nicht auf eine Stoffwechselstörung schiebt, der man zwingend medikamentös abhelfen müsste. Ich hatte ehrlich gesagt ein wenig Sorge, dass man mit den pharmazeutischen Helferlein in der Einrichtung recht schnell zur Hand ist, aber bislang scheint man keine Notwendigkeit gesehen haben, meiner Mutter Antidepressiva zu verabreichen. Für den Moment ist es gut, dass von dem heimischen Schlamassel, das sie zunehmend überfordert, mal ein bisschen Abstand gewinnt, und vielleicht hat es diese Krise gebraucht, um ihr zu signalisieren, dass jetzt wirklich Weichenstellungen für ihre weitere Zukunft erfolgen müssen.

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