Mittwoch, 6. Juli 2011
Wie aus dem Gesichtsbuch geschnitten (6)

Das muss irgendeine neue Variante von Internet-Joke (vielleicht Facebook-Flashmob?) sein, die ich nicht so recht verstehe. Wie komme ich zu dieser zweifelhaften Ehre? Roooland - bist Du online?

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Montag, 4. Juli 2011
"Transparenz ist das Mantra der Ignoranten."

Lord John Eatwell, Finanzmarkt-Forscher und Präsident des Queen's College in Cambridge in der Juli-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins "brand eins".

Überhaupt wieder mal eine sehr lesenswerte Ausgabe, nicht zuletzt das Schwerpunktthema Transparenz eröffnet manchen neuen Blickwinkel.

Die Forderung nach mehr Transparenz klingt ja immer gut. Nun lerne ich, dass nicht unbedingt fehlende Transparenz die Problemkaskade auf den Finanzmärkten ausgelöst hat, sondern vielmehr Informationsexzess. Die Informationen über die Risiken bestimmter hochkomplexer Derivate wurden nicht verschwiegen, sie steckten nur in 500-seitigen Beipackzetteln, die kein Mensch verstand. Aber weil man an das systemische Problem de Risiko-Managements nicht herankommt oder -will, beschränkt sich die Politik eben auf die wohlfeile Forderung nach mehr Transparenz.

Und das erinnert mich ein wenig an endlose Debatten in der Werbebranche über Usancen beim Einkauf von Werbezeiten, die wir in der einschlägigen Fachpresse auch gerne gecovert haben. Da riefen die Markenartikler auch immer nach "mehr Transparenz!", zogen aber sowohl bei den dazwischengeschalteten Agenturen als auch direkt bei den Werbeflächenanbietern die Rabattschrauben bis über die Schmerzgrenze hinaus an in der Hoffnung, ein oder zwei Prozente billiger eingekauft zu haben als die direkte Konkurrenz.

Nun hatte sich irgendwann ein prominenter Werbezeitenverkäufer zu der sinngemäßen Aussage hinreißen lassen, den Kunden ginge die lautstark geforderte Transparenz doch am allerwertesten vorbei, solange die relative Intransparenz es ihnen ermögliche, ein paar Prozentpunkte Rabatt mehr herauszuholen.

Der Mann war dann übrigens nicht mehr allzulange in dem Job. Aber jede Wahrheit braucht eben einen mutigen, der sie ausspricht.

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Sonntag, 3. Juli 2011
Flucht aus dem Fest-Netz
Unten auf dem Platz gassenhauert eine grottige Coverband seit Stunden altbierselige Schunkelhits - "Take me home, Country Road" in Kirmestechno-Geschwindigkeit und "Una Paloma blanca", das ganze Repertoire des Grauens rauf und runter.

Ich bin aufs Rad und geflüchtet, aber man entgeht seinem Schicksal nicht, wenn der Fest-Virus den ganzen Landstrich im Griff hat. Im Nachbarkaff veranstaltet der Werbeverband Hülsenbroich-Kotzdonk e.V. einen verkaufsoffenen Sonntag, natürlich mit viel Ufftata, und für das leibliche Wohl ist auch gesorgt. Ein Ort weiter Umleitung wegen hochglanzgewienerter roter Leiterwagen mit blauen Lichtern drauf - oh, Feuerwehrfest, hätte man auch wissen können. Nicht mal in den Gewerbegebieten ist man heute sicher, hier ein Riesen-Trödelmarkt auf dem Parklatz des real-Marktes, dort organisierter Frohsinn in einer ehemaligen Fabrik in Krefeld-Uerdingen.

Ich aber ignoriere den Bratwurst-Dunst und strample weiter am Rhein entlang, vorbei am großen Bayer-Werk, das neudeutsch Chempark heißt. Irgendwann passiere ich die Stadtgrenze Krefeld/Duisburg und merke schnell, hier gibts nix mehr zu feiern, da kommen Spaßbremsen so richtig auf ihre Kosten. Nahe der Eisenbahner-Siedlung kicken ein paar Jugendliche eine leere Coladose über den Parkplatz einer Spedition. Anscheinend reicht ihr karges Taschengeld nicht mal für ein paar Sprühdosen, um sich künstlerisch zu verwirklichen an den vielen tristen Backsteinwänden der Umgebung.

Gerne hätte ich diese Expedition in unbekannte Gefilde von Schimanski-Town fortgesetzt, aber die Glasscherben-Dichte auf Radweg und Straße war mir dann auf Dauer doch zu hoch. Auch wusste ich irgendwann nicht mehr so genau, wo ich eigentlich bin, ob das noch Rheinhausen oder Friemersheim ist, und so habe ich den Rückweg angetreten. Wieder am Chempark vorbei, durch die Dujardin-Straße und durch den Krefelder Hafen, vorbei an der Stelle, wo es immer nach frisch vergorenem Sauerkraut riecht und weiter in die idyllische Verbundgemeinde.

Aber die Hoffnung, dass sich der Umtata-Umtrieb vorm Haus in der Zwischenzeit aufgelöst haben könnte, hat sich nicht erfüllt. Ich verkneife mir mühsam, mit einer fingierten Bombendrohung dem Treiben ein vorzeitiges Ende zu bereiten. Man fragt sich aber schon, was wäre, wenn die Leute mal ein paar Sonntage am Stück "gehaltvolles Zuhausebleiben" (Max Goldt) üben müssten. Ohne Iwänts und Festivitäten, ohne Sonntags-Shopping. Würde es Revolution oder zumindest Randale geben - oder würde doch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich grün und blau zu besinnen, ein paar Einsichten in die Wirkungs- und Verblendungszusammenhänge des "Schweinesystems" zu bekommen?

Man weiß es nicht. Man steckt nicht drin.

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