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Montag, 26. Mai 2008
Oops, I did it again
mark793, 18:48h
Mancher mag es für Masochismus halten, aber ich wollte einfach nicht vorschnell urteilen. Und so ließ ich mich wie bereits erwähnt dann doch breitschlagen, der Zelterei noch eine zweite Chance zu geben. Exakt 200 Stromkilometer rheinaufwärts vom Ort des ersten Versuchs entfernt befindet sich ebenfalls ein Campingplatz. Und zwar nicht irgendein Campingplatz, sondern der mit dem einzigartigen Blick auf den berühmtesten Felsen im Mittelrheintal: die vielbesungene Loreley.Davon abgesehen, dass mich das ganze romantisch verklärte Gewese speziell um dieses Stück Stein ziemlich kaltlässt, ist eines nicht zu leugnen: Die Gegend macht schon was her. Der Strom, dem man hier wirklich ansieht, wieviel Schubkraft seine Wassermassen entfalten, die Berge, die gottlob nicht völlig von Weinreben-Monokultur verunstaltet sind, die vielen Burgruinen und Ortschaften, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, das ist manchmal hart an der Kitschgrenze - und manchmal auch deutlich drüber.
Das Dilemma ist: Man kann einerseits nicht umhin, zuzugeben, dass Deutschland sich hier von seiner schönsten Seite zeigt. Aber gleichzeitig kommt hier streckenweise das Deutsche gleich so knüppeldick und bronzeschwer, dass es fast schon wieder wehtut - etwa am Deutschen Eck in Koblenz, wo seit 1993 wieder das monumentale Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm am Zusammenfluss von Rhein und Mosel thront. Rechtsrheinisch klotzt die Festung Ehrenbreitstein ins Ensemble, ein wehrhaft-trutziger Steinhaufen, dem Preußens pickelhaubiger Drang nach Glanz und Gloria noch aus jeder Mauerritze dampft. Oder am Niederwald-Denkmal, wo die Germania von einem Riesen-Steinsockel am Hang runter auf das Binger Loch glotzt.
Da passt es dann irgendwie ins Bild, wenn bei der Greifvogelschau auf Burg Maus ein Ex-Offizier die Flugvorführung leitet und dabei rumschwadroniert von Hermann, seinem Seeadler und dabei die Kurve kriegt zu Hermann Göring, der ja bei allem Bösen, was man dem Manne nachsagen könne, ja auch ein Flieger-As gewesen sei. Und: Das Jagdgesetz, auf dessen Grundlage auch heute noch das Waidwerk ausgeübt werde in deutschen Landen, sei fast unverändert in der von Göring auf den Weg gebrachten Fassung in Kraft. Nur mit Mühe schaffe ich es, einen bösen Zwischenruf runterzuschlucken, aber da ich das Ende dieser Veranstaltung nicht unnötig hinauszögern mochte, denke ich mir nur mein Teil. Und als wir zum krönenden Abschluss der Vorführung einen ausgewachsenen Uhu streicheln durften, sah ich seinen Betreuer, den alten Kommisskopf, dann doch in etwas milderem Licht.
Wo viel Licht ist, da ist halt auch viel Schatten. Und dass ausgerechnet das kitschige Rüdesheim an dem Tag, als wir dort vorbeischauten, auch von Tausenden von Bikern aufgesucht werden würde, die zur "Rüdesheim Bike Magic" oder so ähnlich einfallen, konnte ich ja nicht ahnen. Dem Krach, den die ganzen hin- und herparadierenden Harleys und anderen Zweirad-Hobel unten auf der Uferstraße entfalteten, entgingen wir nur temporär, als wir uns in die gigantische Touristenfalle der Drosselgasse stürzten. Was ich dort beim Blick durch Butzenscheiben von ultrakitschigen Weinlokalen sah, vermögen Worte nicht angemessen zu beschreiben: schunkelnde Touristengruppen von allen fünf Kontinenten, die sich gegenseitig beim Schunkeln und Saufen fotografierten oder filmten und dabei lachten als hätten sie gerade den tödlichen Witz aus dem Monty-Python-Sketch gehört.
Für ein paar Millisekunden hoffte ich, ich wäre durch ein Wurmloch im Raumzeit-Kontinuum nach Las Vegas versetzt worden in einen der Rheinbiege nachempfundenen Themenpark namens "Rudesheim reloaded", aber da überall Euro-Preise galten und nicht the almighty buck regierte, war mir dann doch klar, dass ich hier wirklich im realen Rüdesheim gelandet war und dass nichts, was ich schon aus Heidelberg kannte, mich angemessen auf den Wahnsinn vorbereitet hatte, der mich hier umwogte. Wie auch immer, wir kamen lebend raus aus dieser Hölle. Ich schaffte es auch, mit meinen Lieben zum Parkplatz zu gehen ohne dem Impuls nachzugeben, den einen oder anderen graubärtigen Fettsack von seiner nervig lauten Harley zu treten. Aber diese Typen waren nun mal in der Überzahl, und so blieb uns nur die Flucht.
Zum Zelten und dem seltsamen Völkchen auf dem Campingplatz wäre auch noch einiges zu sagen. Ob oder unter welchen Umständen ich mir das eventuell nochmal gebe, mich da einzureihen, darüber möchte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Prognose abgeben. Ich muss das alles erst mal ein bisschen sacken lassen.
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Donnerstag, 22. Mai 2008
Abwesenheitsnotiz (3)
mark793, 14:32h
Einstweilen weiter mit Musik.
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Sonntag, 18. Mai 2008
Vom Fischer Camper und siner Fru
mark793, 16:33h

Spätestens nach der Lektüre dieses Eintrags mag sich mancher geneigte Leser die Frage stellen: Was treibt Menschen mit einem ordentlichen Dach über dem Kopf um, für eine Nacht auf einem Campingplatz zu zelten? Und das bei nicht so tollem Wetter und nicht einmal 20 Kilometer Entfernung zur heimischen Wohnung? Tja, die Frage gebe ich gerne weiter an meine Frau. "Schatz", so sprach die beste von allen am Freitag nachmittag, "ich möchte sooo gerne mal ausprobieren, ob mein Zelt noch was taugt. Lass uns auf den schönen Campingplatz am Rhein fahren und zelten. Du wirst sehen, das wird total gemütlich."
Das hätte als Drohkulisse eigentlich schon reichen müssen. Denn als "gemütlich" empfindet der Deutsche ja auch urige Wirtshäuser mit schweren dunklen Eichenmöbeln, in denen alte Wagenräder und Ochsengeschirre den Wandschmuck bilden. Hinzu kommt, dass ich leicht klaustrophob bin und mir nach meiner letzten Zelterfahrung im Ferienlager von Y-Reisen gesagt hatte: "Junge, das gibst Du Dir allenfalls dann wieder, wenn Du es bei Ausbruch des dritten Weltkriegs nicht schaffst, rechtzeitig zu desertieren vor der Wiedereinberufung." Und wenn im Urlaub oder bei sonstigen Gelegenheiten meine Barschaft nicht für eine ordentliche Unterkunft mit Dach überm Kopf reichen würde, so mein fester Vorsatz, dann bliebe ich eben zuhause.
Und ich kann nicht sagen, dass ich mit diesem Prinzip schlecht gefahren wäre im letzten Vierteljahrhundert. Aber
Aber auf die Gefahr hin, den Spannungsbogen an dieser Stelle gleich in sich zusammensacken zu lassen: Es ist mir nicht gelungen, die Nacht im Zelt so richtig zu genießen. Aufbauen und sich gemütlich betten funktionierte reibungslos, die Kleine fands total super und schlummerte denn auch gleich weg. Aber sobald ich mich auch flachlegte, kriegte ich erst mal voll die Beklemmung. Das Gefühl, nicht genügend Frischluft zu kriegen, legte sich wie ein schwerer Alpdruck auf meine Brust.
Dem Umstand war mit partiellem Öffnen der Lüftungsklappe einigermaßen abzuhelfen. Aber irgendwie fand ich auch nicht so recht die Körperhaltung zum Einschlafen. Und jedesmal, wenn ich mich gerade anschickte, in Morpheus Arme zu sinken, war irgendwas anderes: Mal veranstalteten die drei Mädels im Zelt links von uns eine lautstarke nächtliche Prozession zum Waschraum, dann war mal eine Weile lang Ruhe, bis es dem Nachbarn rechts einfiel, dass er seine Luftmatratze mal wieder aufpumpen könnte, was eine gefühlte Dreiviertelstunde dauerte. Vielleicht wurde das ewige "ffft, ffft, ffft" auch anders erzeugt, das will man eigentlich gar nicht so genau wissen.
Man will nur, dass es end-lich aufhört. Aber den naheliegenden Gedanken, mit dem Darkmobil das Zelt des Nachbarn zu Klump zu fahren, dann den Rückwärtsgang einzulegen und nochmal drüberzuschirgeln, damit dann wirklich Ruhe ist, konnte meine Frau mir erfolgreich ausreden. Überhaupt muss ich sagen: Sie hat wirklich alles versucht, um mir den Aufenthalt im Zelt so angenehm wie möglich zu machen. War mir zu warm, fächelte sie mir Kühlung zu, war mir zu kühl, spendete sie mir Körperwärme.
Allein, es fruchtete wenig, und ich haderte nicht zu knapp mit der absurden Gesamtsituation: Da wälzt man sich sinnlos und ohne Not in prekär-primitiven Verhältnissen rum, während vielleicht zehn Autominuten entfernt das komfortable Ehebett im Schlafzimmer verwaist rumsteht. Von dem Krach, den Mutter Natur mithilfe von Windböen und massivem Regengeprassel auf der Zeltplane veranstalten kann, will ich gar nicht reden. Ich kann nur jedem, der einen einigermaßen leichten Schlaf hat, davon abraten, direkt am Rheinufer zu nächtigen. Da tuckern untentwegt Schiffe stromauf und stromab. Und wenn sich so ein schweres Containerschiff von Rotterdam her mühsam und schwerfällig stromaufwärts schiebt, dann vibriert gut zehn Minuten lang die Luft von dem schweren Schiffsdieselgebrumm. Hat sich so ein Pott dann endlich ein paar Rheinschleifen weiter außer Hörweite gewuchtet, dringt von Kaiserswerth wieder das Uffta-Uffta-Gewummer einer Dorfdisko über den Strom.
Ich weiß nicht, wie es zuging und wann es war, dass mir endlich doch noch die Sinne schwanden. Das nächste, was ich weiß, ist, dass gefühlte zehn Minuten später sämtliche Vögel der Umgebung aus vollen Kehlen anfingen, rumzubrüllen und zu tirilieren, dass Gott erbarm. Bis zum Frühstückskaffee war es von da noch ein weiter Weg. Aber ich bin ihn gegangen. Half ja alles nichts. Und als die beste Ehefrau von allen mich tröstete mit dem Hinweis, "sieh es mal so: Da hast Du doch wenigstens wieder was zu bloggen" - da musste ich ihr natürlich recht geben.
Wenigstens dafür wars gut.
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