Mittwoch, 9. November 2016
Zeitenwende
Interessant zu sehen, wie alle Welt jetzt Schnappatmung kriegt wegen des Trampels neuen Präsidenten im weißen Haus. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten wollte, ich hätte ihn von vornherein als klaren Sieger gesehen. Aber wirklich überrascht bin ich dann doch nicht, ich habe das Rennen gestern abend beim Zubettgehen exakt bei 50:50 gesehen (fragen Sie meine Frau).

Was der Sieg von Trump jetzt innen- und außenpolitisch für Implikationen hat, ist nicht mal ansatzweise absehbar. Ehrlich gesagt finde ich die "WIR WERDEN ALLE STÖRBEN"-Hysterie in meiner Timeline grad etwas übertrieben. Aber einen Gedankengang dazu möchte ich dann doch mal anreißen: Vielleicht haben wir heute das anbrechende Ende des Medienzeitalters gesehen.

Punkt. Absatz.

Wie komme ich auf dieses dünne Brett? Nun, es ist wohl ziemlich unstrittig, dass Hillary die US-Medien größtenteils auf ihrer Seite hatte. Es wurde nichts ausgelassen, um Trump als sexistischen und tumben Vollspacken (der er womöglich auch ist, was weiß denn ich schon?) hinzustellen. Was die Leute aber nicht abgehalten hat, ihn zu wählen. Wenn also Hillary mit der geballten Medienmacht im Rücken nicht ins weiße Haus zu schreiben und zu senden war, dann kann es mit der Medienmacht nicht weit her sein, so weit, so banal.

So sieht das jedenfalls Fefe: Ich schließe daraus, (...) dass die sozialen Medien und Filterblasen inzwischen mächtiger sind als die alten Medien. Das ist ein sehr beunruhigender Gedanke für mich. Für mich als Angehörigen des Was-mit-Medien-Prekariats natürlich im ersten Moment auch. Aber ich bin noch genügend mit der realen Welt da draußen jenseits des Medienmetiers verdrahtet, um mich zu fragen, wer da eigentlich in einer Filterblase sitzt: die ganz normalen Leute da draußen - oder nicht vielleicht doch eher die Welterklärer_Innen von New York Times, WaPo und CNN?

Ich sage es ungern, aber der Vorwurf ans Wahlvolk, in abgeschotteten Filterblasen und Echokammern zu leben, fällt auf die Medienmacher selber auch zurück. Hierzulande schwimmt die Medienmeute von ARD bis Zeit doch auch überwiegend im eigenen Saft und bestärkt sich gegenseitig darin, wie rechtgeleitet und fortschrittlich gesinnt sie doch ist. Aber gleichzeitig lässt sich nicht länger leugnen, dass die vermeintlich meinungsführenden Medien an Lufthoheit immer mehr einbüßen, und in diesem Kontext darf ich das Salbadern von Medienmachern über das "postfaktische Zeitalter" gerne mal in Klartext übersetzen: Postfaktisch heißt soviel wie "Sie glauben uns nicht mehr" und "Wir haben es nicht mehr im Griff".

Man kann das beunruhigend finden. Zumal es ja tatsächlich Leute gibt, die sehr unersprießliche Ansichten vertreten, die in unseren Kreisen verpönt sind und mit Ächtung abgestraft werden. Aber erstens ändert das nichts an den Ansichten der Leute, und es trägt auch nichts zum Verständnis dessen bei, wo die Bruchlinien innerhalb unserer Gesellschaft tatsächlich verlaufen.

Das kann nur gelingen, wenn man sich aus der Komfortzone des eigenen juste milieus mal herausbewegt und ohne Unterstellungen und Vorverurteilungen versucht zu verstehen, wo die Leute der Schuh drückt. Ich darf in diesem Zusammenhang auf einen Beitrag von Michael Seemann (Sagen sie jetzt nichts, ich weiß, ich weiß) hinweisen, der von einer Innensicht unserer hochvernetzten Was-mit-Medien- und Internet-Welt einen Blick nach draußen wagt und im Nachgang eine sehr lesenswerte Debatte erzeugt.

Aber ich gebe vorsichtshalber mal eine Triggerwarnung ab: Da meldet sich in den Kommentaren ein Rechtspopulist zu Wort.

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