Donnerstag, 24. April 2014
Notre vie avec une fille française (3)
Mademoiselle Leroc hat jetzt etwa ein Drittel ihres Aufenthalts bei uns hinter sich gebracht. Ich glaube sagen zu können, dass sie in dieser Zeit wirklich ein Familienmitglied geworden ist, wir haben sie trotz mancher Macken sehr ins Herz geschlossen. Ihr Verhältnis mit Töchterlein ist nicht immer konfliktfrei, aber im großen und ganzen recht harmonisch. Sie plappert ziemlich munter und unbefangen auf Deutsch, Heimweh war schon lange kein Thema mehr, es wäre alles geradezu perfekt, gäbe es da nicht etwas, was inzwischen kolossal nervt: die Tischsitten unseres Gastkinds.

Ich muss dazu vielleicht vorausschicken, dass wir nicht allabendlich mit Stock im Hintern und an die Hüften gedübelten Ellbogen Gala-Dinners mit komplizierten Besteckfolgen zelebrieren; ich selber würde uns, was Benimmfragen angeht, eher im unteren Mittelfeld sehen. Und ehrlich gesagt hatte ich im Vorfeld eher Sorgen, dass wir vielleicht nicht so gut aussehen im Vergleich, wenn die Franzosen kommen mit ihrer Esskultur und all ihrem Chichi und je-ne-sais-quoi. Nun wissen wir spätestens seit dem Besuch der Lerocs: Das sind weder Banausen aus den Banlieues noch Vertreter einer Großbourgeoisie, die mit der silbernen Einlauftülle im Hintern aufgewachsen ist. Wir hatten zumindest von diesem einen gemeinsamen Abendessen nicht den Eindruck mitgenommen, als könnten die Leute nicht richtig mit Messer und Gabel essen.

Wie auch immer: Meine Frau und ich rätseln, wie einer 10jährigen aus nicht schlechtem Hause solche Basics fehlen können wie den Mund beim Kauen geschlossen zu halten. Beim Frühstück holt mir das Geschmatze manchmal schier das Essen vom Vorabend wieder hoch, da kann man noch so oft sagen mach den Mund bitte zu beim Kauen. Ist auch nicht so, dass wir es nicht mit Zeichensprache probiert hätten, als es mit der verbalen Verständigung noch mehr im Argen lag. Und da haben wir von nicht mit den Fingern im Teller rumpulen, Serviette auf den Schoß, mit Messer und Gabel essen, nicht anfangen, bevor alle sitzen und danach Besteck ordentlich auf den Teller legen und nicht aufstehen und rumhüpfen während des Essens noch gar nicht gesprochen. Zumal Töchterlein diesem Beispiel dann auch nacheifert und das Ganze dann - wie gestern abend zum Beispiel - in ein derartiges Heckmeck ausartet, dass ich kurz davor war, auf den Tisch zu hauen und "Scheiße nochmal, so läuft das hier nicht" zu brüllen.

Aber was soll ich sagen, heute nachmittag habe ich mir das hier von der Seele geschrieben, und das Abendessen verlief wie es soll und ohne nennenswerten Anlass zur Beanstandung. Na bitte, geht doch (andernfalls hätte es aber auch ein Donnerwetter gegeben, echt jetzt).

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