Dienstag, 4. September 2007
A 3 - Treffer
Nach großen Familienfesten mit viel Präsenz an buckliger Verwandtschaft möchte ich eigentlich gleich wieder anfangen zu rauchen. Nicht, dass der 80. Geburtstag meiner Mutter am Wochenende besonders nervig gewesen wäre oder die Kleine uns zur Verzweiflung getrieben hätte. Nein, weit gefehlt: Fast durchweg angenehme Stimmung, keine großen Misstöne oder gar Ausfälligkeiten, die Kleine präsentierte sich auch das ganze Wochenende als Sonnenscheinchen, gutes Essen gab es in Hülle und Fülle. Und trotzdem: Es strengt an. Lutscht mich förmlich aus. Und das liegt nicht an den mehr als 600 Kilometern, die ich Freitag und Sonntag in einem vollgeladenen Darkmobil mit Frau, Tochter und Hund an Bord vom Nieder- an den Oberrhein und zurück kesselte.

Ich kann es nicht sagen, was es ist, das mich an diesen Famlilienzusammenkünften immer so anstrengt. Und den Wunsch weckt, mir danach eine Zigarette anzuzünden, um wieder einen anderen Geschmack auf die Zunge zu bekommen. Und dann die Reifen der hinteren Antriebsachse des Darkmobils bisschen anzukokeln beim Herausbeschleunigen aus dem Parkplatz des Lokals, in dem wir gefeiert haben und gefühlte anderthalb Stunden brauchten vom Entschluss, zu gehen bis hin zu dem Punkt, wo man sich endlich von allen verabschiedet hatte und das ganze Geraffel, das man als Kleinfamilie so mit sich rumschleppt, endlich im Auto verstaut war.

Irgendwann am früheren Samstagabend hatte mich mein jüngerer Bruder gefragt, ob ich es mir denn vorstellen könnte, nach Mannheim zurückzukehren. Klar, vorstellen kann man sich viel. Auch wenn mir ehrlich gesagt die Phantasie für ein entsprechendes Szenario fehlt, das einen solchen Schritt zurück in die Heimat nahelegen würde. Davon abgesehen weiß ich auch genau, dass es mit Familie/Verwandtschaft ja auch nur unter der Prämisse der größeren räumlichen Distanz so entspannt läuft wie jetzt. Säße ich wieder näher dran, wäre ich unausweichlich auch wieder vermehrt Adressat von Erwartungshaltungen und womöglich Lieferant von Zurückweisungen und Enttäuschungen, die daraus resultieren, dass ich keine Veranlassung sehe, mich mit auf diese Erwartungshaltungen und Projektionen allzuweit einzulassen.

Wer weiß, vielleicht verkläre ich dieses Städtchen am Zusammenfluss von Rhein und Neckar aus der Ferne auch zu sehr. Der Sommer war da unten in der sonst so sonnigen Rheinebene genauso verregnet wie hier. Und was diese Ecke hier noch so alles zu bieten hat, haben wir ja gerade erst angefangen zu erkunden. Wenn also nicht die Pegel der Weltmeere um 50 Meter steigen, sollte es sich noch eine Weile aushalten lassen am Niederrhein. Und bei akuten Schüben von Heimweh kann man sich immer noch sagen, hit the road, Jack!. A 3 - Treffer, versenkt.

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Diese Müdigkeit...
... kenne ich auch und sie ähnelt sich stark der Müdigkeit, die mich bei filmischen Familienmelodramen beschleicht. Alles so psychologisch durchdrungen und geballt. Erwartungen und Abgängigkeiten.

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Oh ja, ich kann Sie gut verstehen. Auch ganz ohne das Gefühl, mit unerwünschten Erwartungshaltungen konfrontiert zu werden, halte ich kein Familienfest länger als drei-vier Stunden am Stück aus, bis ich in eine Auszeit für mich fliehe (wofür die Zigarettenpause früher in der Tat eine hervorragende Gelegenheit war). Schon akustisch bekomme ich irgendwann einen Rappel, wenn alle beisammen sind und durcheinander reden.

Das mit der Erwartungshaltung... nun, das ist so eine zweischneidige Sache. Oft ist man ja auch einfach nur empfindlich und vermutet hinter einer harmlosen Anfrage schon einen unterschwelligen Zwang. Dabei liegt das Problem nicht selten bei einem selbst, der man ja einfach und bestimmt "nein" sagen könnte. Wenn man denn selbst davon überzeugt wäre und nicht heimlich ein schlechtes Gewissen behielte, sich dem Bild zu verweigern, das andere von einem haben.

Andererseits gibt es sicher sinnlose Dauerkonflikte, denen man sich irgendwann auch nicht mehr ausliefern muss, wenn ein eigener, abweichender Standpunkt einfach nicht respektiert wird. Räumliche Entfernung ist da schon heilsam.

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Oh ja, das kann ich gut nachvollziehen.

Ich bin auch froh, eine anderthalbstündige Distanz zwischen mich und die Anverwandtschaft gebracht zu haben, während der Rest der Sippe immer noch aneinanderklebt.
Mehr als eine Handvoll Familienzusammenkünfte im Jahre wären mir definitiv zuviel, so genieße ich dann doch lieber das ein oder andere Telefonat, oder die Emails mit denen, die dieses Kommunikationsmedium schon erlernt haben und lebe ansonsten für mich selbst.

PS: bei der A3 stand ich ja lange auf der Leitung.

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hab gestern jemanden getroffen, der wegen dieser starken familienbande seinen ungeliebten job nicht aufgibt und in der stadt bleibt, obwohl es ihn ganz woanders hinzieht. ödipale verhaftungen. der mensch wird niemals richtig glücklich sein.

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Ich spüre den starken Drang, Ihnen zu widersprechen, dabei kenne ich den Menschen nicht mal.

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@morphine: Solche Leute kenne ich zur Genüge.

Die sind bleiben der heimatlichen Scholle lebenslang verbunden. Andererseits: Warum nicht? Warum einen funktionierenden Freundeskreis aufgeben und in der Ferne neu aufbauen müssen für ein- oder zweihundert Euro mehr im Monat die dann eh fürs Fitnessstudio- Abo draufgehen?
Das ist doch in den seltensten Fällen die Mutti die sonntags so lecker kocht oder auch die Schmutzwäsche mit annimmt (auch wenn man diese Dienstleistungen natürlich mitnimmt wenn sie denn schon geboten werden)

Ich kann die Leute verstehen, auch wenn ich einen anderen Weg eingeschlagen habe.

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Ferndiagnosen
sind immer schwierig, auch wenn solche Fälle natürlich eine Verlockung darstellen, sich daran zu versuchen. Den anderen Punkt von wegen, bliebe mir den netto denn wirklich mehr in der Tasche, finde ich auch nicht uninteressant in diesem Zusammenhang. Für mich waren solche Überlegungen durchaus mal ein Grund, ein Jobangebot in München abzulehnen...

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Es scheint ein Naturgesetz zu geben, das besagt, dass zwischen der Entscheidung ein Familienfest zu verlassen und dem Moment, an dem man tatsächlich geht, mindestens anderthalb Stunden liegen müssen. Und 90 Minuten können mitunter verdammt lang sein, wie die Abwehr von Hansa Rostock bestätigen könnte.

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Kennick. Da könnte ich noch so viel über Heimweh lamentieren: wenn dann erstmal meine 480 Km bis zum Haus meines Aufwuchses anstehen, möchte ich mich auch lieber ins Bett legen und so ein Wochenende in Berlin verschlafen, statt es in der Heimat zu verbringen.

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..irgendwie kehrt man doch wieder an den Ort seiner Kindheit zurück.
Ich sprech da aus Erfahrung.
Damals wollte ich aus dem bürgerlichen Mief ausbrechen , bin in die große weite Welt gezogen..
festzustellen das da auch nicht alles so toll ist -.
und dann heimzukehren, ein Haus zu bauen , einen Sohn zu zeugen und einen Baum zu pflanzen.


Aber : Heimat ist da , wo mein Koffer steht-.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen :)

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Big Family is watching
Ja, das familienfeindliche Pamphlet lag mir auch schon oft in den Fingern - aber noch schlimmer als das Familienfestszenario an sich, ist ein Familienfestszenario NACHDEM die liebe Verwandschaft von der niedergeschriebenen Abrechnung erfährt. Wer weiß wo so ein Text mal landet..

http://philot.blogger.de/

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Nun ziehe ich hier
ja keinem Familienmitglied die Hose runter, da fand ich den Bericht von Frau Morphine ungleich bösartiger. Im Vergleich zu früher sehe ich das ganze Treiben ja schon recht altersmilde. Nicht zuletzt auch deswegen, weil ich in der Zwischenzeit eine überaus vorzeigbare Frau und ein süßes Töchterlein als Joker ins Spiel gebracht habe. Das hat zwar nicht alle Probleme gelöst, hat aber einiges an Blockaden und eingespielten Mechanismen aufgebrochen.

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Diese wahnsinnig lange Geschichte, die einen mit diesen verwandten Menschen verbindet, macht die Sache so anstrengend, denke ich. Die Leute haben dann ein Bild von einem im Kopf, das vielleicht schon lange nicht mehr der Realität entspricht. Oder sie versuchen, dieses Bild anzupassen und dabei erkennt man sich in so Situationen selbst kaum wieder. Weil in Zusammenhang mit Eltern, Geschwister usw. plötzlich wieder so kindliche Selbstbestätigungsbedürfnisse auftauchen.

Wie auch immer, nach meinem Familienbesuch vor zwei Tagen, habe ich mir jedenfalls bei der nächsten Tankstelle erstmal eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug gekauft.

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Oje, so schlimm?
Eigens deswegen wieder anfangen mit der Qualmerei würde ich wohl nicht. Aber das Bedürfnis nach ner Kippe war schon sehr massiv da...

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Nö, ganz so schlimm war's auch wieder nicht ;-)
Ich habe gerade sowieso eine rückfällige Phase. Die ist aber noch so moderat, dass ich keine Rauchwaren dabei habe.

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OK, Sie tragen also
keinen Pelz. Aber wie siehts mit Tabakwaren aus?

Sorry, diese kleine semantische Spitzfindigkeit lag einfach zu nahe. ;-)

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Ui, dann habe ich dieses Worte jetzt schon seit Jahren mißbraucht! Ich korrigiere: Rauchutensilien. (Eine schnelle Suchmaschinen-Überprüfung ergab hier keine weitere Fehlinterpretation)

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Obwohl ich ja ihr Blog "überwache", sind jedesmal, wenn ich ihren neuesten Beitrag aus meinem Feedreader fische, schon so 13 bis 37 Kommentare hinzugekommen, die ausgedruckt einmal über den Rhein reichen würden. Da ist dann nix mehr mit mal eben in der Frühstückspause lesen, und deshalb komme ich auch nicht zum Kommentieren. Das ist jetzt keine Welterkenntnis, sondern nur wegen meiner Bloggerpflicht zum Rumnöhlen ...

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Gerade auch für Motzblogger
haben wir in der Dunkelkammer stets ein offenes Ohr. Ich überlege, wie wir das technisch in den Griff kriegen könnten, dass Sie auch mal vorne mit dabeisein können beim Kommentieren. Vielleicht per Mail/IM/SMS benachrichtigen, kurz bevor ein neuer Beitrag online geht? ;-)

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Ich habe Mitleid mit Ihnen,
denn in Russland musste ich mindestens ein Monat lang genau dieselbe Geschichte mit den Freunden und Bekannten haben...

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Ach, das Mitleid
ist bei Ihnen sicher besser aufgehoben. Bei mir war es ja nur ein Wochenende. Da ist ein ganzer Monat Heimatprogramm doch eine größere Herausforderung, denke ich.

Aber wo ich Sie grade hier habe: Vielleicht können Sie uns hierzu ein bisschen was erzählen, also welchen Text die Hymne jetzt hat...

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