Donnerstag, 6. Oktober 2016
Von helden lobebæren, von grôzer arebeit


Da gibt es leider nichts zu beschönigen: Das Narrativ "weiße alte Männer starten unter widrigen Umständen bei einer Radveranstaltung und wachsen förmlich über sich selbst hinaus" ist bereits so ziemlich auserzählt. Da ist keine überraschende Wendung drin, das ist gewissermaßen das Schwarzbrot der fahrradaffinen Bloggerei.

Allerdings muss ich ehrlicherweise vorausschicken, dass über unserer Teilnahme an der 20. Ausgabe der L'Eroica in Gaiole etliche Fragezeichen schwebten. So hatte die Presse-Abteilung unsere Teamanmeldung versaubeutelt, und ob wir noch Startnummern bekommen würden, konnte man uns nicht versprechen. Dann habe ich es auch noch fertiggebracht, den Mitfahrer in Ingolstadt sitzen zu lassen, weil ich ihn am Zweitwohnsitz Tegernsee wähnte, das gab auch nochmal Kuddelmuddel.

Aber irgendwie hat sich dann doch alles gefügt, wir kamen Freitagabend in Gaiole an, bekamen noch Startnummern von abgesprungenen Teilnehmern (in meinem Fall von einem japanischen Herrn, der so ähnlich hieß wie Takeshi Tamagotchi), wir bezogen wieder Quartier in Staggia und machten uns Samstag einen schönen Tag mit einer ausgiebigen Testrunde auf sonnigen toskanischen Hügeln und diversen Rundgängen auf dem Markt.

Aber abends sah es dann so aus:



Und wie es dann am Sonntag weiterging, steht in den Kommentaren...

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Morgens um fünf, als der Wecker klingelte, hatte es zumindest aufgehört zu regen, aber dicke Nebelschwaden waberten durch die nächtliche Landschaft, als wir mit den Rädern im Kofferraum kdes Darkmobils um unzählige Kurven von Staggia nach Gaiole kariolten. Frühstück gab es natürlich nicht, und von der Kurverei war uns ganz schön flau im Magen. Vor dem Start konnte ich in einer Bar noch zwei Espresso kippen und ein Stück Marmorkuchen verdrücken, aber es war immer noch bitterkalt, und ich habe mich wirklich nicht gut gefühlt.



Aber so war das vor anderthalb Jahren bei der Frühlingsrunde auch gewesen, nicht ordentlich gefrühstückt und erst mal gefroren beim Losfahren, von daher hoffte ich, dass ich mich spätestens am ersten ernsthaften Anstieg warmgekurbelt haben würde.



Tags zuvor hatte ich dort auf der Testrunde leicht geschwächelt vor dem steilsten Stück hoch zum Castello di Brolio, zuwenig getrunken und zuviel obenrum an in der Tageshitze, aber jetzt in der kühl-feuchten Morgenwitterung lief es erfreulich rund.



Dank der "granny gears" mit 28 vorne und 32 Zähnen hinten konnte ich auf dem steilen Schotterstück schön weiterkurbeln ohne abzusteigen und zu schieben.



Das galt übrigens auch für alle anderen Anstiege (und da wir einen zusätzlichen unnötigen Schlenker auf die 75-km-Runde machten, waren da einige Hochprozenter zu bewältigen). Ob die indes steiler waren als die Anstiege auf der Frühlingsstrecke um Buonconvento, vermag ich nicht zu sagen. Wahrscheinlich hat das Höhentraining rund um den Tegern-, Achen- und Schliersee im August das entscheidende Plus in der Form geliefert.



Anders als im Frühling hat sich die Strecke bis zum Verpflegungspunkt aber ziemlich hingezogen, mein Magen hing schon ziemlich in den Kniekehlen, und von der schematischen Karte im Stempelheft ließen wir uns auf der Suche nach Essbarem noch ein Stück auf die 75-km-Strecke lotsen, was uns aber wie gesagt nur zusätzliche Höhenmeter auf dem Rückweg zur Streckenteilung auftischte.



Doch irgendwann hatte die unfreiwillige Fastenkur ein Ende: Es lockten mancherlei Häppchen samt Wasser und Rotwein in schöner ländlicher Umgebung, in Gesellschaft überwiegend gut gelauter Menschen (und stoischer Tiere). Man war sogar tolerant genug, die drei Mountainbiker ohne Startnummer zu dulden und durchzufüttern.



Warum auch nicht, es war ja anscheinend genug für alle da, nur der Pecorino war etwas knapp diesmal. Dafür zeigte sich am Himmel endlich einmal die Sonne, die sich am nebligen Morgen und Vormittag ziemlich rar gemacht hatte.



Nach einer ausgiebigen Pause ging es dann gut gelaunt auf die nächste Schotterpiste. Abgesehen von Sturm und Drang am ersten Hügel ließen es die meisten Teilnehmer nach dem Essen eher gemütlich angehen. Die Verbissenheit, mit der in Deutschland die RTF-Veranstaltungen oft runtergestrampelt werden (ich sage nur: Rennen der Kategorie 6), sucht man hier in bella Italia meist vergebens.



Was aber nicht heißt, dass auf der L'Eroica lahm gefahren wird. Da sind Leute unterwegs, die wirklich was in den Beinen haben, alte Männer, die sich auf historischem Gelöt mit abartigen Eingang-Übersetzungen die Hügel raufdrücken, aufgerüschte junge Damen, die trotz des erhöhten Luftwiderstands ihrer Tracht ordentliches Tempo fahren.



Den Mitfahrer, der ja einige Transalp-Exzesse in den Beinen hat, strengte die 46-km -Runde nicht merklich an, und ich rechne es ihm hoch an, dass er mir nicht weggefahren ist. Auf der Abfahrt nach dem ersten Hügel hatten wir es ja mal richtig krachen lassen, aber auf den letzten Kilometern nach der Essenspause traute ich mich nicht so richtig, Gas zu geben, weil ich ja nicht wusste, ob da nicht noch ein fieser Anstieg kommt.



Und so war auf einmal das Ziel erreicht, ohne dass ich das Gefühl hatte, mich voll verausgabt zu haben. Was der Freude über das Erereichte aber keinerlei Abbruch tat. Allein, dass es ohne schieben ging, feiere ich schon mal als Riesenerfolg. Oder wie der Mitfahrer sinngemäß sagte, für einen chronisch Kranken und einen Krüppel haben wir uns nicht schlecht geschlagen.



Es bleibt noch für die Nachwelt festzuhalten, dass sich der Mitfahrer beim Shoppen sehr zurückgehalten hat und diesmal kein Komplettrad erwarb, nur zwei weitere Rahmen.



Mit viel Gebastel und Geschraube hätte der Kofferraum des Darkmobils vielleicht noch ein weiteres Rad geschluckt, aber man muss es ja nicht gleich übertreiben. Und wer weiß, für welche Eventualitäten es gut ist, dass in Staggia noch das Capelli (die Neuerwerbung bei der Eroica Primavera) bereit steht.

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Sie Herr M. ich hab das jetzt mal schön durch gelesen. Sehr schön geradelt. Gute Männer. Aber zu den Fotos hätte ich noch eine Frage. Der Herr Don, dass auf dem Foto ist ja der Herr Don oder? Ist das des Trikot, die schiefe Optik, oder hat der Brüste?

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Also da ist schon lebendes Gewebe drunter unterm Trikot, aber die Foto-Optik bläst das schon noch zusätzlich auf. Auf einem meiner Zielfotos siehts untenrum auch aus, als hätte ich eine Mords-Wampe, dabei ist die halb so wild.

Im Vergleich zu den modernen Jerseys tragen diese Wolltrikots auch mächtig auf, ich bin förmlich erschrocken, nachdem ich mir das Ding übergezogen habe.

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Bei den Rennen 6ter kategorie gab es zu Zeiten der Wolltrikots halt auch nix zu beißen . . . .

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Doch, die Lenkerstopfen aus Kork oder das Lenkerband. ;-)

Aber sonderlich nahrhaft ist das nicht, deswegen empfiehlt es sich, gewisse Reserven in der Köpermitte mitzuführen.

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Die Verpflegung liegt dann also irgendwo zwischen Korklenkerstopfen und La grande bouffe.
Vielleicht eher Richtung Letzerem, wenn ich das Buffet, sowie den Hinweis auf Wurstwaren auf dem Trikot des Begleiters betrachte und lese, dass der Pecorino knapp wird.
Eine sympathische Veranstaltung. Radfahren und Essen, die wesentlichen Dinge sind in der Balance.

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Jetzt habe ich ja schon fast ein schlechtes Gewissen, daß ich Sie im Stich gelassen habe!
Ich bin immer noch niedergeschlagen, daß ich nicht dabei war.
Obwohl es sachlich betrachtet die richtige Entscheidung für mich war.
Also den Blick nun fest nach vorne bzw nach Buonconvento!

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@don ferrando: Sie haben definitiv gefehlt, aber trösten Sie sich: Sie haben damit auch verhindert, dass der Mitfahrer auf die lange Strecke geht und dabei nass und miesgelaunt wird.

Mit Blick auf den Frühling könnte ich fast in Versuchung kommen (wenn das Belastungs-EKG es hergibt) wieder eine längere Strecke ins Auge zu fassen, aber im Zweifelsfall bleibt es bei dem diesjährigen Pensum.

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@monnemer: Man achtet schon darauf, dass Leib und Seele zusammengehalten werden, nach dem Zielstempel gibt es einern ordentlichen Teller Pasta, Brot mit Schinken und Rosinenkuchen, bei einer Verpflegungsstation auf der längeren Strecke bekommt man leckeren Gemüseeintopf.

Und es gibt unterwegs außer Wasser auch Wein. Man kann das natürlich kritisch sehen, aber in der guten alten Zeit, von der Rudi Altig gerne schwadronierte, ist auch bei der Tour de France immer ordentlich gebechert worden, es obliegt dem einzelnen Fahrer, mit diesem Angebot verantwortlich umzugehen. Soweit ich das sehen konnte, hat sich da niemand die Lichter ausgeschossen.

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Na wuii und Hochachtung wie immer : )

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Vielen lieben Dank!

Aber es war ja nur die kleine Runde, und ehrlich gesagt war die Autofahrerei hin zurück diesmal die größere Anstrengung. ;-)

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Nachtrag;
Hier noch ein Bericht von jemandem, der sich vor ein paar Jahren auf die lange Strecke gewagt hat - und zu seiner großen Überraschung der erste war, der im Ziel ankam.

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jaja francesco moser 3 mal paris-roubaix
jezz hauste aber voll auf die kacke

wenn du so einen vor dir hast trotz seinem alter kaufste dir stante pede einen laufroller

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Das gute ist ja, diese Cracks, die auf die 200er-Strecke gehen, starten, wenns noch richtig dunkel ist, um die Zeit hat unsereins noch nicht mal die Radschuhe an.

Aber auch auf der Kurzstrecke kurbelten alte Männer mit richtig Kraft in den Beinen (und zum Teil mit unglaublichen Übersetzungen). Da kommen wir in dem Leben nicht mehr hin.

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