Mittwoch, 22. April 2015
Diese Angaben wie immer ohne Gewehr
Nachdem die Debatte um das Sturmgewehr G 36 inzwischen sogar die GMX-Startseite erreicht hat, brauche ich keine Ladehemmung mehr zu haben, meine 2 Schuss zu dem Thema auch noch loszuballern. Es gibt da nämlich ein paar Dinge in der Debatte, die mich wirklich wundern. Zum einen ist die abnehmende Treffergenauigkeit der heißgeschossenen Standardwaffe seit Jahr und Tag bekannt. Von daher ist es nicht so recht einsichtig, warum dieses Problem gerade jetzt so hochgehecklertundgekocht wird. Und das im Lichte der Tatsache, dass das eigentliche Problem dieser Waffe im Einsatz - nämlich das zu kleine Kaliber und die damit einhergehende fehlende effektive Reichweite - so gar nicht zur Sprache kommt.

Das ist kein spezifisch deutsches Problem, auch bei den Verbündeten steht die in den Neunzigern eingeführte kleinere NATO-Standardpatrone vom Kaliber 5,56 x 45 mm in der Kritik. War das von den Amerikanern eingeführte M 16-Gewehr mit diesem Kaliber in den Dschungeln Südostasiens schon nicht allzu ruhmreich, stehen die Truppen der westlichen Allianz in Afghanistan mit ihren Kleinkaliber-Knarren auf völlig verlorenem Posten gegen hochmotivierte Gegner mit AK 47-Gewehren, deren 7,62 x 39 mm-Geschosse weiter tragen und im Dauerfeuer-Modus selbst Ziegelwände penetrieren können. Ein Stabsoffizier der Bundeswehr, der drei Jahre Dienst in Afghanistan hinter sich hatte, erzählte mir im vorigen Sommerurlaub ein paar haarsträubende Schwänke von der Front. Um sich wenigstens ein bisschen Respekt zu verschaffen, schießen westliche Truppen mit erbeuteten Kalaschnikows zurück, einzelne US-Spezial-Einheiten haben das alte M 14-Gewehr wieder am Start, und deutsche Kommandeure haben dem Vernehmen nach kistenweise alte G 3-Gewehre aus eingemotteten Bundeswehr-Beständen an die Front geordert.

Nun ist deren altes NATO-Kaliber 7,62 x 51 auch nicht über alle Kritik erhaben, es gab ja gute Gründe, zu einer leichteren Munition zu wechseln: Davon kann der Soldat bei gleichem Tragegewicht doppelt so viel Schuss mit sich tragen. Außerdem macht der geringere Rückstoß bei kleinerem Kaliber die Waffe im Feuerstoß-Modus besser kontrollierbar. Und fairerweise muss man sagen, dass die Anforderungen der Bundeswehr an das G 36 seinerzeit Einsatz-Szenarien wie in Afghanistan überhaupt nicht auf dem Schirm hatten. Aber wenn es denn für die oberste Truppenursel bereits ausgemachte Sache ist, dass die Bundeswehr ein neues Standardgewehr braucht, weil das G 36 nicht wie erhofft performt, dann wäre es in meinen Augen geradezu grob fahrlässig, die Kaliberfrage nicht zu stellen und so zu tun, als wäre das 5,56-Kaliber für die künftige Ordonnanzwaffe der Bundeswehr alternativlos oder gar gottgegeben.

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Ich verstehe nix von Waffen, aber warum das gerade jetzt so hochkocht, nachdem die schon seit Jahren damit schießen, es also längst gemerkt haben müssen, hat mich auch gewundert.

Wer verdient denn daran, wenn die jetzt alle eingemottet werden?

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Ich denke mal, derjenige Hersteller, dessen Tötungsgerät den Zuschlag bekommt. Ich will H&K da nicht über Gebühr in Schutz nehmen, aber soweit ich das sehe, hat der Lieferant so ziemlich das geliefert, was bestellt war. Ich habe den Verdacht, dass hier auf Teufel komm raus versucht wird, den schwarzen Peter an den Hersteller weiterzureichen, wo doch die eigentliche Schwachstelle im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung liegt, das auch bei anderen Großaufträgen und Projekten (NH 90-Hubschrauber, AM-400-Transporter etc.) immer wieder seine Unfähigkeit unter Beweis stellt, Beschaffungsprojekte effizient und zielführend zu managen.

Amerikaner sagen unter der Hand übrigens, immerhin schießt ein heißgeschossenes G 36 noch, beim M 4 kann man sich darauf nicht verlassen, das neigt dann nämlich gerne mal zu völliger Ladehemmung...

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Gemerkt haben die das in der Tat schon lange. Jetzt hat halt die Ursel gesagt "Schluß damit, wir brauchen was besseres". Eigentlich ein ganz normaler Vorgang. H&K hat wohl damals geliefert wie bestellt, niemand hat was anders behauptet. Kein Grund zur Aufregung also, auf keiner der beiden Seiten. Vorwürfe muss man höchtens den früheren Verteidigungsministern machen, die das ganze ausgesessen haben.


Abgesehen davon fände ich es natürlich viel besser, wenn die Bundeswehr ihre Spielzeugwaffen behalten würde und damit nur ihrer alten Aufgabe der Landesverteidigungssimulation nachgehen würde.

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@ mark: OK, vielleicht hätte ich es anders formulieren sollen: Wer hat alles ein Interesse daran, dass es eine neue Ausschreibung gibt (und verdient dabei)? Nicht nur die Mitbewerber von H&K, scheint mir. Den Eindruck, dass denen der Schwarze Peter auf Teufel komm raus zugeschoben werden soll, habe ich übrigens auch. Und beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung muss man sich auch ernsthaft fragen, was da eigentlich los ist, dass die so viele Projekte und Großaufträge so vergeigen.

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niemand hat was anders behauptet.

Nun ja, ich bin auf dem Sprung und kann die ganzen Links dazu grad nicht raussuchen, aber bw-seitig wurde in der Tat mehrfach der Eindruck erweckt, als würde das Gewehr nicht leisten, was es soll. Wohlgemerkt, nachdem das Präzisionsproblem jahrelang geleugnet wurde...

Ansonsten bin ich völlig bei Ihnen, ich sehe nach wie vor nicht, was unsere Leute am Hindukusch und sonstwo verloren haben.

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@arboretum: Ich sehe in erster Linie den erhofften PR-Effekt von "Ursel packt das heiße Eisen endlich an" - und damit einhergehend die Hoffnung, wenn man das Problem jetzt offensiv genug angeht, werden vielleicht nicht ganz so viele peinliche Fragen gestellt, wie es zu dem jetzigen Zustand überhaupt kommen konnte.

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Mein G3 war das gleiche Baujahr wie ich und ich habe nie allzu gut getroffen ("Schützenschnur"...); glaube aber, das lag eher an mir als am Gewehr. Komisch fand ich damals aber schon immer die Sache mit dem "Haltepunkt": ich dachte, der müsse eigentlich doch in der Mitte liegen...

Damals hat uns das in Kürze kommende G36 als kommende Wunderwaffe gepriesen...

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Nachtrag: Das cui bono, wie fefe es sieht. Auch nicht völlig unplausibel, aber es würde mich dann doch wundern, wenn man zu dem Zweck eine potenziell nicht unerhebliche Beschädigung des Hoflieferanten H&K billigend in Kauf nehmen würde. Sähe dann doch blöd aus, wenn man die künftige Ordonannzwaffe dennoch wieder bei den Oberndorfern kauft - und ehrlich gesagt sehe ich dazu auch nicht allzu viele politisch vertretbare Alternativen.

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@rocky raccoon: Der Haltepunkt berücksichtigt die Tatsache, dass die ballistische Energie bei der Schussabgabe das Gewehr etwas verreißt, bis das Geschoss den Lauf verlassen hat. So weit, so logisch, aber verschärfend kam hinzu, dass längst nicht jedes G 3 eine sogenannte Punktwaffe war (die exakt in einen Schraubstock eingespannt auch tatsächlich auf eine vorgegebene Entfernung in die 10 (oder auf die zwölf, wie man so sagt) traf. Da gab es bei nahezu jedem Gewehr eine individuelle Abweichung, die man mühsam selber herausfinden musste (und das mit ziemlich wenig Schusspraxis). Es gab ein paar Kollegen, die das Glück hatten, einen solche Punktwaffe zu erwischen, und die mussten tatsächlich nur auf Haltepunkt achten, um signifikant höhere Trefferraten zu erzielen als Durchschnittsschützen wie meiner einer. Mit dem G 3 habe ich nie sonderlich viel gerissen, aber was mir wirklich lag, war das MG 3 in allen möglichen und unmöglichen Lagen (ja, auch paar mal vorschriftswidrig stehend geschossen). Flugabwehrschießen auf Fliegerdreibein mit Leuchtspurmunition, das war mir immer ein Fest... ;-)

Ach ja, mit der P 1 habe ich auch so gut wie nie was getroffen. Und damit war ich in guter Gesellschaft. Man sagte spaßeshalber, am besten baut man das Ding auseinander und wirft mit den drei Einzelteilen nach dem Gegner. Aber mit der Uzi ging bei mir eine Menge. Kontrollierter Feuerstoß, das war halt nun mal mein Ding.

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Kann ich alles zu 100 % bestätigen zu MG3, Uzi und P1. Insbesondere das Leuchtspurschießen mit dem MG, das hatte schon etwas von Star Wars. Wenn da nicht ab und zu "Hemmung" zu rufen gewesen wäre und das stundenlange Waffenreinigen danach...das hat einen den Spaß etwas vermiest. Und dann gab es da auch noch eine Plastik-Einweg-Waffe mit Phosphor-Munition, wenn ich mit recht erinnere: ein ganz übles Ding...

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Und dann gab es da auch noch eine Plastik-Einweg-Waffe mit Phosphor-Munition, wenn ich mit recht erinnere: ein ganz übles Ding...

Daran habe ich keine Erinnerung. Aber an eine Signalpistole. Grundsätzlich muss ich sagen, dass die Schießausbildung in meiner Grundausbildung ziemlich rudimentär war. In den drei Monaten hatten wir vielleicht ein Dutzend Schuß scharfe Munition durchs G 3 jagen können, mit der P 1 nicht mal ein volles Magazin. Das änderte sich ein wenig in der Wacheinheit, da die Raketenstellung potenzielles Terrorziel war. Und erst als ich zu dem kleinen Trupp geholt wurde, der bei den benachbarten Batallionen bei den Nato-Übungen die sogenannte Feinddarstellung geben durfte, ging auch gelgentlich mal was außer der Reihe.

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Meine Waffenkenntnisse beziehen sich auf Luftgewehre (kirchliche Jugendfreizeit, fragen Sie nicht) und letztlich Jagged Alliance. Da fand ich das G41 recht brauchbar, obwohl es im heißen Dschungel spielt.

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Ah, so eine Art deutsche Antwort auf das M 16 auf G 3-Basis. Für den heißen Dschungel wirklich keine schlechte Wahl, muss ich sagen. Da schleppt man nicht gerne schwere Artillerie, das hat Uncle Sam in Nam schon richtig erkannt.

Aber einem Talib würde das das Ding jenseits der 400-Meter-Kampfentfernung nicht wirklich Kopfschmerzen verursachen. Davor bewahrt schon (fast) der Turban.

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Gibts das AK 47 nicht auch Made in China? Können sie ja da einkaufen. Muss man nicht beim Russen bestellen. Außerdem kommt doch das ganze Technikgedöns heute aus der Volksrepublik. Und billiger ist es sicher auch noch.

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Ich kann es nicht beurteilen, aber ich hörte und las verschiedentlich, die Lizenz-AKs aus dem Reich der Mitte markierten so ziemlich das untere Ende der Qualitätsskala. Kann man also wirklich nur empfehlen, wenn der Preis das wichtigste Kriterium ist. Meines Wissens verwenden die chinesischen Streitkräfte längst eine andere, modernere Standardwaffe in der Art.

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Ah, endlich mal eine Thema, das mich alten Militaristen delektiert!
MG423 aus der Hüfte war geradezu ein orgiastisches Erlebnis!!
Das G3 nahmen wir ich allzu ernst und mit der P1 hat man ja lieber geworfen als damit zu schießen!

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Schlimm, schlimm, schlimm. Dat Uschi stösst jetzt eine Preissteigerung bei Militaria an. Hätte ich ein weitläufig Bekannter das geahnt, hätte er sein mühsam aus dem Waldboden gegrabenes StG 44 nicht, im Geigenkasten drapiert, zur Sperrmüllsammlung geben müssen...

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Da wird sich beim Entsorgungsbetrieb jemand gefreut haben. Allerdings gestaltet sich die Beschaffung des Munitionsnachschubs für diesen militärhistorisch bedeutsamen Schießprügel recht schwierig, der einzige europäische Hersteller, der die 7,92er Mittelpatrone noch herstellt, sitzt in Serbien.

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Was Sie so alles wissen...

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Ach, "wissen" ist ein großes Wort für ein bisschen wikipedia-Gucken. Wahrscheinlich hat man mich obrigkeitlich eh schon auf dem Kieker aufgrund von ein paar einschlägigen Suchanfragen.

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Balla balla.

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Äh,
ja.

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Wie, ist das nicht die Schützenhymne?

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Keine Ahnung, ich war bei der Luftwaffe, da wurde nicht gesungen.

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"Na dann" (Tucholsky).

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fas politische Kaliber
Tritt nicht gewöhnlich der Verteidigungsminister(in) zurück wenn der Amtsvorgänger falsch entschieden hat?
War Verteidigungsminister nicht ein Schleudersitz?
Wer will das Verteidigungsröschen los werden?

Aber keine Sorge, die wird gewöhnt kompetent damit umgehen und am Ende ist sie dann irgendwann Kanzlerin.

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