Freitag, 2. Oktober 2015
Habemus violam
Die Bratsche stand bei mir als Instrument schon in sehr zweifelhaftem Ruf, da hatte ich von der Existenz von sogenannten Bratschenwitzen noch gar nichts gehört. Das geht zurück in die ersten Jahre auf dem Gymnasium, wo ich eine Klassenkameradin namens Alexa hatte. Sie war Tochter eines angesehenen Arztes, und weil die Familie kultivierte Leute waren, wurde im Hause des Doktor C. selbstverständlich klassisch musiziert. Für die üblichen Freizeitvergnügungen ihrer Klassenkamerdinnen war Alexa so gar nicht zu haben - sei es aus Desinteresse oder weil sie tatsächlich so viel Bratsche üben musste. Alexa war keine Streberin im engeren Sinne, aber von ziemlich altklugem Auftreten. Aus Mode und Styling machte sie sich nie etwas, "Hauptsache praktisch" war ihre Devise. In der achten Klasse wurde ich neben sie gesetzt, weil man sich davon erhoffte, sie könnte mich, einen notorischen troublemaker, etwas auf Normalmaß runterregeln. Zudem war sie eine gute Schülerin, es war also zu hoffen, dass sie notenmäßig nicht so deutlich absacken würde wie frühere Banknachbarn von mir, denen die Gabe, noch mit halben Ohr dem Unterrichtsstoff folgen zu können, während man Quatsch veranstaltet, nicht in dem Maße gegeben war wie mir. Zu meiner (und wahrscheinlich auch ihrer) Überraschung verstanden wir uns sogar ganz gut. Ich ließ mich von ihren altklugen Ermahnungen nicht provozieren, und sie nahm es nicht persönlich, dass ich weiterhin meiner Linie treu blieb.

Nachdem ich zur neunten Klasse die Schule wechselte, hatte ich sie ziemlich aus den Augen verloren. Aber wie mir glaubhaft berichtet wurde, blieb sie bis zum Abitur der praktische Typ, wie ich sie gekannt hatte, und außer der Bratsche und den Schulaufgaben - und später dem Musikstudium - dürfte sich weiterhin eher wenig bei ihr abgespielt haben. Ich traf sie dann wieder zum 15. oder 20. Abijubiläum, und nach ein bisschen Smalltalk gestand sie mir, dass sie sich in den vergangenen Jahren immer öfter gefragt habe, wozu sie mit der ganzen verdammten Fiedelei ihre Jugend versaut habe, wo es letztlich dann nicht für mehr gereicht habe als für einen nicht mal fest angestellten Platz in einem unbedeutenden Provinzorchester. Bumm! Zu sagen, ich wäre perplex gewesen angesichts dieses Geständnisses, wäre die Untertreibung des Monats. Nie. Im. Leben. Hätte ich darauf gewettet, sowas mal von Alexa zu hören.

Wie ich heute dem Internet entnehme, hat sie diese künstlerische und berufliche Krise wohl gemeistert und sich einen Namen in der Fachwelt gemacht. Aber nach wie vor steht für mich die Bratsche für etwas, was ich meinem Kind eher nicht zumuten würde. Entsprechend hatte ich es vor vor zehn Jahren noch als Witz gemeint, dass mit dem "Bratsche üben" was auf Töchterlein zukommt. Und was soll ich sagen? Damals konnten wir ja noch nicht ahnen, dass sich mademoiselle793 tatsächlich in den Kopf setzen würde, nach vier Jahren Violinen-Unterricht unbedingt auf die Bratsche umsteigen zu wollen - unerachtet aller fiesen Bratschenwitze und des väterlichen "oh no!".

Jetzt haben wir den Salat - und glauben Sie mir, sollte sich Töchterlein vielleicht irgendwann darauf besinnen, doch lieber Cello (oder von mir aus auch Viola da Gamba in historischer Aufführungspraxis) spielen zu wollen, dann mache ich drei Kreuze. Und zwar fis, cis und gis.

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Sonntag, 27. September 2015
Vom Rudelradeln


Die rotgraue Rakete ist frisch bereift, aber zu mehr als Rumrollen am Rheinufer reicht es derzeit nicht. Den Radinteressierten unter den Leserinnen und Lesern empfehle ich daher den Bericht von Mareike über ihre erste Gruppenfahrt unter der Ägide der "Schicken Mütze".

Mir ist die Damenriege auch schon paarmal begegnet da draußen in freier Wildbahn, und ich meine es nicht sexistisch, lookistisch oder sonstwie-istisch, wenn ich sage, das erfreut das Auge, wie die Mädels unter der Führung von Kerstin durch die Landschaft rauschen.

Aber in der Poller/Pöller-Frage die ich seit meinem Gruppen-Debüt ventiliere, sind wir immer noch nicht weiter...

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Montag, 21. September 2015
Das Klinikum am Rande der Nachbarstadt
Heute zur Laborkontrolle (d.h. Blutabnehmen) in der Klinik gewesen. Irgendwie schaffen sie es dort ja so gut wie immer, diesen an sich unspektakulären Vorgang mit genügend Wartezeit aufzuplustern, dass ich länger als 30 Minuten parken muss und es Gebühren kostet. Und stattdessen mit dem Rad kommen ist ja nicht gern gesehen, ich musste mir wieder eine Standpauke von der Stationsärztin anhören, als ich auf Befragen zugab, vom Radeln nicht so ganz lassen zu können.

Blödes Dilemma, aber letztlich ein Luxusproblem. Habe meinen Zimmergenossen, mit dem ich bei der ersten Chemo das Zweierzimmer teilte, auf dem Flur wiedergesehen, und der ist in der Zwischenzeit nicht geradelt, sondern mal eben dem Sensemann von der Schippe gesprungen. Was das genau für Komplikationen waren, weiß ich zur Stunde nicht, aber die Ansage "ich war schon so gut wie drüben" hat genügt, um mich ordentlich zu gruseln. Komme mir da eh manchmal vor wie im Hospital der Geister.

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