Sonntag, 21. September 2014
In Zwischennetzen


Ach, die Kunst! Die kam bei all dem Rumgekurbel der letzten Zeit doch ziemlich kurz hier in der Dunkelkammer. Umso willkommener daher heute die Ansage der Vorschlag der besten Ehefrau von allen, im Ständehaus der begehbaren Rauminstallation "in orbit" von Tomas Saraceno einen Besuch abzustatten und im Rahmen dieser Kunsterfahrung zu testen, ob wir immun sind gegen Höhenkoller.

Unter der gewaltigen Glaskuppel spannt sich eine 2500 Quadratmeter große Konstruktion aus Stahlnetzen auf drei Ebenen, eingewoben in diese filigrane Netzstruktur sind ein halbes Dutzend "Sphären", luftgefüllte Kugeln von bis zu 8,50 Metern Durchmesser. Immer zehn Besucher gleichzeitig dürfen für zehn Minuten in der Netzkonstruktion herumtapern oder rumlümmeln, Jacken, Handys, Kameras, Geldbeutel und dergleichen sind vorher wegzuschließen, man zieht einen Overall über, und wer keine Schuhe mit ausreichendem Profil hat, bekommt ein Paar Sneakers gestellt für die Begehung.

Über eine Treppe geht es hoch zum Einstiegspunkt, und dann macht man seine ersten, noch unsicheren Schritte in dem schwankenden Gebilde. Und reden wir nicht lang drumherum: Das ist wirklich nicht ohne, vor allem, wenn man sich in die Mitte des Raumes traut, wo sich das dünne Stahlseilgeflecht in rund 25 Metern Höhe über dem Bodenniveau des Innenhofes spannt. Fotoapparat oder dergleichen mitnehmen war wie gesagt nicht erlaubt, daher kann ich den geneigten Leserinnen und Lesern leider kein Bild aus der Vogelperspektive liefern. Aber das nachfolgende Foto gibt eine ungefähre Ahnung davon, in welcher Höhe man da oben rumturnt:



Wobei ich sagen muss: Die Höhe als solche hat mir nicht viel ausgemacht (das ist bei mir stark tagesformabhängig, und heute war ein geeigneter Tag für solch eine Unternehmung). Aber dort, wo zwischen mir und den 25 Metern Luft über dem Boden nur eine Lage Stahlnetz lag - uiuiui, da war mir deutlich mulmiger als an Stellen, wo zwei oder mehr Lagen das subjektive Sicherheitsempfinden stärkten. Die marquise793 war da oben mit ziemlich weichen Knien unterwegs, hat sich aber ebenfalls über den tiefen Abgrund in der Raummitte getraut, darauf hätte ich vorher auch nicht unbedingt gewettet.

Wir hätten es sicher noch länger ausgehalten als die erlaubten zehn Minuten, aber da oben unter der Glaskuppel war es schon ein bisschen schweißtreibend, und das lag nicht ausschließlich an den Overalls. Man steigt ja nicht nur herum, man interagiert gewissermaßen mit einem beeindruckenden Artefakt und zergrübelt sich das Hirn, was uns der Künstler damit eigentlich vermitteln wollte. Der Raum in der Schwebe wird zu einem schwingenden Netz von Beziehungen, Resonanzen und synchroner Kommunikation, heißt es auf der Website der Kunstsammlung NRW, zweifellos hat sich der Künstler auch von Spinnenetzen inspirieren lassen. Wenn mehrere Personen gleichzeitig in der Konstruktion betreten, gerät sie in Bewegung, die Spannung der Stahlseile und der Abstand der drei Netzebenen verändern sich. Das kennen wir so ähnlich ja auch vom elektronischen Zwischennetz, wenn da ein dicker Brummer reinbrumselt und rumzappelt wie blöd, dann kriegen die anderen in diesem Netz ja auch postwendend die Erschütterungen und Vibrationen mit. So gesehen ist die Installation eine schöne Metapher für "da hängen wir alle mit drin".

Und so sieht zu guter letzt das Ganze von unten betrachtet aus:

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Samstag, 20. September 2014
Herbstfarben


Die Sonne hängt sich nochmal richtig rein in diesen Septembertagen, aber für Sonnenbrand oder auch nur nennenswerte Pigmentierungseffekte reicht es nicht mehr. Der Wetterbericht spricht von Schauer- und Gewittergefahr, also habe ich das Schlechtwetterrad aus dem Keller geholt, die Reifen frisch aufgepumpt und die Kette geölt. Irgendwo im Bereich Tretlager/Kurbel/Pedale gibt es beim Fahren ein Klickgeräusch, dessen Ursache ich noch nicht gefunden habe. Aber insgesamt lässt sich dieses Rad trotz seines etwas schwereren Rahmens auch sehr flott bewegen.

Heute steht indes keine Bolzerei auf dem Programm, sondern gemütliches Rumpedalieren mit der Dame des Hauses. Hoffen wir, dass das Wetter hält.

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Sonntag, 14. September 2014
Ihren Pass, bitte!


In der Theorie ist das Bezwingen einen Alpenpasses mit dem Rad eine ganz simple Sache: Man kurbelt und kurbelt und kurbelt - und wenn man nicht vorher aus dem Sattel kippt oder von einem entgegenkommenden Fahrzeug umgenietet wird, kommt man irgendwann oben an und freut sich aufs Runterfahren. Ob sich das für einen Flachlandtiroler wie mich in der Praxis dann auch so einfach umsetzen lässt, da hatte ich im Vorfeld dieser Tour auf den Jaufenpass allerdings leichte Zweifel. Rund 1150 Höhenmeter galt es hier zu überwinden, das ist drei oder vier mal so viel wie die höchsten Mittelgebirgs-Anstiege, die ich mich je hinaufgekämpft habe.



Doch der erfahrene Begleiter versuchte meine Bedenken zu zerstreuen und schwärmte von der abwechslungsreichen Strecke. Für Abwechslung sorgte zudem das Wetter, denn auf dem ersten steilen Stück gab es gleich einen Regenguss, dessen Ende wir unter den vorstehenden Dach einer Blockhütte neben der Straße erwarteten. Tatsächlich mussten wir nicht allzulange ausharren, bis es aufhörte, und so schraubten wir uns langsam, aber stetig höher. Die Strecke führte größtenteils durch sattgrünen Mischwald, und auf den Lichtungen knallte uns die Sonne auf die Helme.



Der Begleiter behielt recht: Wenn man das erste steilere Stück hinter sich hat, ist der Jaufen ein Pass zum Genießen - was auch die Kenner von quaeldich.de gerne bestätigen: Der Jaufen zählt laut 'tour' zu den Top Ten der Alpenpässe, dem kann man sich anschließen, denn dank herrlicher Landschaft, angenehmen Steigungswerten und abwechslungsreicher Sraßenführung gehört dieser Pass zu denen, die man genießen kann, sofern man nicht gerade am Ötztaler Radmarathon teilnimmt. Nein, also diese Art von verschärfter Quälerei hatten wir nun wirklich nicht im Sinn, im nachfolgenden Bild sehen wir meinen ortskundigen Mitfahrer, dem die Aussicht auf einen Apfelstrudel in der Passhütte förmlich Flügel verleiht und ein vorfreudiges Lächeln ins Gesicht zaubert.



Doch die letzten Kurven hatten es nochmal in sich, zumal da oben jenseits der Baumgrenze ein ziemlich kalter Wind bläst. Aber man hat das Ziel immerhin vor Augen. Weiter unten durch den Wald ist das ja immer bisschen schwierig abzuschätzen, wie hoch man mittlerweile ist und wie viel noch vor einem liegt.



Irgendwann ist man dann oben - und was soll ich sagen, es ist ein gigantisch gutes Gefühl. Zu wissen, da aus eigener Kraft hochgekommen zu sein, den Rundblick über das beeindrucklende Panorama auf sich wirken zu lassen, die Vorfreude darauf, gleich ohne die Beine anzustrengen runter ins Tal brettern zu können.



Dort hinten ginge es hinab ins Passeiertal, wollte man weiterfahren nach Meran. Das haben wir uns diesmal verkniffen, schließlich hatten wir unser Basislager ins Sterzing aufgeschlagen. Aber ich beginne zu verstehen, wie der Begleiter tickt: Wer diesen Pass raufkommt, ohne sich völlig zu verausgaben, der müsste es auch hinkriegen, in zwei Tagen vom Tegernsee aus nach Meran zu fahren. Und von Meran aus könnte man doch locker...



Allzu lange können wir diesen Gedanken hier oben indes nicht nachhängen, der Wind pfeift schneidend kalt, und vor der Abfahrt wäre es ratsam, dem Körper noch eine Stärkung zu gönnen. Der Mitfahrer setzt auf den bewährten Apfelstrudel, ich hingegen wähle eine Gulaschsuppe (die man unter uns gesagt auch genausogut als Gemüseeintopf hätte deklarieren können, aber ich will da jetzt nicht kleinlich sein, ich war froh, auf der Karte überhaupt etwas Warmes zu finden).



So anstrengend das Herauffahren für die Beine ist, so fordernd ist das Runterfahren für die Finger. Immer wieder zupacken und bremsen; sobald die Finger die Bremshebel loslassen, schiebt das Rennrad los wie ein Motorrad, und auch wenn der Mitfahrer die Strecke aus dem Effeff kennt, reichte mein Vertrauen in die Reifen auf den nassen Streckenabschnitten dann doch nicht aus, um sein Tempo jederzeit mitzugehen. Aber ich konnte immer wieder aufschließen, und ehe ich es mich versah waren wir auch schon wieder unten im Tal.



Tja, das war nun also gewissermaßen meine alpine Radlertaufe, den Achenpass zähle ich da jetzt mal nicht mit, da gibt es um Wuppertal herum sicher härtere Prüfungen. Wenn mich daheimgebliebene Pedaleure jetzt fragen, ob es arg anstrengend war, müsste ich ehrlicherweise sagen: nicht wirklich. Allerdings muss ich an dieser Stelle dann doch noch ein paar Worte über das gefahrene Fahrrad verlieren: Dieses Rad ist deutlich leichter als alles, was bei mir im Keller steht, ein veritables Geschoss - überdies hat der Besitzer eine Mountainbike-Kurbel montiert und hinten einen Zahnkranz mit recht großen Ritzeln. Das heißt, mit diesem Antrieb lassen sich wesentlich kleinere Übersetzungen fahren als mit einem normal bestückten Rennrad. Den kleinsten Gang (vorne 22 Zähne, hinten 29) habe ich nichtmal gebraucht, und auf meinem Koga hätte ich mit vorne 30 und hinten 26 als kleinstem Gang schon arg zu drücken gehabt auf dem ersten Stück mit den zweistelligen Steigungsprozenten. Quaeldich.de-Ritter der strengen Observanz mögen über diese MTB-Kombination von Kinderkurbel und Seniorenteller-Ritzeln am Rennrad womöglich die Nase rümpfen, aber meinem Stolz auf die erste Alpenpass-Bezwingung nimmt das nichts.

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