Donnerstag, 10. Juni 2010
Hauptsache, rumGEZetert
Eine nicht unerhebliche Anzahl von Internetcommunitybenutzern hyperventiliert dieser Tage wegen der geplanten Änderungen der Rundfunkfinanzierung. Zugegeben, eine Haushaltsabgabe unabhängig vom Besitz und Betrieb eines geeigneten Empfangsgeräts mag nicht jedem spontan einleuchten. Aber so leid es mir tut, das sagen zu müssen: Einlassungen à la "ich guck doch gar kein ARD und ZDF, wieso soll ich dann Gebühren zahlen?" oder "ich hole mir alle meine Infos aus dem Internet" waren auch schon bisher nicht von großem Sachverstand unterfüttert. Im Lauf meiner beruflichen Tätigkeit (nein, nichts Juristisches) hatte ich Gelegenheit, einige Urteilsbegründungen zu Rechtsstreitigkeiten über die Gebührenpflicht zu lesen. Und die Quintessenz daraus (oder die executive summary, wenn Ihnen das zeitgemäßer erscheint), darf ich den Besuchern der dunklen Seite hier und heute kurz und knackig präsentieren:

Die Rundfunkgebühr ist ihrem Wesen nach kein Nutzungsentgelt, sondern eine Infrastrukturabgabe

Daraus folgt: Wenn die Gebührenpflicht bisher schon nicht daran gekoppelt gewesen ist, ob ich das Mutantenstadl im Ersten angucke oder nur "DSDS" und ähnliche Unterhaltungsangebote privatwirtschaftlicher Provenienz, dann ist es eigentlich nur logisch und konsequent, die Abgabe früher oder später auch vom Gerätebesitz zu entkoppeln. Allzugroße Hoffungen, dass das Bundesverfassungsgericht oder sonst eine höhere Instanz diese geplanten Änderungen wieder kassiert, würde ich nicht schüren wollen nach allem, was ich in in den letzten 25 Jahren an medienpolitischen Entscheidungen mitbekommen habe.

So, und jetzt dürfen sich gern alle weiter erregen, auch der ansonsten sehr geschätzte Udo Vetter, dem ich eigentlich mehr rundfunkrechtlichen Sachverstand zugetraut hatte als in ein kirschkerngroßes Hirn passt. Er schrieb dazu:

Kann man wirklich für etwas zur Kasse gebeten werden, was man gar nicht nutzt? Schon die frühere Logik, ein zum Empfang bereitgehaltenes Gerät verpflichte dazu, für ARD und ZDF zu zahlen, war ja seit Zulassung des Privatfunks eine Zumutung für jeden mit einem IQ über dem eines Kirschkerns. Nun aber Menschen für TV und Radio zur Kasse zu bitten, die auf TV und Radio verzichten, ist in meinen Augen eine Attacke auf die Freiheit, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden (...).

Diese Freiheit ist nur leider nirgendwo kodifiziert. Und dazu fällt mir noch eine Quintessenz aus einer Urteilsbegründung ein - geliefert vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten Bennetton-Urteil:

Es gibt kein Grundrecht auf eine von der Unbill des Daseins völlig unberührte Existenz.

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Noch Fragen jemand?
Aus formspring ist die Luft auch schon wieder draußen, oder?

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Montag, 7. Juni 2010
Westlich des Westviertels
Hat man erst mal Düsseldorf Richtung Westen hinter sich gelassen, wird alles besser. Die Landschaft ist leicht hügelig, und sobald ein Schild auf die Existenz eines Schlosses Dyck hinweist, zieht es die Barchetta automatisch runter von der Autobahn. Die Strassen sind schmal, die Geschwindigkeit ist moderat und das Ziel ist ein Schloss mit historischem Landschaftsgarten. Nun ist die Copilotin nicht dabei, ich habe Heuschnupfen und auch keinen Platz für die Erzeugnisse dieses Edelpflanzengeschäfts. Aber das macht nichts, denn die Strasse führt weiter durch kleine Dörfer, und es gibt da einen Trick: Man muss immer dort fahren, wo Alleen sind. Alleen und Wäldchen sind die Garantie für wenig benutzte Strassen, die grosse Siedlungen meiden, dem natürlichen Verlauf von Hügeln und Tälern folgen, und so kommt man sehr entspannt, langsam und unbehelligt von Verkehr durch eine reizvolle Landschaft und grüne Felder bis zu einer grösseren Industrieruine namens München-Klattpach.

Dies schrieb vor fast genau drei Jahren ein in Blogkreisen nicht gänzlich unbekannter Reisender. Und abgesehen davon, dass ich mit dem Fahrrad natürlich nicht Autobahn gefahren war, habe ich die Gegend auf meiner gestrigen Tour exakt so vorgefunden. Schloss Dyck hatte ich zwar schon mehrfach angefahren, aber die kleinen Straßen weiter westwärts erkundete ich gestern zum ersten Mal - und war auch sehr angetan. Sanfte Hügel, wogende Getreidefelder zwischen kleinen Waldstücken und Dörfern, da macht das Fahrradfahren wirklich Laune. Das ändert sich indes, wenn man nach Mönchengladbach kommt, und zwar nicht nur wegen der holprigen Radwege dort. Ganz egal, ob man nun von Norden oder Osten her in die Stadt kommt oder eher die südlichen Stadtteile streift, die Tristesse dieser Ansiedlung schlägt schon schwer aufs Gemüt. Als ich dann irgendwo eine Abzweigung Richtung Jüchen sah, dachte ich, na schön, dann kann ich ja auch gleich nochmal Mondlandschaft gucken, wenn ich schon mal hier bin. Und was soll ich sagen: Auch beim zweiten Mal ist dieser Blick in diese monströse Wunde in der Landschaft immer noch spektakulär und irgendwie unwirklich.

Überhaupt ist es schon frappierend, was man hier auf einem Rundritt von circa 70 Kilometern Länge an Kontrastprogramm sehen kann: Hier ein Schloss mit Landschaftspark, dahinter Obstbaumwiesen und ganz normale Getreide- und Rapsfelder, dann eine vom Strukturwandel gebeutelte Stadt am Westpol und schließlich das kilometerweit klaffende Loch des Garzweiler-Tagebaus mit den Kohlekraftwerken, die im Volksmund wegen ihrer weithin sichtbaren Emissionen auch Wolkenmacher genannt werden. Und auf dem Rückweg in die Verbundgemeinnde strampelt man dann wieder vorbei an Golfklub- und Reitstall-Landwirtschaft. Gäbe es dazwischen nicht auch noch ein paar Höfe, die ihre Kartoffeln und ihren Spargel direkt am Hoftor feilbieten und zu Schlachtfesten einladen, könnte man glatt auf den Gedanken kommen, dass Gentrifizierung nicht nur ein urbanes Phänomen in bestimmten metropolitanen Bezirken ist. Sondern auch ein Prozess, der das ländlich geprägte Umland verändert. Aber solange es jedes Frühjahr da draußen noch nach Gülle riecht, kann man sicher sein, dass noch nicht das ganze Umland westlich von Düsseldorf zum Erlebnispark umfunktioniert worden ist.

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Samstag, 5. Juni 2010
Schrecksekunden
Da sprachen wir hier neulich noch vom diffizilen Verhältnis zwischen Auto- und Radfahrern. Und heute nachmittag erlebte ich im Auto die gleiche Situation, die der_papa schilderte mit einem Radfahrer, der sich beim Überholen eines anderen Radfahrers nicht die Bohne um den rückwärtigen Verkehr (sprich: das Darkmobil mit mir am Steuer) schert. Keine Zwei Stunden zuvor durfte ich noch auf meinem Fahrrad-Ausritt zusehen, wie eine korrekt auf dem Radweg radelnde Rennradfahrerin umgebügelt wird von einem Jungspund im A 3, der mit Karacho entgegenkommend in die Einfahrt der Tanke sticht. Ich war kurz hintendran auf der Straße, vielleicht anderthalb Sekunden schneller, und das Auto wäre mein Problem gewesen, nicht ihres. Sie hatte gute Bremsen und knallte nicht frontal in die Seite des Audis, aber immerhin, sie kam zu Fall und der Schreck war groß - bei beiden Beteiligten. Ich konnte auch nicht mehr tun als sofort anhalten und mich weiter um die Radlerin kümmern, während der Unfallverursacher in die Tanke ging, um die Polizei zu rufen und einen Eisbeutel zu besorgen. Inzwischen war dann auch der Begleiter der jungen Dame am Ort - er hatte etwa eine halbe Minute Rückstand gehabt, weil er auf der Straße fahrend korrekterweise an der roten Ampel weiter vorne gehalten hatte während sie auf dem Radweg nicht allzu schnell weitergefahren war. Nach der Erstversorgung und Begutachtung der überschaubaren Schäden (Schürfwunde am Knie der Radlerin, Kratzer am Kotflügel des Autos, Rad ohne offenkundige Beschädigungen) blieb ich noch ein paar Minuten vor Ort, entschied mich dann aber, weiterzufahren und nicht auf das Eintreffen der Polizei zu warten. Ich gab dem Radlerpärchen meine Adresse für den Fall, dass eine Zeugenaussage vonnöten ist. Und jetzt, wo ich das Geschehen nochmal für mich rekapituliere, stelle ich mit Schrecken fest, dass ich dabei um eine Platitüde nicht drumrumkomme:

Es ging alles so schnell.

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