Dienstag, 15. Dezember 2015
...in the middle of the street, our house...
Jetzt, wo sich auch das "literarische Quartett" damit befasst hat, kommt der Roman "Auerhaus" von Bov Bjerg bestimmt groß raus. Aber ich habe mir das Buch schon schenken lassen, als es noch in kleinen finnischen Clubs empfohlen wurde. Schließlich ist Bov Bjerg, der Gründer mehrerer Lesebühnen, in Bloggerkreisen kein ganz Unbekannter. Sein Romandebüt "Deadline" habe ich (noch) nicht gelesen, aber was ich über "Auerhaus" hörte, machte mich sehr neugierig: Eine coming of age-Geschichte aus den frühen 80er Jahren wurde versprochen, irgendwie lustig und doch auch traurig, und nachdem ich selber etwa zur gleichen Zeit die Oberstufen-Schulbank drückte, sollte das eigentlich mühelos gelingen, mich in die Geschichte hineinziehen zu lassen. Und ja, ein bisschen ist es auch ein Wiedersehen mit der eigenen Jugend, was Bov Bjerg uns da serviert.

Da ist der Erzähler, 18 Jahre alt, Oberschüler, von allen nur mit dem Nachnamen Höppner gerufen, und sein bester Freund Frieder, mit dem er schon ewig zur Schule gegangen ist. Frieder hat einen Selbstmordversuch unternommen, und nachdem er aus der Psychiatrie wieder entlassen wird, heißt es, er solle besser nicht alleine leben. So zieht Höppner mit seinem Kumpel in einen ehemaligen Bauernhof, in die WG stoßen desweiteren Höppners Freundin Vera, der schwule Kiffer Harry sowie die strebsame Cäcilia und die etwas durchgeknallte Pauline. Vom Ghetto-Blaster schallt ein Mixtape in Dauerrotation, und der Briefträger, der den Song "Our House" von Madness nicht kennt oder falsch versteht, verpasst dem Anwesen den Namen "Auerhaus". Da geht es in der Folge ganz schön rund, und nicht alles, was die Auerhäusler in ihrem jugendlichen Leichtsinn anstellen, geht auch wirklich gut aus. Völlig sorglos ist diese Zeit ohnehin nicht, da flattern Musterungsbescheide ins Haus, und die Frage stellt sich, verweigern oder zum Bund gehen, kriegt man das Abi einigermaßen auf die Kette, ohne sich einen abzubüffeln und was kommt danach? Und wäre es nicht doof zu sterben, bevor man mal Sex hatte? Höppner, der das erste Mal mit Vera mangels Timing vergeigt, erzählt das alles ziemlich trocken, und doch nicht ohne Witz - und zwischen Zeilen deutet sich schon früh das instinktive Wissen darum an, dass Zeit im Auerhaus ein Ausnahmezustand und nicht von Dauer sein würde: "Wir hatten immer so getan, als ob das Leben im Auerhaus schon unser richtiges Leben wäre, also ewig. (...) Und dann machst Du die Augen auf uns merkst, es ist bloß ein Nachmittag am Baggersee, und zack ist der auch schon vorbei." Was man als Altersgenosse von Bjergs WG-Personal - in a nutshell - auch im Rückblick auf die eigene Jugend in jenen Jahren sagen kann.

Um mir zu guter Letzt noch ein Fazit abzuringen: "Auerhaus" ist keine Weltliteratur, es ist auch nicht der große Wiedervereinigungsroman, auf den das Feuilleton seit einem Vierteljahrhundert wartet, es ist eine sehr westdeutsche Coming-of-age-Geschichte, die ich als Badewannen-Lektüre sehr genossen habe und daher bedenkenlos weiterempfehle.

Ach ja, auf der Website zum Buch gibt es eine Playlist mit Songs, und bei der Auswahl hat der Autor ein ganz gutes Händchen bewiesen, da ist von "Smoke on the water" (Deep Purple) über "Tainted Love" von Soft Cell bis hin zum Bauhaus-Grufti-Klassiker "Bela Lugosi's dead" etliches dabei, zu dem auch Ihr ergebener Rezensent in seiner sittlich desorierten Jugendzeit die Knochen geschüttelt hat.

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