Sonntag, 16. November 2014
In Bewegung versetzt


"Endlich im richtigen Monat" jubiliert es in der Blognachbarschaft, und auch hier draußen novembert es grade, dass Gott erbarm. Ich könnte stundenlang am Fenster sitzen, dem Nieselregen zusehen und dabei New Order hören bis zum Pupillenstillstand. Aber ausgerechnet heute kommt die marquise793 auf die Idee, einen Sonntagsspaziergang machen zu wollen, und eingedenk meines Eheversprechens ("...wo Du hingehst, da will auch ich hingehen") lasse ich mich breitschlagen, mich in Bewegung zu setzen und den Regenschirm zu halten.



Bei dem miesen Wetter und meiner eher nachdenklichen Grundstimmung kommt es jetzt eh nicht drauf an. Da kann man sich auch gleich den Niedergang der Schwerindustrie mal näher ansehen anstatt in gepflegten Parks und auf noblen Promenaden zu flanieren.



Einst war dieser ganze Komplex ein Stahlwerk, das vielen hunderten Mitarbeitern Lohn und Wohnberechtigung in der Stahlwerk-Siedlung bot. Das hat man nicht unbedingt auf dem Zettel, wenn man an unsere vor Kaufkraft strotzende Verbundgemeinde denkt, aber auch hier lässt sich der Strukturwandel im Kleinen besichtigen, der die Industrie an Rhein und Ruhr umpflügt.



Teile der Anlage werden noch für Veredelung oder Weiterverarbeitung von Stahl durch Voest Alpina genutzt, aber mehr und mehr Flächen und Gebäude werden vom Dienstleistungssektor okkupiert und umgewidmet. Logistik wird hier großgeschrieben - wenn auch nicht ganz so groß wie im Logport auf dem ehemaligen Krupp-Gelände in DU-Rheinhausen. Im Kesselhaus finden Messen, Ausstellungen und Konzerte statt - und auf manches Business sollte vielleicht der Verfassungsschutz oder die GSG 9 mal ein Auge werfen:



Stählernes Sinnbild der Globalisierung:



Hier die Außenansicht von der Rückseite. Rechts im Bild (wenn auch nicht zu sehen) verläuft die U-Bahn-Strecke Düsseldorf-Krefeld - oder die "K-Linie", wie die Alteingesessenen sagen.



Den ganzen Spaziergang hindurch geht mir die LP "Movement" von New Order nicht mehr aus dem Kopf. Nur einmal wieder gehört nach bestimmt 20 Jahren Pause, und jeder Song, jede Note, jedes Detail ist wieder präsent. Ich muss dazusagen, als sich diese Töne vor über 30 Jahren (zum Teil mit THC-Unterstützung) in meine Synapsen und Ganglien löteten, hatte ich von der tragischen Vorgeschichte dieser Scheibe keine Ahnung. Dass sich der Sänger der Vorgängerband Joy Division umgebracht hatte und New Order mit dieser Platte und neuem Namen einen Neuanfang versuchten, erfuhr ich erst eine Weile später. Ich bin darüber auch gar nicht unfroh, denn so hat sich mir die Frage nicht so dringlich gestellt, wie es gewesen wäre, wenn Ian Curtis die Songs eingesungen hätte, die zum Zeitpunkt seines überaus frühzeitigen Ablebens schon standen.



Im großen und ganzen habe ich von Youtube-Kommentaren keine hohe Meinung. Aber manchmal sagt dann doch einer, wie es ist: Like others have said, songs like 'Doubts Even Here', 'The Him', 'The Eternal' and 'Decades' are best listened to whilst gazing out of the window at a dark winter's sky while the rooftops are pounded with heavy rain.

Nuff said. Gehet hin und höret.

... link (24 Kommentare)   ... comment