Dienstag, 5. August 2014
Was heißt "blau" auf mallorquinisch?


Bevor die Erinnerungen daran völlig verblassen, will ich hier nun doch noch ein paar Eindrücke vom 17. Bundesland festhalten. Der Klickpedalschuh hat die Adilette als Standard-Fußbekleidung noch nicht völlig verdrängt, aber selbst auf der Promenade der berüchtigten Platja de Palma kurz vor S'Arenal (wir waren da übrigens nur wegen des Aquariums) muss der badelatschende Pauschaltourist mit Querverkehr von Rennradlern rechnen. Alles in allem ist die Insel aber groß genug, dass sich die Anhänger verschieder Urlaubskonzepte einigermaßen aus den Weg gehen können. An der Ostküste in Cala Ratjada, wohin es uns verschlagen hatte, hielten sich ballermännliche Umtriebe jedenfalls sehr in Grenzen, selbst nach dem WM-Finalsieg von Schland brach nicht die Hölle los, wie wir eigentlich erwartet hatten.

Aber ich will die Kernleserschaft jetzt gar nicht lang mit Nebensächlichkeiten auf die Folter spannen, von wegen wie war das Hotel (danke der Nachfrage), wie früh musste man aufstehen, um sich Liegen in der ersten Reihe am Pool zu sichern (5 Uhr 45 wäre schon zu spät gewesen) und wie weit war es zum Strand (100m Luftlinie) - es ist doch sonnenklar, dass alle wissen wollen, wie fährt es sich denn nun Rad auf MAMIL Island? Bevor ich dazu komme, wollte ich noch erwähnen, dass die ehrenwerte Kundschaft der Discounterkette L*DL auf Malle nicht auf ihren präferierten Viktualienanbieter verzichten muss:



Hat uns da jetzt nicht mit Macht hingezogen, wohl aber einmal zum Drogeriemarkt M*ller nebenan. Wenn man dort übrigens irgendwelchen Etablissements begegnet, die das Wort "Blau" im Namen führen, etwa einer "Bar Blau", dann heißt das mitnichten, dass man dort Wert legt auf trinkfreudige Touristen aus den übrigen 16 Bundesländern. Das mallorquinische (genauer gesagt katalanische) Wort für "blau" ist "blau". Hammer, oder? Ich hatte das ja schon vermutet, aber meine Frau hatte da ihre Zweifel. Ich versprach, das zuhause nachzugucken - und jetzt können wir wohl endlich aufsatteln in den Kommentaren.

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Kommentator Rocky Raccoon hatte im Vorfeld geweissagt, Rad leihen gestalte sich auf Malle recht unkompliziert, und was soll ich sagen: Der Mann hatte recht. Keine 200 Meter vom Hotel entfernt fand sich dieser Dienstleister:



Die Konditionen: Carbonrenner 25 Euro pro Tag (9-21 Uhr), Alurenner 5 Euro günstiger. Nicht dass ich knausrig wäre, aber mein Vertrauen in von unbekannten Fremden zuvor gefahrene Plastikdosen ist nicht unendlich, von daher gab ich Alu den Vorzug, konkreter einem Cannondale CAAD 10 mit 58er-Rahmenhöhe. Das passte auch wie angegegossen, nur gab es leider keine Körbchenpedale, und meine eigenen (nicht ganz Shimano-kompatiblen) Klickies hatte ich nicht dabei, so dass ich mit Bärentatzen-Pedalen kurbelte, die den Fuß gar nicht fixieren, was anfangs etwas ungewohnt war.



Aber nach ein paar Kilometern hatte ich mich eingegroovt und genoss es sehr, die Gegend rund um Cala Ratjada zu erkunden. Meine Frau machte sich natürlich Sorgen und hatte zur Vorsicht gemahnt, aber im Großen und Ganzen habe ich mich da unten nicht unsicherer gefühlt als auf den Landstraßen des Niederrheins oder im Bergischen. Die Autos halten in der Regel Abstand - auch zu nebeneinander herfahrenden Radlern oder Grüppchen, ich bin nicht einmal angehupt oder eng überholt worden.



Landschaftlich ist die Insel sehr abwechslungsreich, da wechseln sich auf wenigen Dezikilometern grüne Hügel, karge Mondlandschaften und flache Feuchtgebiete ab. Städtchen wie Capdepera oder Artà sind auch immer mal einen Abstecher wert. Da hat man dann auch mal kurzzeitig Ruhe vor anderen Radlern. Es ist nämlich auf Mamil Island wie hier im Niederrheinischen auch: You'll never ride alone.



Die große Frage war natürlich: Wie ist das mit der Hitze? Im Vorfeld hatte ich ja noch getönt, ich könne das auf dem Rad gut ab. Und ich bin gottlob nicht Lügen gestraft worden. Solange man sich einigermaßen in Küstennähe bewegt, kann man auf eine kühlende Brise vom Meer her hoffen. Nur an ganz wenigen windabgewandten Anstiegen kam ich mal so richtig ins Saften.



Nachdem es von der Ostküste aus ohnehin zu weit war, in die Serra Tramuntana aufzubrechen, gab es höchstens mal 200 Höhenmeter am Stück zu erklettern. Und das geht dann schon, auch wenn man ins Schwitzen kommt.



Meine ambitionierteste Tour war ein Ritt vom östlichsten Punkt der Insel bei Cala Ratjada zur Nordspitze (dem Cap de Formentor) und zurück - alles in allem 150 Kilometer und vierstellige Höhenmeter. Das letzte Stück von Port de Pollenca zum Leuchtturm hat es in sich, zum Teil ist der Straßenbelag recht holprig, es gibt einen unbeleuchteten Tunnel zu durchfahren, es geht rauf und runter, mal droht links der Steinschlag und rechts der Abgrund und hinter der nächsten Kehre ist es wieder umgekehrt. Aber dann, wenn man auf der Plattform des Leuchtturms steht, genießt man diesen Anblick:



Und seien wir ehrlich, die 5 Sterne, die das Radmasochistenportal quaeldich.de der Strecke für Schönheit verliehen hat, gehen völlig in Ordnung. Ich war trotz der Strapaze doch sehr froh, dass ich nicht beim Beginn der Holperstrecke umkehrte, wie ich es kurz überlegt hatte.



Ich war ja zunächst ohne Karte oder Navi unterwegs, und so hatte es mich tags zuvor auf die andere Landzunge da oben verschlagen. Was auch eine nette Strecke zu einem schönen Aussichtspunkt war, aber das Projekt Ost-Nord-Passage hatte sich damit natürlich nicht erledigt. Die Frau vom Radverleih erzählte, einer ihrer Frühjahrskunden absolviere diese Tour mehrmals die Woche in sechs Stunden. Das klingt vorderhand nicht nach außerirdischem Geschwindigkeitsniveau, aber ich muss gestehen, ich habe inklusive der Fotostopps und Getränkekäufe etwas über sieben Stunden gebraucht. Und ich kann auch nicht sagen, dass ich tags drauf wieder so weit gewesen wäre, das nochmal runterzureißen.



Aber Spaß hat es gemacht, da rumzuradeln, jede Menge sogar. Auf der letzten Tour, die mich zur Ermita de Betlem führen sollte, hat mich allerdings eine herannahende Gewitterfront davon abgehalten, die letzten anderthalb Kilometer zur Klosteranlage noch hinunterzufahren. Wer weiß, mit einem Carbonrad hätte ich diesbezüglich vielleicht weniger Bedenken gehabt, aber mit acht Kilogramm Metall unterm Allerwertesten wollte ich Zeus nicht herausfordern. Ich raste der Regenfront im Rücken davon und fand Unterschlupf unter einem Sonnenschirm am Pool.



Das Gewitter nahm wohl eine andere Abbiegung - und ich startete vor dem Abendessen nochmal zu einer kleinen Abschiedsrunde zum Leuchtturm von Capdepera.



Hach ja.

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wenn ich mir die Bilder anschaue, merke ich wie Urlaubsreif wir sind :)

Wunderbar, die Augenweide :)

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Es war ja ein Fest für alle Sinne: das Zirpen der Zikaden, der leichte Pinienduft in der Luft, die mediterrane Brise auf der Haut. Würde Euch bestimmt guttun nach all der Plackerei.

Nur am Pool oder Strand abhängen die ganze Zeit ist ja nicht so meins, so gesehen war es die Idealkombination, auch schnell mal ein Radl klarmachen zu können. Der einzige Tag, an dem es dafür wirklich zu heiß war, war der Tag nach meinem Ritt zum Cap de Formentor, den ich eh zur Regeneration brauchte. Könnte mir vorstellen, dass Dein Liebster da unten auch Spaß hat.

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Schön, tolle Bilder.
Und endlich einen ordentlichen Lenker. :-P

Nein, ich bin sehr neidisch, weil ich letztens zufällig eine Zeitschrift kaufte, in der die schönsten Rennradtouren (jaja...) beschrieben sind. Neben Norwegen, Italien und Frankreich findet sich dann auch eine Strecke auf Mallorca. Nun.
Ich kaufe mir dann mal einen Radkoffer.

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Als ob es hier noch nie ordentliche Lenker zu sehen gegeben hätte. ;-)

Ich muss gestehen, dass ich mich im Vorfeld nicht kundig gemacht habe, was Strecken angeht. War ja eh nicht sicher, ob ich zum Fahren kommen würde. Hatte ein bisschen die Befürchtung, dass sich das ganze Radbusiness mehr an der Westküste rund ums Gebirge konzentriert - oder dass es so mörderisch heiß sein könnte, dass mir jegliche Lust vergeht.

Ein bisschen schade ist es schon, dass es nicht in die Serra Tramuntata gereicht hat (ich nehme mal an, die beschriebene Strecke dürfte dort zu finden sein), aber dann bleibt für künftige Aufenthalte noch genug zu entdecken.

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Die Strecke startet bei Port de Soller und geht hinunter bis nach Andratx.

Ich war tatsächlich noch nie auf dieser Insel, bin mir aber mittlerweile sicher, dass ich doch unbedingt einmal nach Mallorca muss.

Aber das erzähle ich Dir vielleicht einfach persönlich. Es gibt ja möglicherweise eine Gelegenheit für ein paar gemeinsame Kilometer und einen Espresso, wie ich hörte.

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Ah, dachte ich mir fast, von der Strecke hat die Frau vom Radverleih auch geschwärmt. Von Palma aus wäre das eine praktikable Runde gewesen, aber leider nicht von der Ostspitze der Insel aus.

Ich bin ja eher nicht so der Typ für Sehnsuchtsorte, von wegen, da oder dort müsse man un-be-dingt mal gefahren sein. Aber auf Mallorca kommen ein paar Faktoren zusammen, welche die Insel zu einem sehr geeigneten Biotop für Mamils machen. Vielleicht wäre mir im Frühjahr, wenn alle Welt dort trainiert, eher zuviel Testosteron und Kettenschmiere in der Luft, wer weiß, aber diese paar sommerlichen Runden haben mir sehr viel gegeben.

@gemeinsame Kilometer: Ja, da scheint sich ein Zeitfenster aufzutun, und bei dem Gedanken daran werd ich schon jetzt ein bisschen kribbelig.

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Fein!
Und da mal ins Trainingslager so einen richtigen Radurlaub. Könnte mir auch gefallen.

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Nun ja,
die monothematische Darstellung verzerrt das Bild natürlich etwas. Tatsächlich war ich nur an 4 von 14 Tagen im Sattel, ansonsten standen Pool, Strand, Inselerkundung per Leihauto und eine Bootsfahrt auf dem Programm. Alles in allem hat die Mischung genau gepasst so, in erster Linie war es ja doch Familienurlaub. Und ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, an den Tagen ohne Leihrad nennenswerten Entzug gehabt zu haben.

Ich denke, das wäre was anderes, wenn ich mich von vorn explizit auf Radurlaub einstellen würde. Aber ich hatte es im Vorfeld ja mehr so als "nice to have" betrachtet, wenn da bisschen was ginge. Deswegen hatte ich ja auch nur einen Satz Klamotten mitgenommen und andere Dinge wie Pedale, Helm, Handschuhe und Pannenset mit Blick auf Gewichtslimits beim Fluggepäck zuhause gelassen.

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